«Es ist eine grosse Chance für mich»

Comedy, Magie und Poesie vereint der Zürcher in seiner schrulligen Bühnenfigur «Erwin aus der Schweiz». Nun verzaubert er damit die Besucher des Circus Knie.

Von Irene Lustenberger

Ein sonniger Dienstagnachmittag in Rapperswil. Marc Haller (35) bittet in seinen Wohnwagen, der für die kommenden Monate sein Zuhause ist. Denn vom 10. März bis Anfang 2024 tourt er mit dem Circus Knie durch die Schweiz. «Für mich geht ein grosser Traum in Erfüllung», sagt er der GlücksPost, während seine Frau Denise (41) mit Töchterchen Suvi (3) – der Name ist finnisch und bedeutet «Sommer» – puzzelt. Er sei bereits jetzt nervös. «Es ist eine grosse Chance, mein Können vor einem grösseren -Publikum zeigen zu dürfen. Mich freut auch, dass meine Familie mich ab und zu begleiten wird und Suvi das miterleben darf.»

Um sich ein Bild davon machen zu können, was ihn erwartet, holte er sich Tipps von ehemaligen Gastkünstlern: «Das Wichtigste ist, sich nicht auf Experimente einzulassen, sondern die Nummern aufzuführen, die funktionieren», erklärt Marc Haller, der mit seiner Familie in Affoltern am Albis ZH wohnt. Deshalb erachtet er es als Vorteil, dass das Publikum ihn und seine Nummern noch nicht so gut kennt. Bei den Vorbereitungen und Proben für die Tournee wird er von Roli Noirjean unterstützt, einem sehr erfahrenen Clown.

Ganz unbekannt ist «Erwin aus der Schweiz» aber nicht, trat er doch 2022 in der «grossen Silvester Show» auf und schnupperte 2021 bei «Salto Natale» Manegen-Luft. Ausserdem erreichte er in der ORF-Show «Die grosse Comedy-Chance» das Finale und schaffte es bei «Die grössten Schweizer -Talente» unter die Top 3.

Was mag Marc Haller am Circus? «Alles», sagt er und lacht.  «Mich faszinieren Clowns, das Non-Verbale wie Dimitri.» Das habe sein Interesse am Theater und an der Zauberei geweckt. «Was mir am Circus ebenfalls gefällt, ist, dass man im Team unterwegs ist und dass ich vor einem so grossen Publikum spielen darf.» Zudem stelle er es sich total idyllisch vor, in einem Wohnwagen durch die Schweiz zu touren und die Städte kennenlernen zu dürfen. Das Leben im Wohnwagen ist ihm nicht fremd, reiste das Paar doch mal mit dem Camper durch Kanada. «Mir gefällt das sehr. Ich brauche nicht viel Materielles. Das Wichtigste ist die Kaffeemaschine, ohne die geht nichts.»

Sein Künstlername ist übrigens einem Zufall zu verdanken. Haller lebte ein paar Jahre in Wien und hat dort Schauspiel studiert. «Dort habe ich festgestellt, dass die Leute lachen, wenn ich mit Schweizer -Akzent Hochdeutsch spreche», erinnert er sich. Und da Erwin ein typischer Schweizer Name sei, habe er sich für «Erwin aus der Schweiz» entschieden. Seinen ersten Auftritt hatte er am Burgtheater in Wien vor 1000 Leuten. «Ich war unglaublich nervös, meine Zaubereien kamen aber überraschenderweise sehr gut an», erzählt er. «Ich bin vor jedem Auftritt nervös, bringe das leider nicht weg.» Früher habe er sogar vor jeder Vorstellung erbrechen müssen. Seine Frau, die in einer Konzert-Agentur arbeitet, bestätigt das: «Ich habe noch nie jemanden erlebt, der so nervös ist wie Marc.»

Fürs Fotoshooting steigt Marc Haller aufs Dach des Wohnwagens und klettert auf die Masten des Zeltes. Als Helikopter-Pilot liebt er zudem das Fliegen. Wird das Circus-Publikum Erwin also fliegend erleben? «Etwas in der Luft würde ich schon gerne machen. Akrobatisch kann ich aber gar nichts ausser ein wenig jonglieren», sagt er lachend. Zu viel darf er ohnehin nicht verraten. Bekannt ist aber, dass er mit Maycol Knie jun. (5) den roten Faden zwischen den Darbietungen spinnt. «Mir ist wichtig, Comedy, Magie und Poesie zu vereinen. In den Köpfen der Zuschauenden sollen Bilder entstehen», führt er aus. Sein Alter Ego ist ein etwas verklemmter, schrulliger, aber liebenswürdiger Bünzli. Ist er auch privat so? Denise lacht und sagt: «Es gibt schon Momente, in denen ich sage ‹Das war jetzt typisch Erwin›. Denn meistens vergisst er etwas, wenn er das Haus verlässt, und steht fünf Minuten später wieder da.»

Und wie ist er als Vater? «Ich musste erst in der Rolle des Vaters ankommen und war zu Beginn oft überfordert», gibt er zu und ist froh, dass Denise «den Laden schmeisst». Er beschäftige sich praktisch 24 Stunden mit seinem Job. «Es kann vorkommen, dass ich morgens um 1 Uhr aufstehe, weil ich eine Idee habe. Und mit einem kleinen Kind ist das nicht mehr so einfach.» Jetzt sei Suvi aber in einem guten Alter, und er geniesse das Vatersein sehr. «Marc ist ein sehr herzlicher Papi», schwärmt seine Frau.

Marc gibt auch viel auf die Meinung seiner Frau und zeigt ihr seine neuen Nummern. «Ich gebe meine ehrliche Meinung ab. Was er daraus macht, ist ihm überlassen», sagt sie. Bevor die beiden ein Paar wurden, konnte Denise mit Erwin gar nichts anfangen. Sie kannte Marcs Manager und wurde an einen Auftritt eingeladen. «Und ich mochte weder Comedy noch Zauberei», erinnert sie sich lachend. So konnte Erwin ihre Aufmerksamkeit weder durch seinen Auftritt noch beim anschliessenden Beisammensein gewinnen. Monate später trafen sich die beiden wieder – auf der Dating-App Tinder. «Er war als ‹Marc aus Wien› angemeldet und sieht privat ja anders aus als auf der Bühne», erzählt sie. «Und er schrieb so poetisch und toll, dass ich mich in ihn verliebte.» Dazu passt auch, dass die beiden sich zu ihrer Hochzeit vor zwei Jahren keine Ringe schenkten, sondern Uhren. «Denn wir wollen ganz viel Zeit füreinander haben», sagt Haller, der hofft, dass Denise und Suvi ihn möglichst oft besuchen und mit ihm zusammen den Circus-Traum leben.