«Die Welt ist eine andere»

Um Krieg und Frieden dreht sich die «Club»- Sommerserie in diesem Jahr. Und sie liegt der Moderatorin am Herzen – zumal sie die Schrecken des Krieges selbst schon hautnah miterlebte.

Der geplante Waldspaziergang am Zürcher Stadtrand fällt buchstäblich ins Wasser. Und so rennt Barbara Lüthi (48) fürs Fotoshooting durch strömenden Regen – und findet’s amüsant. «Das ist doch mal was anderes.» Sich über Nichtigkeiten aufzuregen, ist nicht ihr Ding. Sicher auch deshalb, weil die «Club»-Moderatorin beruflich oft mit Schwerwiegenderem zu tun hat. So auch ab 19. Juli in der Sommerserie der Talk-Sendung über «Krieg und Frieden».

Ob darüber in den letzten Monaten nicht schon genug berichtet wurde? Auf keinen Fall, findet Barbara Lüthi. «Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine ist eine Zäsur. Eine Zeitenwende in der internationalen Politik. Die Welt ist eine andere. Für uns war das Thema gesetzt.»

Ein Krieg werfe grosse Fragen auf, und einige davon wird die Journalistin in vier Sendungen stellen. «Wie erreicht man den Frieden?», will sie zum Auftakt von Gästen wie Friedensaktivistin Lea Suter oder Pälvi Pulli, Leiterin Sicherheitspolitik VBS, wissen. Der Westen unterstützt die Ukraine mit Waffenlieferungen. Können Waffen Frieden bringen? Pulli ist überzeugt: «Sie stärken die Verhandlungsposition der Ukraine.»

In der Folgewoche wird das Thema Geflüchtete vertieft: Wer ist willkommen? In der dritten Ausgabe erzählen Kriegsreporterinnen und Fotografen von den Schwierigkeiten ihrer Arbeit. Und zum Abschluss werden die Spuren des Krieges beleuchtet. Wie wahrt man ein Minimum an Menschlichkeit inmitten des Grauens? IKRK-Präsident Peter Maurer bezeichnet die Situation vor Ort als Albtraum. Und erzählt, wie schwierig es für seine Mitarbeitenden ist, humanitäre Fluchtkorridore zu verhandeln.

Als Diskussionsleiterin hält Barbara Lüthi im «Club» die Fäden in der Hand. Wird sie auch selbst mitdiskutieren, wie letztes Jahr bei der Corona-Sommerserie?  «Nein», sagt sie. «Aber einbringen kann ich mich natürlich schon.» Sie freue sich speziell auf die dritte Sendung: Wie berichtet man aus dem Krieg? «Ich werde mit meinen Gästen unter anderem darüber sprechen, wie sie mit ihrer Verantwortung umgehen. Denn Fakt ist: Reporterinnen und Fotografen prägen unsere Wahrnehmung des Krieges.»

Dinge, mit denen sich Lüthi selbst schon befassen musste. Als ehemalige Südostasien-Korrespondentin war sie mehrfach in Kriegs- und Katastrophengebieten im Einsatz. Letztmals 2017, als Islamisten die philippinische Stadt Marawi erstürmten und mehr als 300 000 Menschen flohen. «Die Luftwaffe fing an, die Stadt zu bombardieren, um den IS zu vertreiben. In der Innenstadt sah es aus wie in Teilen Syriens», erzählt sie. «Es war gefährlich, ein Häuserkampf, die Snipers waren überall versteckt, die Frontlinie verschob sich täglich.»

Angst, sagt sie, sei damals nicht das primäre Gefühl gewesen. Eher grosser Respekt. Man sei während solcher Einsätze ständig auf der Hut, arbeite sehr instinktiv. Man erkenne, welche Waffen welche Geräusche machen, versuche anhand des Lärms die Distanz einzuschätzen. «Manchmal ist es einfach Glück. Einmal wurde unser Auto beschossen, da steht einem schon das Herz still.» Im Gegensatz zu den Leuten dort, betont sie, hätten sie im Team Helme und Schutzwesten gehabt. Man habe auch eine Verantwortung für die lokalen Mitarbeiter, ohne diese sei die Arbeit unmöglich.

Erstaunlich: Trotz allem sei das Weggehen aus solchen Gebieten für sie mental schwieriger gewesen als das Arbeiten dort. «Man steigt ins Flugzeug und fliegt zurück in eine heile Welt. So schön es ist, diese Möglichkeit zu haben, hatte ich ein schlechtes Gewissen, die Menschen zurückzulassen.» Marawi sei schnell aus den Schlagzeilen verschwunden, ein Mahnmal für einen vergessenen Krieg. «Dafür fühlte ich mich mitschuldig. Es war mein Gebiet als Korrespondentin, und ich dachte mir: ‹Du hast nicht genug erzählt, nicht genug gekämpft für deine Geschichten, nicht genug Stimmen zu Wort kommen lassen.› Es ist schwierig zu verstehen, wenn die Öffentlichkeit kein Interesse mehr hat an dem Leid der Menschen, das man vor Ort erlebt.»

Die eigenen Erfahrungen hätten sie geprägt – es lehre einen Demut dem eigenen Leben gegenüber, zu schätzen, was man hat. All das Leid, die Toten, die sie gesehen hat, speziell auch in Katastrophengebieten: Das sind Dinge, über die Barbara Lüthi nicht allzu häufig erzählt. Oft sei man damit auch einfach eine Zumutung für andere Menschen. «Aber eben: Es geht nicht um uns, es geht um die Menschen vor Ort.»

Barbara Lüthi ist zweifache Mutter: Spricht sie mit Lara (13) und Dylan (9) darüber, was aktuell in der Ukraine passiert? «Natürlich. Sie interessieren sich, bekommen ja auch mit, wie ich die Sendungen vorbereite. Und wovor sollte ich sie denn schützen? Vor der Wirklichkeit?» Sie könnte sich sogar heute noch vorstellen, aus der Ukraine zu berichten. «Weil du Chronistin bist von dem, was passiert, Regierungen und Öffentlichkeit aufrütteln kannst. Das war ein Grund, weshalb ich Journalistin werden wollte», sagt sie. «Man kann die Welt nicht grundsätzlich verändern, aber man muss Ungerechtigkeit aufdecken und Gewalt dokumentieren. Gerade in einem Krieg, in dem Kriegsverbrechen begangen werden.»