«Es war für mich ein bewegender Moment»

Sie mussten nach 70 Jahren ihren Bauernhofverlassen und in ein Heim ziehen. Eine Tragödie für die Eltern des Musikers aus dem Berner Seeland! Doch die Familie hält fest zusammen.

Das ist uns noch nie passiert, dass wir derewäg gefötelet werden. Heiterefahne!», sagt Hanni Schwab trocken. Es ist ihr Sohn, «Buuregiel» George, der seine Eltern ins Rampenlicht rückt. Sie zieren sein neues Album «Dr Louf vom Läbe», ihnen hat der 54-Jährige das Werk gewidmet.

Rund 70 Jahre lebten Hanni (94) und Ernst (93) auf ihrem Bauernhof in Kallnach BE, auf dem George und seine drei Geschwister aufgewachsen sind. Der ältere Bruder und dessen Familie hatten den Betrieb bereits übernommen, Hanni betreute noch ein Blumenfeld zum Selberpflücken, das ihr sehr am Herzen lag. Im Oktober vor einem Jahr der Schock: Vater Ernst konnte sich eines Morgens im Bett nicht mehr rühren. «Wir wussten nicht wieso und brachten ihn ins Spital» erzählt George. «Dort hiess es, er könne nicht mehr auf den Hof zurück.» Ernst vermochte nicht mehr, selbst aufzustehen, er hatte Schmerzen in den Beinen. «Es kam unerhört unerwartet», seufzt seine Frau betrübt.

Es war unmöglich, das alte Bauernhaus für einen Rollstuhl umzurüsten. «Wir haben alles versucht mit Hilfe der Spitex, aber es ging nicht mehr», berichtet George. So blieb nur eine Alternative: Pflegeheim. «Hanni wäre noch besser zwäg gewesen, aber sie wollte den Vater nicht allein lassen», fährt der Musiker fort. «Für mich war es ein sehr bewegender Moment, als sie hierher ziehen mussten.» Hanni hat es bis heute nicht verdaut und war seither kein einziges Mal im alten Daheim: «Ich vermisse es ganz unerhört. Ein Besuch täte mir zu fest weh.»

Ernst findet es «nicht schlecht hier. Doch es ist einfach nicht daheim». Er lächelt stets still vor sich hin. Trinkt zufrieden ein Bier und hat Spass mit Georges Freundin Carmela (45), die sich liebevoll um ihn kümmert. Eine ihrer Hände liegt abwechselnd auf seinem Bein oder seinem Arm. Er jasst gerne und mag sein Glas Rotwein am Abend. Er scheint weniger mit dem Schicksal zu hadern als seine Frau.

Hanni vermisst ihr Blumenfeld sehr. Das Zimmer im Seelandheim Worben BE ist voller farbiger Gewächse. Unter einem Tuch liegt ihre Zither, sie spielt immer noch darauf, hatte früher ein eigenes Grüppli. Die Musik ihres Sohnes «ist nicht so unsere Welt», gesteht die alte Dame. Zwei Mal waren sie und Ernst an einem seiner Konzerte. «Es gefällt mir ‹e Blätz wiit›. Aber es ist zu laut. Ich bevorzuge Volksmusik.» Hanni wäre es auch lieber, ihr Jüngster hätte seinen Taufnamen Andreas behalten. Ein Künstlername ist George jedoch nicht: «Den habe ich seit ich ein kleines Kind bin», erinnert er sich. «Es gab damals eine TV-­Serie mit einem Bernhardiner namens George. Unsere Nachbarn fanden, ich sei ähnlich tollpatschig, gaben mir diesen Namen.»

Die bewegende Geschichte seiner Eltern fand umgehend ihren Weg in Georges Repertoire: «Musik ist meine Therapie. Meine Songs sind immer eine Art Tagebuch. Wenn ich Geschichten erfinden muss, scheitere ich kläglich.» Die Zeilen von «Und ds Läbe geit witer», der ersten Single des neuen Albums, sind direkt aus dem Leben gegriffen: «Glich weisch du nie, wo di ds Schicksal häretreit. S Läbe geit wiiter, s muess immer wiitergaa und d Uhr blibt nie sta. Sta uf nach jedem Rückschlag, la di nie la gah», singt George – für Hanni und Ernst, seine Eltern.