«Es war lustig, aber wir  waren solche Amateure!»

Eben war er noch mit dem Circus Knie auf Tour. Nun steht das nächste Highlight an: Der Romand feiert sein zehnjähriges Jubiläum als Musiker – Anlass für einen Rückblick auf seine beachtliche Karriere.

Wir warten in der Snus Bar in Kloten auf Bastian Baker. Als sein Vater Bruno Kaltenbacher (60) noch beim EHC Kloten Eishockey spielte, war dies das Stammlokal des Clubs. Marcel Wick (64), ehemaliger Teamkollege von Bruno, hatte das «Snus» vor 27 Jahren gegründet, gab dem jungen Lausanner die Möglichkeit zu seinem ersten Konzert in der Deutschschweiz.

Marcel und seine Frau Jeannette lassen sich die Gelegenheit nicht nehmen, ihren mittlerweile berühmten Gast zu begrüssen. Der 30-Jährige kommt direkt vom Skifahren aus Les Diablerets VD, wo seine Familie ein Ferienchalet besitzt. «Weisst du noch, wie wir nach deinem Konzert hier Spaghetti gegessen haben?», fragt Jeannette. Bastians Erinnerung ist verschwommen: «Ich weiss noch, dass es sehr lustig war. Aber wir waren solche Amateure! Schlecht ausgerüstet, richtig Rock’n’Roll halt. Wir haben alles als Familie gemacht – alles ‹homemade›.» Seine Tante habe aus Angst, dass das Konzert schlecht besucht sein könnte, Tickets gekauft und an Bekannte verteilt.

Solche Sorgen plagen Bastian Baker längst nicht mehr. Mit seinem gerade erschienen neuen Album «Stories of the XXI» feiert er sein zehnjähriges Jubiläum als Musiker und kann auf eine erstaunliche Karriere zurückblicken. 2010 wurde er während eines Auftritts in einer Zermatter Bar von Claude Nobs (†) entdeckt und zu dessen Montreux Jazz Festival eingeladen. «Das war Schicksal», sinniert Baker. Mit dieser Begegnung begann sein Stern aufzugehen. «Claude erzählte immer tolle Geschichten. Wir waren uns sehr nahe. Für mich war er wie ein Grossvater. Er trieb mich an, empfahl mich weiter.»

Heute ist der kanadische Superstar Shania Twain (56) an Nobs Stelle getreten. Bastian Baker lernte die Wahlschweizerin durch ihn kennen. «Sie und ihr Mann helfen mir viel und geben mir Tipps in Sachen Musikbusiness. Dank ihres Rats habe ich viel geändert.» Nachdem sie schon Jahre befreundet waren, nahm Twain ihren Schützling 2018 mit auf ihre Welttournee. «Ich realisierte erst, was das bedeutet, als mir mein Agent sagte: ‹Weisst du, wie viele Künstler dafür bezahlen würden, dass sie mit Shania auftreten dürfen?›»

Baker strahlt einen unermüd­lichen Tatendrang aus. Die Worte sprudeln aus seinem Mund. Nebenbei trommelt er mit den Fingern auf den Tisch. Wird mal nicht gesprochen, summt und pfeift er vor sich hin. Oder imitiert Gesundheits­minister Alain Berset an einer Corona-Pressekonferenz. Man kann sich gut vorstellen, dass dieses Energiebündel jahrelang mit zwei bis drei Stunden Schlaf ausgekommen ist: «Wenn ich auf Tour im Ausland war, ging es nicht nur vom Flughafen ins Hotel und von da zur Bühne. Ich wollte etwas vom Ort sehen und bin auch nach meinen Konzerten durch die lokalen Clubs gezogen.» Heute sei er diesbezüglich allerdings ruhiger.

Was den Romand ebenfalls auszeichnet, ist seine Lust, Neues zu entdecken. So war er Teil der ersten Rockshow in Bahrain. «Das sind die Momente, in denen du denkst: Das ist mehr als Musik.» Im Nahen und Fernen Osten kommt Bastian Baker gut an, war schon mehrmals auf Tour in Japan, China oder Südkorea. Eine seiner liebsten Erinnerungen ist sein Auftritt als Hauptact bei einem Festival im Olympiastadion in Seoul 2014.

Im selben Jahr war er auch Jurymitglied der Casting-Sendung «The Voice Belgique». In den frankophonen Ländern darf Baker auf eine treue Fangemeinde zählen. 2012 hat er an der französischen TV-Show «Danse avec les stars» teilgenommen – das Pendant zu «Darf ich bitten?». «Das war meine bisher grösste Herausforderung», gesteht er. «Es war so hart und so weit ausserhalb meiner Komfortzone. Vor der ersten Sendung sagte ich mir: ‹Schaffe ich es, vor sechs Millionen Franzosen Tango zu tanzen, muss ich nie mehr Angst vor einem Auftritt haben.› Seither bin ich viel lockerer.»

Er stoppt die Erzählung und sagt nachdenklich: «Eigentlich bin ich noch fast am Anfang meiner Laufbahn, aber ich habe schon so viel erlebt und so viel Spass gehabt. Manchmal komme ich mir vor wie ein alter Künstler, der stets sagt: ‹Da war ich auch schon, da hab ich auch mal gespielt.› Es ist krass, wie viele gute Leute ich kennengelernt habe – eine unglaubliche Geschichte.» Das Schicksal habe es immer gut gemeint mit ihm. «Alles verlief reibungslos, ohne Skandale. Dafür bin ich sehr dankbar.»

Nach unserem Interview wird Bastian nach Lugano fahren, um dort die letzten Vorstellungen mit dem Circus Knie zu absolvieren. Als erster Sänger begleitete er den Nationalzirkus während der vergangenen Saison. «Ich bin gerne der Erste, der etwas Neues tut», meint er schelmisch. Es beim Singen zu belassen, hätte sein Ehrgeiz nicht zugelassen: «Ich sagte von Anfang an, dass ich Teil der Show sein will. Ich wollte etwas aus­probieren und wagte mich an eine Pferde- und eine Luftakrobatik-Nummer.» Wieder hat es das Schicksal gut mit ihm gemeint: 2021, in dem Jahr, in dem Musiker weltweit ihre Konzerte absagen und Tourneen verschieben mussten, hatte er mit dem Knie 200 Auftritte!

Ab März will er nun sein zehnjähriges Jubiläum mit einer Clubtour durch die Schweiz feiern. Wegen der unsicheren Lage stehen erst vier Daten. In seinem Leben hätten sich schon so viele «Masterpläne» in Luft aufgelöst, dass es der Sänger einfach auf sich zukommen lasse. Jüngstes Beispiel: Bastian, vor seiner Musikkarriere professioneller Hockeyspieler, versuchte am Anfang der Pandemie ein Comeback auf dem Eis. Die Saison wurde dann jedoch abgesagt. Auch einem Bas­tian Baker gelingt nicht alles.