«Es war verletzend und grausam»

Er kämpft gegen seine grössten Feinde. Im Prozess gegen einen britischen Zeitungsverlag machte der Sohn von König Charles III. seine Zeugenaussage. Und liess dabei in seine Seele blicken.

Zerstörte Beziehungen, Beleidigungen und Überwachung! Erneut sprach Prinz Harry (38) offen über die Dramen seines Lebens. Nicht in einer TV-Doku oder einem Buch diesmal – sondern vor dem High Court in London. Historisch! Seit 1890 stand kein britischer Royal mehr im Zeugenstand eines Gerichts. 

Schweigen und sämtliche Stürme aussitzen, das ist seit Jahrzehnten die Devise des Palasts. Harry hasste es. Und warf es über Bord, kaum hatten er und Ehefrau Meghan (41) dem Königshaus den Rücken gekehrt. Aktuell verklagt der Sohn von König Charles III. (74) die «Mirror Group», einen Boulevard-Verlag, wegen illegaler Informationsbeschaffung in zahlreichen Artikeln, die bis ins Jahr 2010 reichen. Es geht in erster Linie um das Abhören von Telefongesprächen. Sein Auftritt vor Gericht: souverän. Seine Zeugenaussage: voller Wut und Schmerz.

Das Kindheitstrauma

Seit seiner Geburt seien ihm die Zeitungen des Verlages feindselig begegnet. Er habe «die meiste Zeit  seines Lebens und bis zum heutigen Tage» mit einer «Invasion der Presse» zu kämpfen. So sei er als minderjähriger Trinker, Schwachkopf und verantwortungsloser Drogenkonsument dargestellt worden. «Sie drängen die Menschen dazu, die Rollen zu spielen, die am besten zu ihnen passen und die möglichst viele Zeitungen verkaufen.» Er als «Ersatz» des Thronerben sei davon speziell betroffen gewesen. «Als Teenager und in meinen frühen Zwanzigern hatte ich schliesslich das Gefühl, dass ich vielen der Schlagzeilen und Stereotypen gerecht wurde, die sie mir aufdrängen wollten», sagte er. «Es war eine Abwärtsspirale. Wenn ich jetzt zurückdenke, ist ein solches Verhalten von ihrer Seite absolut abscheulich.»

Die Angst seiner Mutter

Für den Tod von Prinzessin Diana († 1997), die beim Tunnelcrash in Paris von Paparazzi verfolgt wurde, macht Prinz Harry die Verlagsgruppe, speziell den damaligen «Mirror»-Chef Piers Morgan (58), mitverantwortlich. Zudem bezichtigt er ihn und seine Kollegen, auch sie bespitzelt zu haben. «Der Gedanke, dass sie die Nachrichten meiner Mutter abhörten, macht mich körperlich krank und noch entschlossener, sie für ihr abscheuliches und völlig ungerechtfertigtes Verhalten zur Rechenschaft zu ziehen», sagte er aus. «Wie viel mehr Blut wird ihre Schreibfinger beflecken, bevor jemand diesem Wahnsinn ein Ende setzen kann?» Die Leute hätten seine Mutter als paranoid bezeichnet, aber das sei Prinzessin Diana nicht gewesen. «Sie hatte Angst vor dem, was mit ihr geschah. Und jetzt weiss ich, dass es mir genauso ging.»

Der falsche Vater

Ist Harry ein Kuckuckskind? Gezeugt von Dianas Affäre, dem rothaarigen Reitlehrer James Hewitt (heute 65)? Ab 2003 wurde darüber spekuliert. Für Harry ein Desaster. «Ich war 18 Jahre alt, hatte meine Mutter sechs Jahre zuvor verloren. Solche Geschichten waren verletzend und grausam. Wollten die Zeitungen Zweifel sähen, um mich aus der königlichen Familie zu drängen?» Erst mit 30 die Erlösung: Er fand heraus, dass eine Vaterschaft Hewitts zeitlich unmöglich ist.

Das Chelsy-Drama

Harrys erste grosse Liebe war Chelsy Davy (heute 37), die aus Simbabwe stammt und ihn im Internat kennengelernt hatte. Sie sei eine der wenigen Frauen gewesen, die ihn als Mensch sah und vom Prinzentitel nicht viel hielt. Ab 2004 war sie mit ihm liiert – und war damit, so Harry, auch gezwungen, eine Beziehung mit der Presse einzugehen. Immer wieder kamen damals private Details ans Licht. 

Inzwischen ist er felsenfest davon überzeugt, dass ihre Telefone abgehört wurden. Im Gerichtssaal erzählte er etwa, wie er nach acht Monaten Beziehung Chelsy Davys Familie auf einer afrikanischen Insel kennenlernen sollte, ganz im Stillen, und wie Zeitungen im Vorfeld darüber schrieben. Ein anderes Mal berichteten die Boulevard-Blätter über einen Anruf von Chelsy Davy, den er auf dem Anwesen seines Vaters entgegengenommen habe. «Woher konnte der Journalist das wissen?» Im Jahr 2011 verliess seine erste Liebe ihn. Laut dem Prinz wegen des Presserummels. «Letztendlich führte dieser dazu, dass sie die Entscheidung getroffen hat, dass ein royales Leben nichts für sie ist, was mich damals unglaublich traurig gemacht hat.»

Das teuflische Misstrauen

Die Presseberichte hätten neben Beziehungen auch Freundschaften zerstört. Lange glaubte er, dass nahestehende Personen Informationen über ihn weitergaben. Heute ist er überzeugt, dass auch diese abgehört wurden. «Ich war misstrauisch und wusste nicht, wem ich vertrauen konnte. Dazu kam die Sorge, dass die Menschen in meinem Umfeld ebenfalls zu Zielscheiben der Beklagten werden würden.»

Die Vertreibung aus der Heimat

Da sich die Anklage auf ältere Artikel bezieht, waren Herzogin Meghan und die Kinder Archie (4) und Lilibet (2) nur am Rande Thema. Prinz Harry liess es sich aber nicht nehmen, zu erwähnen, dass ihre Entscheidung, sich vom Königshaus zu lösen und in die USA zu ziehen, auch mit der britischen Presse zu tun hatte. Das «beständige Eindringen in die Privatsphäre, das Erzeugen von Hass und die vielen Pöbeleien» hätten eine verheerende Wirkung auf die Gesundheit und mentale Verfassung der beiden gehabt. Zudem seien sie um die Sicherheit ihres Söhnchens Archie besorgt gewesen. Dessen Schwester Lilibet wurde in den USA geboren.

Ärger aus England gibt’s für Harry und Meghan trotzdem immer wieder: So verbreitete eine Royal-Autorin kürzlich, dass der Prinz Scheidungsanwälte kontaktiert habe. Sie wisse das von fünf unabhängigen Quellen. Als einer der Ersten sprang Prinzessin Dianas einstiger Butler auf den Zug auf. Er ist sich sicher, dass «eine Scheidung passieren wird». Und innert weniger Stunden spekulierte die halbe Welt über eine Ehekrise. Prinz Harry weiss, dass es unliebsame Schlagzeilen immer geben wird. Trotzdem ist ihm der Kampf vor Gericht wichtig, denn Schweigen und Ausharren, das betonte er oft, ist für ihn keine Option mehr.