«Es gibt auch ein Leben nach dem Bildschirm»

Sie waren fast täglich in unseren TV-Stuben zu Gast. Dann ­verabschiedeten sich die ­Publikumslieblinge wehmütig vom Bildschirm. Was hat das Leben inzwischen mit ihnen gemacht? Wir haben nachgefragt und auch glückliche Post von den unver­gessenen TV-Stars bekommen.

Beatrice Müller (63) 

«Tagesschau»-Moderatorin bei SRF von 1997 bis 2013. Einst der beliebteste Lockenkopf der Nation. 

«Als ich im Frühjahr 2012 an einer Redaktionssitzung den ‹Tagesschau›-Kollegen und -Kolleginnen meinen Rücktritt bekanntgab, herrschte zunächst einmal eisernes Schweigen. Dann kamen viele zu mir und sagten: Wie kann man auch einen solch wunderbaren Job aufgeben? Man kann. Ich arbeitete 30 Jahre für die SRG, für das Radio und das Fernsehen. Und ich wollte einfach in meiner zweiten Lebenshälfte noch etwas Neues anpacken. Ganz nach dem Motto des Autobauers Henry Ford: ‹Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.› Nach meinem Rücktritt erhielt ich aus dem Publikum viele berührende Briefe und E-Mails. Das zeigte mir, dass der Zeitpunkt meines Rücktritts gut gewählt war. Man muss gehen, wenn es am schönsten ist.

Und so gründete ich eine eigene Ein-Frau-Firma. Heute trainiere und begleite ich Führungskräfte aus der Wirtschaft, der Kultur und dem öffentlichen Leben. Ich bin Gastdozentin an der Universität, an Fachhochschulen, engagiere mich in der Weiterbildung und lasse mein Wissen in Kommissions- und Vorstandsarbeit einfliessen. In Zürich habe ich ein kleines Studio mit Kamera etc. aufgebaut. Dort ‹übe› ich mit meinen Kundinnen und Kunden. Das bedeutet, wir schauen uns gemeinsam die Auftritte an und suchen nach Verbesserungen. Die Herausforderung lautet: Wie kann man aus einem langweiligen und überladenen Vortrag eine packende und überzeugende Präsentation machen? Wie kann man in den Medien kompetent und authentisch seine Anliegen rüberbringen.

Natürlich habe ich bei meiner neuen Arbeit von der ‹Tagesschau› profitiert: von meinem Bekanntheitsgrad, aber vor allem auch von meiner täglichen journalistischen Arbeit. Viele Leute glauben immer noch, die Moderatorinnen und Moderatoren würden einzig und allein moderieren und die Texte anderer vorlesen. Doch das Moderieren ist bei der ‹Tagesschau› nur ein kleiner Teil des Jobs. Während meiner SRF-Zeit beim Fernsehen und beim Radio hatte ich unzählig viele Reportagen realisiert, viele Menschen des öffentlichen Lebens in­terviewt und begleitet. Das kommt mir jetzt als Kommunikations- und Medientrainerin zugute. 

Heute kann ich meine Zeit frei einteilen. Ich treffe viele inspirierende und anregende Menschen. Ich habe Arbeit bis über beide Ohren. Neue Welten gehen auf und bereichern mich. Ja, ich fühle mich in meiner Selbständigkeit privilegiert. Mit meinem Mann (auch einem Vollblut-Journalisten, den ich bei der ‹Tagesschau› kennengelernt habe und der nach seiner Pensionierung eine erfolgreiche Internet-Zeitung gegründet hat) reise ich viel, zum Teil weit weg. Das Weltgeschehen ist für mich nach wie vor sehr präsent. Ich lese viel. Die journalistische Neugier, wenn man sie hat, geht nie verloren. Die ‹Tagesschau› schaue ich nicht mehr so oft wie früher, aber doch immer wieder. Sie ist und bleibt die beste Sendung. Und ich bin stolz, dass ich viele Jahre für sie arbeiten durfte. Ich wünsche der SRG, dass sie ihre politisch und publizistisch wichtige Funktion in unserem Land beibehält. Ich hatte beim Fernsehen eine wunderbare Zeit. Doch es gibt auch ein faszinierendes Leben nach dem Fernsehen.

Gabriela Amgarten (62)

Von 1990 bis 2010 war die Innerschweizerin in verschiedenen Funktionen bei SRF tätig. Mit der Moderation der Quiz-Show «Risiko» wurde sie zum absoluten TV-Liebling. 

«Das Leben nach dem Fernsehen war für mich nochmals ein Neuanfang. Beruflich habe ich mich aus- und weitergebildet. Die Selbständigkeit war immer schon ein Wunsch von mir, und ich konnte Fuss fassen mit den Themen Führung und Auftreten. Ich begleite und berate Menschen, die heute im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stehen. Zudem bin ich Dozentin im Bereich Gesprächsführung und Auftrittskompetenz beim Zentrum für Unternehmensführung ZfU und weiteren Institutionen.

An meine Fernsehzeit erinnere ich mich sehr gerne. Mit der Moderation und den Führungsaufgaben durfte ich breit Erfahrungen sammeln, die mir auch heute noch nützen. Zudem durfte ich mit spannenden, kreativen und inspirierenden Menschen zusammenarbeiten. Dafür bin ich dankbar. Ich werde noch heute auf die Sendung ‹Risiko› angesprochen, welche ich in den 90er-Jahren moderieren durfte. Und tatsächlich muss ich noch heute immer wieder vom Glücksrad erzählen, welches live auseinandergebrochen ist und natürlich auch vom berühmten Betrugsfall, welcher damals die Nation und unser ‹Risiko›-Team arg beschäftigte. Das Rampenlicht vermisse ich gar nicht. Ich hatte meinen Platz auf der Bühne. Nun bin ich froh, wenn andere dort stehen.