«Es wird eine Herausforderung werden»

Olympia-Gold, Gesamtweltcup und Disziplinen-­Sieg: Dieses hohe Niveau gilt es für unseren Ski-Helden in Zukunft zu halten. Den Druck, der auf ihm lastet, erträgt er mit Unterstützung von Familie, Bekannten und Freundin Stella.

Auf dem Weg zum Fotoshooting vor der imposanten Bergkulisse schnappt sich Marco Odermatt einen Schoggigipfel vom Buffet. Es wurde eigens für diesen Tag im «Stübli» in der Bergstation Titlis aufgebaut. «Dieser Geruch», schwärmt der Skistar. «Er erinnert mich an meine Kindheit.» An damals, als er, seine Eltern und seine Schwester jedes Wochenende auf den Skis verbrachten, frühmorgens den Gipfel erreichten und das Gebäck eben frisch aus dem Ofen kam.

Seither ist vieles passiert. Der 24-Jährige ist ein Held. Das männliche Aushängeschild der aktuellen Generation von Athleten, die der Schweiz ihre Bedeutung als Skination zurückbringt. Odermatts Bilanz der Saison 2021/22: eine Goldmedaille in Peking, Weltcup-Gesamtsieg sowie Gewinn der Riesenslalom-Disziplinenwertung. Noch im Sommer 2021 sagte er zur GlücksPost: «Mein Ziel für 2021/22 ist es, möglichst lange um die Kugeln mitzufahren.» Seine eigenen Erwartungen hat er bei weitem übertroffen und gleich zwei Kugeln (die Siegestrophäen im Ski-Weltcup) eingefahren: eine grosse für den Gesamt-, eine kleine für den Disziplinensieg.

Marco trainierte seit frühester Kindheit im Skiclub Hergiswil mit seinem Vater Walter (53), früher selbst Skirennfahrer und bis heute Skisport-Förderer im Kanton Nidwalden. Als Jugendlicher stand Odermatt dann unter der Obhut professioneller Trainer im Nidwaldner Skiverband. «Wir haben nicht gezielt auf ein solches Resultat hingearbeitet. Gesamtweltcup-Sieger zu werden – das ist so gross, davon träumst du nicht mal. Warum sollte gerade ich der eine sein, dem das gelingt?», resümiert er seine Einstellung, bevor das Unerwartete wahr wurde. «Doch irgendwann merkst du, dass es im Bereich des Möglichen liegt.»

Rund 9000 Begeisterte empfingen ihn und vier weitere Nidwaldner Olympioniken am 10. April in seinem Heimatort Buochs NW. «Ich war froh, dass sich nicht alles um mich drehte», sagt Marco Odermatt, der das Rampenlicht gerne teilt. Er mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen, hat es jedoch als Teil seines Berufes akzeptiert. Auch dass auf die getane Arbeit auf der Piste noch ein paar Wochen mit Medien-, Sponsoren- und anderen Terminen folgen. Wie etwa heute auf dem Titlis, wo er der Presse Auskunft gibt und für Fotos bereitsteht.

Zum Glück ist dies einer der letzten «Pflichttage». Der Ski-Star fühlt sich «ausgepowert». Aber auch befreit: «Nach dem letzten Rennen fallen die ganze Last und der Druck weg.» Jetzt freut er sich auf seine Ferien in Costa Rica. Nach einem halben Jahr in Schnee und Eis zieht es ihn an die Wärme. «Wenn du sicher sein willst, dass es auch wirklich warm ist, musst du halt etwas weiter reisen.» Die zwei freien Wochen geniesst er mit zwei Skifahrer-Freunden.

Trotz seiner vollen Agenda komme sein Umfeld nicht zu kurz, versichert der Nidwaldner. Auch nicht seine Freundin, Medizin-studentin Stella Parpan (24). Dass sich die beiden weniger oft sehen als andere Paare, sei kein Problem für die Beziehung: «Wir kennen es nicht anders», meint er. Sie unternähmen viel Sportliches zusammen, spielten Tennis oder gingen wakeboarden – eines von Marcos liebsten Hobbys. Stella hat mit ihm gelernt, auf dem Brett übers Wasser zu gleiten. «Sogar während der Saison gibt es praktisch jede Woche einen freien Tag, den ich zu Hause mit der Familie oder Bekannten verbringe.»

Bloss – für ihn allein bleibt nur wenig freie Zeit. Etwa zur Erholung von den körperlichen Strapazen während der Saison: «Momentan regeneriert sich mein Körper schnell, und das Zusammensein mit meinen Freunden hat für mich die Qualität von Entspannung.» Dass er sich in seinen jungen Jahren nicht austoben kann wie andere in seinem Alter, stört ihn nicht: «Ich mache das vereinzelt schon, gehe in Clubs oder so. Dafür erlebe ich Dinge, die den wenigsten Menschen je widerfahren. Das macht es mehr als wett.»

Für seine Triumphe hat er sich noch nicht selbst mit einer Neuanschaffung belohnt: «Ich wohne immer noch in der WG mit meinem Kumpel Gabriel.» Das Boot zum Wakeboarden leiht er sich von Bekannten. Vielleicht gebe es früher oder später mal ein eigenes. «Ich bin keiner, der das verdiente Geld gleich ausgibt. Ich lege es lieber gut an.»

Im Hinblick auf die kommende Saison ist Marco Odermatts Credo «Man kann sich immer noch steigern» schwierig umzusetzen: «Mehr als in der vergangenen Saison geht kaum. Es wird eine echte Herausforderung, wie ich es angehen soll, um dieses Resultat zu toppen.» Er werde wohl oder übel einen neuen Blickwinkel einnehmen müssen: «Das Thema wird nun sein: Titelverteidigung.»