«Die Lebenszeit wird nun immer kostbarer»

Alles Gute! Die TV-Frau und Sängerin wird 50 Jahre alt. Obwohl sie dem Geburtstag nicht allzu viel Bedeutung beimisst, will sie fortan einige Dinge ändern.

Ein Hauch von Staub liegt auf den fünf grossen Fotoalben, die vor Sandra Studer auf ihrem Esstisch liegen. Darin zu finden: Bilder ihrer Karriere. «Ich habe sie ewig nicht angeschaut», entschuldigt sie sich. Es war denn auch etwas Überzeugungsarbeit nötig, sie dazu zu bringen, die Bücher für eine kleine Rück- und Vorschau zum runden Geburtstag am 10. Februar hervorzuholen. «50 zu werden», meint die Moderatorin, Sängerin und vierfache Mutter, «das ist doch keine Leistung.» Wir finden allerdings ihre Karriere schon!

GlücksPost: Gleich mal frech gefragt – hat heute morgen beim Aufstehen etwas wehgetan?

Sandra Studer: Nur die entzündete Schulter, aber das ist schon lange so und gehört langsam zu mir.

Ihre Karriere startete mit dem fünften Platz am «Eurovision Song Contest». Da waren Sie 22, nun werden Sie 50. Ein kleiner Schock?

Gar nicht! Auch wenn man sich der eigenen Endlichkeit natürlich bewusster wird. Meine Mutter ist zum Glück topfit, aber vor zwei Jahren starb mein Vater. Das sind Momente, in denen einem klar wird, dass man selbst bald in die «erste Reihe» vorrückt. Aber nein, ich schiäb kei Krisä! (Lacht.) Die 50 hat im Gegenteil eher Positives in mir ausgelöst.

Was denn?

Ich sage mir: Die Lebenszeit wird nun immer kostbarer, deshalb schenke ich mir keine Reise oder dergleichen, sondern Zeit. Ich will Sachen abstreifen, die ich nicht mehr machen möchte, und Dinge tun, die ich mir schon lange wünsche.

Zum Beispiel?

Ich möchte unbedingt tanzen! Deshalb: private Tanzstunden. Das habe ich wegen meiner Schulter bisher sein lassen. Aber solange ich es nur für mich mache, kann ich das Training ja anpassen.

Wegen ihrer Beschwerden konnte Sandra Studer 2017 nicht als Kandidatin in der ersten Ausgabe von «Darf ich bitten?» dabei sein. Dafür moderiert sie die Tanzshow seither. Am 9. März geht es in die dritte Runde (siehe Box). Zudem steht sie in unregelmässigen  Abständen im Zürcher Theater Rigiblick in Mani-Matter- und Frank-Sinatra-Revuen auf der Bühne und ist bis Juni mit dem Musical «Supermarkt Ladies» unterwegs (www.supermarkt-ladies.ch).

Was wollen Sie denn abstreifen?

Dinge, bei denen ich zu viele Kompromisse machen muss. Und dann möchte ich mich gerne zwischendurch etwas mehr dem Nichtstun widmen. Ich habe in letzter Zeit viel gearbeitet, das geht schneller an die Reserven als früher. Ich möchte die Batterien aufladen, bevor sie auf Null sind.

Waren Sie an diesem Punkt?

Zeitweise war es schon ein bisschen viel. Da «spinnt» dann plötzlich auch die Gesundheit. Ich hatte ja 2018 eine Krampfader – auf den Stimmbändern. Ich wusste nicht einmal, dass es das gibt! Vier von sechs Probewochen für die «Supermarkt-Ladies» durfte ich keinen Ton singen. Die Krampfader ist nicht mehr da,
die Entzündung aber bekomme ich nicht ganz weg und werde immer noch schnell heiser.

Macht das Angst? Die Stimme ist Ihr Instrument …

Schon, auch wenn es natürlich viel Schlimmeres gibt. Du kannst Antibiotika und Kortison schlucken, aber letztlich weisst du: Es ist ein Zeichen von Überlastung. Und wenn ich es nicht ernst nehme, bin ich selbst schuld.

Sandra Studer moderierte zahlreiche TV-Formate wie «Traumziel», «Takito», den «Swiss Award», «Art on Ice» oder «Stars extra». Zudem sang sie in Musicals wie Marco Rimas «Keep Cool» und «Drei Bräute für ein Halleluja». Ein Comeback nach siebenjähriger Pause gab es 2013 als Fee aus dem See in «Spamalot» (2013), bis heute ein besonderes Herzensprojekt von ihr.

