Kurt Aeschbacher
«Diese Angst begleitet mich»
Ende Jahr ist endgültig Schluss – nicht ganz freiwillig. Was macht der beliebte Talkmaster, wenn er seine letzte Sendung moderiert hat? «Längwylig wird’s nid», verrät Aeschbi und spricht auch über seine Ängste.
«Wunderbare Ferien» hat er in seinem Haus in Südfrankreich verbracht, war danach, wie immer seit 35 Jahren, eine Woche in Salzburg, wo er täglich eine Oper hörte. «Die ‹Salome› war grossartig, umwerfend, atemberaubend.»
Kurt Aeschbacher (69) ist fröhlich, posiert lächelnd und kokettiert mit der Kamera in seinem schönen Garten. Doch das Idyll ist bedroht: Stangen ennet dem Zaun zeugen von Bauten, die ihm und den anderen Hausbewohnern im Zürcher Enge-Quartier die Weitsicht stehlen werden.
«Das ist doch der Gipfel!» lautete das Motto der ersten Sendung nach der Sommerpause. Ein Hinweis auf die eigene Befindlichkeit? Er schüttelt den Kopf. Grund zum Ausrufen hätte der Talkmaster schon: Eigentlich sollte «Aeschbacher» ja erst im Sommer 2019 auslaufen, nun wird es bereits Ende Jahr abgesetzt. «So hatten wir das miteinander vereinbart», sagt er, lässt Blicke sprechen, «keine Ahnung, warum das nun ein halbes Jahr früher passiert.»
Der Entscheid wurde ihm am Telefon mitgeteilt. Er präzisiert: «Dem Anruf ging ein SMS voraus.» Stil ist anders. Und was tat er unmittelbar nach dem Gespräch? «Ich habe mein Team informiert.» Ihm tue es primär leid um diese Menschen, die sich mit Leib und Seele engagierten. «Es ist, wie’s ist, und macht keinen Sinn, sich darüber lange Gedanken zu machen, viele Gefühle zu verschwenden. Klar, hätte ich mir das ein bisschen anders vorgestellt, aber das ist zu akzeptieren. Fertig.» Man finde seinen Seelenfrieden nur, wenn man Tatsachen akzeptiere, nach vorne schaue. «Alles andere ist schlechte Energie.»
Aeschbi ist keiner, der die Hände in den Schoss legt, will künftig mehr Zeit für sein medizinisches Therapiezentrum aufwenden und für die Zeitschrift «50plus». Er ist auch Präsident einer Stiftung, die sich für Tierschutz einsetzt, Unicef-Botschafter, Verwaltungsrat einer Privatschule. «Längwylig wird’s nid», kommentiert er die Liste seiner Engagements.
«Und dann», kommt er der Frage nach dem 70. Geburtstag im Oktober zuvor, «mache ich ja noch eine Ausstellung. Ein Geschenk an mich.» Aeschbacher sammelt Kunst, seit er 16 ist – da kam einiges zusammen. «Das wird spannend», freut er sich, «und teuer, ich finanziere diese Ausstellung ja selber. Aber am Ende kann man ja nichts mitnehmen.» Die Miete für ein Museum wäre zu teuer, also zeige er die Werke in einem Gewerbebau aus den 80ern. «Eine Schule ist da drin», er kichert, «sowie eine Yoga- und Judoschule für Musliminnen.» Er kichert wirklich.
«Diese Ausstellung ist zum einen schön für mich und zudem ein Stück Eitelkeit; ich möchte zeigen, was ich in 50 Jahren zusammengetragen habe. Es ist aber auch eine Art von Hosenrunterlassen, denn es gibt viele Sachen, bei denen die Leute wohl denken: Was soll das denn?» Er habe eben fast nur Kunstwerke gekauft, die er nicht verstehe. Das Spannende daran sei, dass er im besten Fall irgendwann herausfinde, was dahinterstecke.
«Das ist eine andere Auffassung von Kunst, als wenn man sie als Dekoration betrachtet, die farblich mit dem Sofa harmoniert.» Nun philosophiert er über Phasen im Leben, in denen man anhäuft, und solche, in denen man loslässt.
