Viviane Kuhn (†)
Ein schwieriges Leben mit einem dramatischen Ende
Der einsame Tod einer einsamen Frau: Die herzzerreissende Geschichte von Köbi Kuhns Tochter – erzählt von ihrem engsten Freund, der immer noch um seine «kleine Schwester» trauert.
Ihre letzten Stunden waren traurig und einsam, voller körperlicher Qualen. Viviane Kuhn († 47) starb mutterseelenallein in ihrer Wohnung in Zürich-Wiedikon. Niemand war da, der ihre Hand hielt, sie tröstete, versuchte, Hilfe zu holen.
Am 14. Mai fand man die Tochter von Ex- Nati-Trainer Köbi Kuhn (74) leblos in ihrem Zuhause. Was für ein Schock für den Fussballstar! Vier Jahre, nachdem er seine Frau Alice († 2014) begraben musste, trauert er nun um sein einziges Kind.
Christian Maurer kennt die Geschichte um Vivianes Tod genau. Er hat sie hautnah erlebt, noch immer stecken ihm die Ereignisse in den Knochen. Der Zürcher war in den letzten Jahren der beste Freund von Vivi, wie sie ihr Bekanntenkreis nannte. «Ich war in der Woche, bevor sie starb, bei ihr. Sie hatte eine Wunde, die ganz schlimm aussah, und ich zwang sie, ins Spital zu gehen deswegen.»
Das tat Vivi – allerdings ungern. «Ihre tägliche Ration Alkohol gehörte zu ihrem Leben, und sie fürchtete, im Spital nichts zu trinken zu bekommen», sagt Maurer. Die Ärzte stimmten zu, die Zürcherin früher als geplant zu entlassen – unter der Bedingung, dass sie sich von der Spitex weiter pflegen lasse. «Am ersten Tag, als sie wieder zu Hause war – es war der 11. Mai – kam die Spitex frühmorgens, doch Vivi öffnete ihnen die Tür nicht. Vor 14 Uhr musste man nichts von ihr wollen. Sie war ein Nachtmensch und schlief entsprechend lang.»
Nach der Rückkehr aus dem Spital erzählte Vivi ihrem Freund Christian, was der schon lange wusste: «Ihre Leberwerte waren beängstigend. Jeder weitere Schluck Alkohol hätte den Tod bedeuten können.» In den folgenden drei Tagen versuchte Christian Maurer seine «kleine Schwester», wie er sie bezeichnet, unzählige Male erneut zu erreichen – vergebens.
Als er am Montag immer noch keinen Kontakt herstellen konnte, sorgte er dafür, dass Vivis Vater informiert wurde – mit dem bekannten, traurigen Ausgang.
«So, wie ich Vivi kannte, hat sie trotz der Warnung der Ärzte nicht aufgehört zu trinken. Irgendwann machten ihre Organe einfach nicht mehr mit. Ich erwartete seit Jahren, dass man mir die Botschaft überbringt, Vivi sei von uns gegangen. Es war einfach ganz klar. Sie lief sehenden Auges auf den Abgrund zu.»
Viviane Kuhn hatte ihr ganzes Leben Mühe, ihren Alltag zu regeln. «Erstmals kennengelernt habe ich sie, als sie 17 Jahre alt war», erinnert sich Christian Maurer. «Da verkehrte sie in Drogenkreisen. Deshalb vermied ich näheren Kontakt. Jahre später trafen wir uns in Wiedikon wieder. Ich merkte: Sie braucht jemanden, der zu ihr schaut. Unsere Freundschaft wurde enger. In der Zwischenzeit hatte sie die Stärke gefunden, sich von ihren Drogen-Freunden loszureissen.»
Einer richtigen Arbeit sei Vivi nie nachgegangen. «Eine Zeitlang kümmerte sie sich um die administrativen Belange ihres Vaters, da sie ja eine kaufmännische Ausbildung hatte. Doch sie lebte schon lange von einer Invalidenrente.»
Christians Augen glänzen, Tränen steigen auf. «Sie war so eine liebenswerte, herzensgute Frau. Und unglaublich grosszügig. Wenn wir zusammen ausgingen, bezahlte sie immer. Wir waren beide ziemlich einsam, fanden Halt beim anderen. Sie konnte mich jederzeit anrufen, und ich ging zu ihr.
Sie hatte starke Depressionen. Der Kontakt zu ihrem Vater war in den letzten Jahren immer weniger geworden.» Freunde hatte Vivi nur wenige. «Und wenn, dann waren das komische Figuren, die sie ausnutzten.»
Das Begräbnis fand am Mittwoch, 23. Mai, im engsten Familienkreis statt. Vivi ist im Familiengrab der Kuhns auf dem Friedhof Sihlfeld in Zürich beigesetzt worden. «Für uns Freunde gab es eine zweite Trauerfeier am folgenden Samstag. Es war eine absurde Veranstaltung. Nicht nur, dass wir Vivi ein letztes Mal auf Wiedersehen sagen mussten: Die Hälfte der sechs Personen, die kamen, waren zugedröhnt, konnten kaum gerade in den Bänken sitzen. Grauenvoll. Und beschämend.»
Christian Maurer hatte Vivis Freunde dazu aufgefordert, in den Farben des ZSC zu kommen – dem Fussballclub ihres Vaters. «Doch die Pfarrerin, die die Leute eingeladen hatte, sagte, man solle Schwarz tragen. Dabei weiss ich, dass Vivi das nie gewollt hätte. Sie hätte sich ein fröhliches Abschiedsfest gewünscht.»
Christian Maurer wird sich auch künftig um Viviane kümmern – wie zu Lebzeiten – und ihr Grab pflegen. «Das habe ich schon bei ihrer Mutter getan. Vivi brachte es ja lange nicht über sich, deren Grab zu besuchen. Ich begleitete sie dann. Zusammen haben wir dafür gesorgt, dass die letzte Ruhestätte ihrer Mutter immer schön aussieht. Das werde ich nun weiterhin tun. Für Vivi.»
Köbi Kuhn wollte auf Anfrage der GlücksPost keinen Kommentar zu seiner Tochter und ihrem Ableben geben. Die Todesanzeige lässt allerdings viel Spielraum für Interpretationen offen. Sowohl das Zitat von Rainer Maria Rilke «(…) denkt an die Stunde, in der ihr mich am liebsten hattet», als auch der von der Trauerfamilie formulierte Satz: «Wir erinnern (…) uns an die schönen Augenblicke, wo du uns unbeschwert und voller Lebensmut begegnet bist.»
Lebensmut und Unbeschwertheit schien Viviane schon vor langer Zeit verloren zu haben.