«Es ist körperlich und psychisch sehr intensiv»

Von Simone Reich

Aaachtung, bitte!» Die Ansage ist klar, alle verstummen. «Kamera läuft!» Wir befinden uns in einer halb offenen Scheune, die vollgestellt ist mit Kamera-Equipment, Traktoren, Bildschirmen, Heuballen und Klappstühlen. Knapp zwei Dutzend Crewmitglieder sind hoch konzentriert. Das Einzige, was man noch hört, sind Julian Koechlin alias Michi Wyss und Sophie Hutter als Sarah Wyss, die sich vor der Scheune angifteln. Und ein paar Fliegen, die nervös ihre Runden drehen.

Das war Anfang April 2022, als auf einem idyllischen Bauernhof nahe Uster im Zürcher Oberland die zweite Staffel der SRF-Erfolgsserie «Neumatt» entstand. Die Geschichte über die Bauernfamilie Wyss, die sich nach dem Suizid des Vaters zusammenraufen muss, um den verschuldeten Hof zu retten, hat im Herbst 2021 das Publikum im Sturm erobert. 

Besonders spannend ist dabei der Spagat, den Michi machen muss. Als Unternehmensberater lebt er in Zürich auf der Überholspur, doch auch das Landwirten hat er im Blut. Am Ende der ersten Staffel entschloss sich Michi dazu, dem Leben in der Stadt den Rücken zu kehren, um die Neumatt auf Vordermann zu bringen.

Nun findet die Geschichte ihre Fortsetzung. Acht Monate sind seit Ende der zweiten Staffel vergangen. Man sieht es: Michi trägt Bart, und Sarahs Locken wuchern wild in alle Richtungen. Die Probleme und Konflikte werden in der zweiten Staffel nicht geringer: Michi lebt zwar wieder glücklich mit seiner Jugendliebe, doch für den Hof fehlt die staatlich bewilligte Betriebszulassung. Der Neumatt droht die Zwangsschliessung.

In einer Drehpause nimmt sich Andrea Štaka, die in den ersten vier Folgen Regie führt, Zeit für ein Gespräch. Es sei die Familiengeschichte gewesen, die sie an «Neumatt» besonders reizte. Darum hat sie sich nach viel beachteten Spielfilmen wie «Mare» und «Das Fräulein» nun erstmals eine Serie vorgenommen. «Es geht hier um eine ganz normale, moderne Familie. Und in jeder Familie gibt es schöne und auch traurige Erlebnisse, Geheimnisse, Liebe, Wut.» 

In der zweiten Staffel müssten sich die Kinder der Familie Wyss neu finden bzw. erfinden. Štaka: «Normalerweise fliegen die Kinder aus, um sich zu entfalten. Hier werden sie auf dem Hof vereint und müssen sich neu definieren, weil die Situation sie dazu zwingt: Vater Kurt ist tot, Mutter Katharina verwirklicht sich in der Stadt.» 

«Neumatt», die SRF 1 als Eventserie ab 5. Februar innerhalb von nur fünf Tagen zeigt, macht auch weiter Lust auf mehr. Das sieht Hauptdarsteller Julian Koechlin genauso. «Allerdings ist so ein Staffeldreh körperlich und psychisch sehr intensiv», meint der 30-Jährige. «Deshalb habe ich auch das Theaterensemble verlassen. Die Option, weiterhin als Gast am Theater zu arbeiten, hielt ich mir aber offen.» Zurzeit probt der Basler am Stadttheater Aachen für die Shakespeare-Komödie «Was ihr wollt», die am 11. März Premiere feiert. «Ausserdem schreibe ich seit einigen Monaten an einem Drehbuch, das diese beiden Welten – Theater und Film – vereint.»

Hat er damit gerechnet, dass «Neumatt» so ein Hit werden würde, sogar im Programm von Netflix zu sehen ist? «Man hofft es natürlich! Aber wenn ich am Drehen bin, denke ich nicht ständig: ‹Hoffentlich wird das ein Erfolg!› Ich versuche einfach immer, mich jeden Tag zu konzentrieren, Spass zu haben und meine Arbeit so gut wie möglich zu machen.» Und wenn dann das ganze Team gut sei, die Idee gut sei und greife und man als Schauspieler auch mitreden dürfe, dann seien das die besten Zutaten für einen möglichen Erfolg.

Wenn es so gut gelaufen ist, geht man bestimmt lockerer an eine zweite Staffel heran, nicht? «Es ist eine Mischung. Ich war nicht so nervös wie vor der ersten Staffel», meint Julian Koechlin. Als eine der führenden Figuren müsse er bei so vielen Handlungssträngen mitdenken, sie durch die Story tragen, weshalb er auf seinem Tablet die ganze Geschichte von Michi einmal runtergeschrieben habe. «Da kann ich dann reinspringen, wenn wir eine Szene drehen, und schauen: Was ist davor passiert? Und was danach? Für die zweite Staffel habe ich es wieder so gemacht. Das sind sehr viele Stunden Vorbereitungszeit, aber das hilft mir extrem bei der Arbeit.»

Seine Zukunft sieht der Schauspieler nicht nur vor der Kamera. Bei der Serie, an der er schreibt, möchte Julian Koechlin gern auch selbst Regie führen. «Diese Arbeit reizt mich mehr und mehr. Trotzdem hänge ich natürlich sehr an der Rolle des Michi Wyss und freue mich, mit ihm und der Neumatt-Family weiterzureisen.»