Apropos loslassen: SRF spart ja nicht nur an ihm, sondern auch sonst – insgesamt 100 Millionen. «Unternehmerisch ist es sicher notwendig, innere Strukturen bei neuen äusseren Bedingungen zu hinterfragen.» Dabei dürfe man aber seine Visionen nicht vergessen. «Verfügt SRF über genügend Leute mit Ideen für Neues, die nahe beim Publikum sind?» Denn diese Verpflichtung habe man als Massenmedium gegenüber der Gebühren zahlenden Bevölkerung.
«Man wandert jetzt ja primär», sagt er und blickt durch den Hortensienstrauss auf dem Tisch. «Alle wandern.» Das war ja auch eine tolle Geschichte, Nik Hartmann habe das auf hervorragende Weise geprägt. «Aber warum wandern jetzt alle?» Wen er meint: «Schweiz aktuell», «Sternstunde», «Querfeldeins» (Radio SRF 1).
Fernsehen lebt doch von Köpfen, oder? Aeschbacher nickt. «Ja, aber da muss man auch genug Freiraum lassen und den Mut haben, Persönlichkeiten ein Umfeld zu geben, in dem sie sich entwickeln können.»
Dafür sei man im Entlassen relativ aktiv gewesen. Auf den Einwand, Urs Gredig, Steffi Buchli, Matthias Hüppi und Roman Kilchsperger seien freiwillig gegangen, sagt er nur «ou es Zeiche» – und zündet sich eine Zigarette an.
Im Zuge des Sparprogramms stellt SRF unter anderem Monika Fasnachts «Tiergeschichten» ein, setzt generell weniger auf Gesellschaftliches. «Das Einstampfen von Unterhaltungssendungen und im Gegenzug die Stärkung von Information und Politmagazinen ist eine Reverenz, die man der Politik erweist, um die Zukunft zu sichern», analysiert er. Was er nicht möchte – nun wird er energisch: den Eindruck vermitteln, er wisse alles besser, denn das tue er nicht. Er wolle auch nicht lamentieren oder abrechnen. «Ich bin nicht im Ego verletzt. Ich hätte es mir nur etwas anders vorgestellt. Und ich mache mir Sorgen um mein Team.»
Ob man gelesen habe, was er neulich in der «Weltwoche» schrieb? «Das gibt ein gutes Gschpüri für meine Befindlichkeit und dafür, was mich stets motivierte.» Dass er extrem hohe Ansprüche an sich hatte und habe, die ihn fordern und zugleich ängstigen. «Weil ich fürchte, nicht zu genügen. Diese Angst begleitet mich schon das ganze Leben.» Dabei sei das Hadern mit den eigenen Fähigkeiten ja zugleich ein Ansporn, Ausserordentliches zu leisten. «Das war mir ein Anliegen und wird es auch bleiben.» So überfordere ihn aktuell seine Ausstellung völlig. «Trotzdem will ich es – und ich will es perfekt!»
Kurt Aeschbacher setzt sich immer wieder Ziele, die «e bitz über em Limit» liegen. Ein weiteres Beispiel: «Der Garten in Südfrankreich bedeutet mir extrem viel. Doch nun hat mir der verdammte Buchsbaumzünsler die Arbeit von 25 Jahren zerstört.» Sein Ziel sei, noch in diesem Jahr etwas völlig Neues zu realisieren, mit Pflanzen, denen Käfer nichts anhaben können. Und schon sind wir «Hinter den Hecken», wo er kurzfristig für Katharina Locher einsprang (Ausstrahlung 2019). «Das hat grossen Spass gemacht!» Übrigens habe er vor Jahren schon zig Konzepte für solche Projekte eingereicht …
Was nimmt er mit, wenn er Ende 2018 letztmals «Aeschbacher» moderiert? «Dankbarkeit für das, was war. Ich habe so viel gelernt, so viel profitiert von Erkenntnissen nach Gesprächen mit meist ganz einfachen Menschen.» Menschen, die unvorstellbare Dinge bewältigt hätten. «Grosse Geschenke sind das.»