Ein Gläschen auf Hildegard

Von seinem «Muetti» bis zu Hildegard Knef: Der Sänger spricht in einem Bistro in Zürich über seine Verbindung zur französischen Kultur und sein neues Album. Dabei erinnert sich der 53-Jährige an prägende Frauen in seinem Leben.

Von Aurelia Robles

Serge Gainsbourg, Edith Piaf oder Jean-Paul Belmondo – Michael von der Heide sitzt im «Franzos» in hochkarätiger Gesellschaft. Die Bilder­galerie im Bistro am Zürcher Limmatquai erinnert an grosse französische Künstlerinnen und Künstler. Von der Heide kommt gelegentlich ins Café, unter anderem weil sein Partner, Designer Willi Spiess (59), sein Geschäft auf der gegenüberliegenden Seite der Limmat hat. «Meist trinke ich dann ­einen Apéro», erzählt der Sänger bei einem Gläschen Kir Royal. «Ich esse nicht mehr so viel auswärts. Da ich sehr oft unterwegs bin, esse ich gerne daheim.»

Der frankophonen Kultur ist der gebürtige St. Galler schon lange zugetan. Mit 16 verbrachte er eine längere Zeit in Nyon VD. Dort weilte er als Au-pair, da er noch zu jung für die Ausbildung zur Höheren ­Pflegefachperson war. Zu dieser Zeit hatte Michael von der Heide bereits eine Affinität für französische Popmusik. «Es war die Zeit, in der Prinzessin Stéphanie in der ­Hitparade war, France Gall ihren Hit ‹Ella, elle l’a› hatte und Desireless ‹Voyage, voyage› sang. Deshalb ging ich ins Welschland.» Als Künstler hat er mittlerweile selbst zahlreiche Lieder auf Französisch veröffentlicht, insbesondere «Jeudi Amour» aus dem Jahr 1998 wird noch heute am Radio gespielt. Privat verbringt er gerne die ­Ferien an der Mittelmeerküste des Nachbarlandes, so auch diesen Sommer. 

Ins Bistro hat Michael von der Heide aber Lektüre über eine deutsche Künstlerin mitgebracht: Hildegard Knef (1925–2002). Dieses Jahr wäre die Chansonsängerin 100 Jahre alt geworden, weshalb er ihr zu Ehren soeben das Album «Michael von der Heide singt Knef» herausgebracht hat. «Sie war eine moderne Frau und in vielem eine Vorreiterin. Sie war gescheit und mutig, sprach über Dinge, die damals tabu waren.» Seine Faszination für Knef begann als Kind, als er sie im Fernsehen erblickte. «Sie war damals eine der wenigen älteren Frauen, die am Bildschirm zu sehen ­waren», ­erinnert er sich. Eines der 13 Lieder – drei sind auf Französisch – ist «Die Welt ging unter am Zürichsee bei 30 Grad im Schatten». Heute sind es bloss zwei Grad weniger. «Für mich könnte es immer so bleiben», findet der Chansonnier. Ein anderes Lied heisst «In dieser Stadt». Meinte Hildegard Knef spürbar Berlin, trifft bei von der Heide, der im Dorf Amden SG aufgewachsen ist, das Lied auf Zürich zu.

Inspirierende Figuren

Frauen haben Michael von der Heide schon seit jeher musikalisch, aber auch privat mehr inspiriert als Männer. «Knef sagte einst, dass sie keine beste Freundin habe, sondern dass sie mehr von Männern beeinflusst sei», sagt er. «Bei mir ist es das Gegenteil. Ich habe viel mehr Frauenfreundschaften und hatte auch lange einen besseren Draht zu Frauen. Als Erstes war in meinem Leben natürlich ‹s’Muetti› die grosse Figur.» So habe Mutter Ruth (86) ihm die soziale Ader und ihre Sicht auf Menschen mitgegeben sowie das Interesse an der Natürlichkeit. An Mode und Dorfgesprächen hat sie im Gegensatz zu ihrem Sohn weniger Interesse. Dafür gab es früher die Nachbarin und Förstergattin Silvia. «Mit ihr konnte ich, wie man heute sagt, ‹socializen› und über den neusten Klatsch sprechen. Sie nannte sich Freundin des Waldes, die Bedeutung von Silvia, und war eine sehr lustvolle Gastgeberin, stets mit perfekt gedecktem Tisch.»

Dann folgte sein erstes und grosses Idol Paola Felix (74). «Ich sah sie als Neun­jähriger am Fernsehen mit ‹Cinema›. Von da an wollte ich auch an den Concours ­Eurovision de la Chanson.» Dieser Traum ging tatsächlich in Erfüllung: 2010 nahm er mit «Il pleut de l’or» am Eurovision Song Contest teil. Ein anderer Traum, Paola auch zu heiraten, platzte. «Kurt Felix war schneller», sagt Michael von der Heide ­lachend. Im Gegensatz zu Hildegard Knef, die dreimal verheiratet war, kommen er und Partner Willi Spiess seit bald 32 Jahren ohne Trauschein aus. «Lange durften wir nicht heiraten, und heute werden in gewissen Ländern unsere Rechte gar wieder rückgängig gemacht. Deshalb fangen wir gar nicht erst an! Wir fühlen uns auch so verbunden und wie verheiratet.»

Eine weitere Frau, die ihn als Mentorin stärkte, war Ginette Girardier. Während ­seines Welschlandjahres nahm er bei der Opernsängerin Gesangsunterricht. «Sie war ganz streng, aber brachte mir viel bei und gab mir viel Selbstbewusstsein. Heute rührt es mich, dass sie so viel Geduld mit mir hatte.» Und während seiner Ausbildung fand er in Daniela, Maria-Grazia und Rahel Freundinnen fürs Leben, gemeinsam sind sie das «Krankenschwestern-Trüppli». «Wir fanden uns damals super und finden das heute noch. Die drei haben meinen Werdegang miterlebt und mich vorbehaltlos unterstützt.» Zwar sind alle vier nicht mehr auf dem Beruf tätig, aber im sozialen Bereich geblieben. Auch der Sänger macht gelegentlich Nachtschichten in einem ­Alters- und Pflegeheim.

Es gäbe noch weitere Frauen wie Vera Kaa (65) zu erwähnen, doch nun lockt die Speisekarte zu einem Dessert. «Die Tarte Tatin wird gestürzt zubereitet und dann umgekehrt», erzählt er. Ein Rezept, das er öfter isst – aber nicht im «Franzos», sondern daheim in Rümlang ZH, von ihm selbst gebacken.