Eine Kriegerin der Ehrlichkeit

Schonungslos offen: Bei der Komikerin herrscht nicht nur eitel Sonnenschein. Aus den Schattenseiten ihres Lebens macht sie kein Geheimnis, spricht sogar in ihrer Bühnenshow darüber.

Hoppla, da könnte man es direkt mit der Angst zu tun bekommen. Mit fester Hand und selbstbewusstem Blick schwingt Stéphanie Berger (41) ihre Waffe – und lächelt danach zufrieden. «Ich wollte schon immer eine Schwert-Nummer im Programm haben», erzählt sie. «Die Nummer ist eine Hommage an die Männlichkeit.»

Am 3. Oktober feiert «Aufbruch» im Zürcher Bernhard-Theater Premiere (siehe Box). Ein Etappenziel auf dem steinigen Weg, den die Komikerin die letzten Monate gegangen ist. Ihre Show hat sie fast gänzlich alleine auf die Beine gestellt, keine fremden Autoren, kein Regisseur – 100 Prozent Stéphanie Berger. Viel Arbeit bei Zeitmangel, schliesslich ist sie noch alleinerziehendes Mami von Giulien (9). Und bis ein Gag lustig sei, brauche es viel. «Du studierst an jedem Wort herum, feilst an Mimik, Gestik, Tonalität. Ich glaube, ich könnte mir jetzt keinen neuen Satz mehr merken, bin mental total erschöpft – ausgeschöpft eben.»

Während der Kopf langsam voll ist, läuft der Körper auf Hochtouren. Gesunde Ernährung, fast jeden Tag Sport, auf sich achten – das gehöre für sie seit Jahren einfach dazu, sei eine Lebenseinstellung. Und beim Besuch im Crossfit-Studio in Hombrechtikon ZH, wo sie regelmässig trainiert, ist das Ergebnis gut zu sehen – ihre durchtrainierte Figur. «Mein Körper ist mein bester Freund», sagt Stéphanie Berger, «er ist mein Kapital für das Leben, das ich gerne leben möchte. Ich könnte mein Pensum gar nicht erfüllen, wenn ich nicht fit wäre.» Ihre ausgeprägten Muskeln seien ein Begleitprodukt ihres Lebenswandels, für sie aber keineswegs ein Schönheitsideal. «Ich habe einen athletischen Körperbau, etwas Training dazu, dann passiert das», sagt sie und fügt lachend an: «Kei Brüscht, kei Kurvä, so isch äs halt.»

Ehrlichkeit ist elementar für sie – gegenüber anderen und vor allem auch gegenüber sich selbst. «Das macht mein Leben manchmal anstrengend. Ich konfrontiere mich mit allem, verdränge nichts, gehe immer mitten durch. Aber dafür bin ich im Reinen mit mir, es gibt nichts, was ich bereue. Wenn ich morgen sterben müsste, könnte ich total in Frieden gehen.» Sie beobachte viele Menschen, die sich selbst belügen, zum Beispiel in einer Beziehung leben, die sie nicht glücklich macht, oder einen Job ausführen, den sie nur okay finden. «Okay
ist mir nicht genug, ich will das volle Leben und bewege mich, seit ich denken kann, ausserhalb meiner Komfortzone.» Wenn sie zurückschaue, stelle sie fest, dass sie eigentlich immer kämpfen musste – aber stolz ist auf das, was sie sich seit ihrer Wahl zur Miss Schweiz 1995 aufgebaut hat.

Auf der Bühne erzähle sie sehr authentisch aus ihrem Leben als selbstbewusste, alleinstehende Frau und Mutter, verschweige dabei auch den Preis nicht, den sie für ihr selbstbestimmtes Dasein zahle. «Meine Weiblichkeit und eine gewisse Einsamkeit. Das ist etwas, worunter ich leide.» Sie glaube schon, dass ihre Eigenständigkeit und ihre klare Haltung für ihr Beziehungsleben ein Nachteil seien. «Ich kann mir vorstellen, dass ein Mann vielleicht lieber eine Frau möchte, die etwas devoter ist. Ich fordere heraus, bin manchmal vielleicht etwas zu viel.» Es sei ja nicht so, dass es in den letzten Jahren gar keine Männer in ihrem Leben gab, aber am Ende fehlte die Verbindlichkeit. Heute lasse man sich lieber viele Optionen offen – Freundschaft mit gewissen Extras. Nichts für sie. «Wenn ich mich verliebe, gehe ich ‹all in›, viele können das heute nicht mehr. Für mich selbst ist Oberflächlichkeit einfach nicht lebenswert.» Lieber allein, als sich mit einem x-beliebigen Mann begnügen, zumal sie in ein wunderbares Umfeld eingebettet sei. Wobei natürlich auch das keinen Partner ersetze, da müsse man nichts beschönigen.

Die «Sonne ihres Lebens» ist ihr Sohn Giulien. Im Januar wird er zehn, er könne zwar auch mal frech sein, aber vor allem habe er  ein Herz aus Gold. «Er ist das Beste von mir und meinem Ex-Mann, hat eine riesige Sozialkompetenz. Wenn es anderen nicht gut geht, leidet er mit», erzählt sie. Wenn sie wieder einmal nachdenklich sei, spüre er das, frage nach, was sie bewegt. Und sie antwortet ihm kindgerecht, ohne ihm etwas zu verschweigen. Er darf wissen, dass nicht immer alles rosig ist. Genau wie das Publikum ihrer Bühnenshow. «Mir ist wichtig, einfach Mensch zu sein, weg vom Glamour. Denn am Ende haben wir doch alle ähnliche Probleme, und die Essenz, um die es sich dreht, ist immer die gleiche: lieben und geliebt zu werden.»

100 % Stéphanie

Ab 3. Oktober präsentiert Stéphanie Berger ihr neues Programm «Aufbruch». Warum der Titel? Beruflich ist es für sie ein Aufbruch, weil sie es praktisch in Eigenregie auf die Beine stellte. Auf der persönlichen Ebene sei es ein Aufbruch zur Ehrlichkeit. Sie scheut sich nicht, auf der Bühne auch unbequeme und schmerzhafte Wahrheiten aus ihrem Leben anzusprechen. Premiere ist in Zürich, danach spielt die Komikerin u. a. in Basel, Zug, Luzern und Bern. Infos und Tickets: www.stephanie-berger.ch