Ein Leben zwischen zwei Kulturen

Sie gehört zu den vielversprechendsten Talenten der Schweizer Musikszene. Doch lange spielte die Musik im Leben der St. Gallerin nur die zweite Geige.

Von Remo Bernet

Daheim in der Schweiz ist Priya Ragu (37) noch ein Geheimtipp, in Grossbritannien hingegen läuft ihre Musik im Radio längst hoch und runter. Deshalb pendelt sie aktuell auch zwischen Zürich und London. «Dort gibt es für mich einfach mehr Möglichkeiten», erzählt sie über die englische Hauptstadt. 

Sich für die Musik zu entscheiden, kostete Ragu viel Überwindung: Zehn Jahre lang arbeitete sie im Büro bei der Swiss und verfolgte ihre Leidenschaft für die Musik in ihrer Freizeit. «Das ist wohl das Schweizerische in mir, dass ich ein sicheres Einkommen wollte.» Erst vor drei Jahren entschied sich die Ostschweizerin, ihren Job zu kündigen, als sie das Bedürfnis nach mehr Raum für Kreativität verspürte. Obwohl sie lange Zeit Zweifel hatte, musste Ragu nicht lange auf ihren Erfolg warten: Bereits ihr erster Song wurde von Radiosendern aufgegriffen.

Ihre Eltern flüchteten in den 80er-Jahren vom Bürgerkrieg in Sri Lanka in die Schweiz und bauten sich ein neues Leben im Kanton St. Gallen auf. Ragu erinnert sich an ihre Kindheit: «In den eigenen vier Wänden war das Leben tamilisch geprägt – die Sprache, das Essen und alles Weitere. Als Kind habe ich mich mit der tami­lischen Kultur nicht wirklich verbunden gefühlt.» Die Schweizer Einflüsse hätten ihr damals viel mehr gefallen. «In der Pause wollte ich viel lieber Rüebli und Zwieback essen als etwas aus meiner Heimat.» Mit zunehmendem Alter konnte sich Priya Ragu jedoch immer mehr mit ihren tamilischen Wurzeln identifizieren.