Was ist Ihnen sonst noch in speziell guter Erinnerung?

Eine Menge. «Takito» habe ich über alles geliebt, mit dieser grossen Live-Band im Studio, das war noch ein Ausläufer der alten Fernsehzeit. Aber auch der «Swiss Award», den ich quasi mitgeboren habe, lag mir am Herzen. Oder wie ich in die Kultur hineingerutscht bin. «La Traviata im Hauptbahnhof» war eines der coolsten TV-Ereignisse, das ich je miterlebt habe.

Ihre schönste Begegnung?

Auch sehr viele! Für meine Sendung «Stars extra» durfte ich spannende Persönlichkeiten interviewen wie Liedermacher Wolf Biermann, Tote-Hosen-Sänger Campino, Opernstar Cecilia Bartoli oder Emil und Marc Forster. Auch beim «Zurich Film Festival» hatte ich viele tolle Begegnungen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir Richard Gere! Bei Hollywood-Stars weiss man nie, was einen erwartet. Er war aber unglaublich charmant, gesprächig und hat auf sehr humorvolle Art geflirtet.

Hat Sie in Ihrer Karriere etwas besonders überrascht?

Vor allem wie lange ich das schon mache – 28 Jahre! Es kam immer wieder etwas Neues. Sodass ich eigentlich gar nie Zeit hatte zurückzuschauen oder Erinnerungen bewusst zu geniessen. Eigentlich schade! Michael Douglas meinte kürzlich, dass er jungen Menschen rät, sich auch mal Zeit zu nehmen, um ab und zu an einer Blume am Wegrand zu schnuppern, bewusst zu geniessen. Recht hat er.

Hatten Sie Angst, dass es irgendwann vorbei sein könnte?

Nein. Ich hatte auch nie Probleme, etwas abzuschliessen, wenn eine Sendung, ein Projekt oder ich Entwicklung brauchten. Ich bin froh, wenn die Arbeit zwischendurch weniger ist und ich mehr Familienfrau und Mama sein kann. Trotzdem bin ich sehr dankbar, dass ich meinen Job mit vier Kindern machen kann, das ist ein grosses Privileg.

Sie und Ehemann Luka (54) sind Eltern von Gian (20), der an der HSG St. Gallen studiert. Tochter Lilli (18) macht demnächst die Matur, Nina (12) geht in die sechste und Julia (10) in die fünfte Klasse. Sandra Studer ist ein grosser Familienmensch. Je mehr Leute am Esstisch sitzen, desto besser. Klar, wird auch das GlücksPost-Team am Interview-Tag zu Ravioli («nähmäd meh!») eingeladen.

Wie viel Anteil hat Ihr Mann daran, dass es mit Job und Familie so gut klappt?

Sicher einen grossen. Am Wochenende ausschlafen und Füsse hochlegen? Das gab es für ihn nicht. Er musste «ad Seck», ein aktiver Vater sein. Für uns beide gibt es den Beruf und die Familie, da bleibt nicht viel Zeit, um sich noch selbst zu verwirklichen. Aber das sahen wir nie als Problem.

Es hat nie einer beim anderen geklagt?

Sicher! Diese Diskussion gehört als Paar dazu: Wenn ein Ungleichgewicht besteht, muss man sich zwischendurch aneinander reiben und wieder einpendeln. Es
ist ein Seilziehen, das bei uns Gott sei Dank immer positiv ausging, man hat sich gefunden.

Jetzt sind die Kinder schon älter. Nehmen sie Sie da weniger in Anspruch?

Früher musste man schauen, dass der Brei in den Mund geht, heute, dass der Mund nicht zu frech wird (lacht). Im Ernst, es ist nicht mehr so körperlich, man hat sie nicht ständig auf sich oder muss sie wickeln, aber sie brauchen dich noch, auch die Grossen. Es ist wunderschön, sie auf ihrem Weg zu begleiten, zu sehen, wie sie eigenständige Persönlichkeiten werden. Durch die grosse Bandbreite, die sie vom Alter her haben, ist es intensiv, aber irrsinnig lässig.

Ihren Geburtstag feiern Sie alle gemeinsam?

Ja, wir werden – wie immer – im Val Müstair in den Skiferien sein und mit der Familie feiern. Ein grösseres Fest gibt’s dann irgendwann im Laufe des Jahres.

Ihr Wunsch?

Nebst ein bisschen Zeit für mich einfach nur Gesundheit, das ist am Ende das Wichtigste.