«Ein Teil meiner Sehnsucht wird gestillt»

Eine etwas düstere Seele habe er – um so mehr freut sich der Radiomoderator, nun in die bunte Zirkuswelt einzutauchen. Vom Nomaden-Dasein träumt er seit jeher, will es nach der Pensionierung auch leben.

Das gelbrote Zelt des Circus Monti steht schon, eingebettet in eine kleine Stadt aus nostalgischen Wohnwagen: Auf dem Merkur-Areal in Wohlen AG weht Zirkuswind – und Ralph Wicki (61) wird sofort davon erfasst. «Das geht direkt unter die Haut», flüstert er, während er den Artistinnen und Artisten lauscht, die im Kreis ein Lied proben. «Am liebsten wäre ich mittendrin!»

Da würde er stören, aber Mario Muntwyler (26) – Artist und Sohn von Chef Johannes – lässt ihn dafür mit ein paar Bällen jonglieren. Sie fliegen mal hierhin, mal dorthin. «Wahrscheinlich muss ich mich noch 100-mal bücken, bis ich das kann», sagt der Radio-Moderator und scherzt: «Aber am Ende mache ich noch einen doppelten geschraubten Rückwärtssalto dazu.»

Wer weiss, wer weiss! Heute ist Wicki zwar nur für einen kurzen Besuch da, ab der Premiere am 5. August wird er aber zwei Wochen hier verbringen. Beruflich: Er schaut hinter die Kulissen des Monti, berichtet drei- bis viermal täglich auf Radio SRF 1 darüber – etwa im «Treffpunkt» (10 Uhr) oder dem «Zirkustalk» (19 Uhr). «Ich freue mich wirklich wahnsinnig, in diese andere Welt einzutauchen!»

Zirkus – da werden Kindheitserinnerungen bei ihm wach. «Ich war ein riesiger Fan! Wenn ich zurückdenke, dann rieche ich in erster Linie Sägemehl und natürlich Tierdung. Ich sehe ihn richtig vor mir, frisch und dampfend.» Ralph Wicki ist in Luzern aufgewachsen, und wenn einmal im Jahr der Circus Knie dort sein Zelt aufschlug, war das für ihn das Grösste. «Von einem Tag auf den anderen entstand auf der Allmend ein Paralleluniversum. Als ich etwas grösser war, gab es zwei Anlässe, bei denen ich nachts dabei sein durfte: Wenn Mohammed Alis Boxkämpfe im Fernsehen liefen und wenn der Knie mit seinen Tieren durch die Stadt auf die Allmend zog.»

Tiere und Sägemehl gibt’s im Monti zwar nicht, aber viele an-dere Aspekte des Zirkuslebens, die  ihn interessieren: Wie findet man die Artisten für die Saison? Wie gestaltet sich das Zusammenleben von diesen Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen und Kulturen? Auch dem Thema Lachen widmet sich Ralph Wicki, spricht in Basel etwa mit Lach-Coach Niccel Steinberger, Ehefrau von Emil, darüber. «Philosoph Immanuel Kant meinte ja, dass drei Dinge die Mühseligkeiten des Lebens ertragbar machen: hoffen, genug Schlaf und das Lachen. So gesehen hat Lachen wahrscheinlich wirklich etwas Tröstendes.»

Er selbst sei nicht gerade «aufs Lachen programmiert», eher mit Galgenhumor ausgestattet, vielleicht komme das ja von seiner dunklen Seele. Wie bitte? Wenn er in die Welt hinausschaue, erklärt er, fände er es momentan schon schwierig, nicht düster zu sein. Es sei doch enttäuschend, dass bei all der Intelligenz, die eigentlich vorhanden sein sollte, so viel Dummes passiert. Umso spannender findet er es, sich mit dem Fröhlichsein auseinanderzusetzen. «Ich bin offen und sehr bereit, Neues zu lernen!»

Neu für ihn ist natürlich auch das Leben im Zirkus-Wohnwagen. Er teilt sich mit seinem Produzenten den legendären Wagen Nr. 19, der einst Zirkusgründer Guido Monti und seiner Frau gehörte. «Eine Ehre!» Hat er keine Angst, dass ihm etwas fehlen könnte? «Oh nei nei nei», ruft er aus. «Mir werden dann wahrscheinlich all die Wochen fehlen, in denen ich nicht dabei bin.» Der Moderator, der vergeben ist und in Zürich und Bern wohnt, ist weit gereist. Im Herzen sei er ein Nomade: unterwegs sein, von einem Ort zum anderen ziehen – das entspreche ihm. Nach der Pensionierung will er sich deshalb in der Schweiz erst mal abmelden und Südostasien bereisen. «Seit ich zwölf Jahre alt bin, träume ich einerseits vom Leben auf einer einsamen Insel – obwohl ich gerne unter Leuten bin, und andererseits eben vom Nomadenleben. Von daher stillt diese Sommerserie einen kleinen Teil meiner Sehnsucht.»