«Die Kritik hat mir richtig weh getan»

Ihren Job als Ski-Kommentatorin hat sie wegen der negativen ­Reaktionen nicht nur in guter Erinnerung. Die Journalistin weiss aber, dass es Wichtigeres gibt. Und freut sich auf ihre neue Aufgabe bei der Radio-Talk-Sendung «Persönlich»!

Vorsichtig klettert Michèle Schönbächler (41) auf den glitschigen Holzpfahl am Schiffsteg, während sich unter ihr der Sarnersee in sanften Wellen kräuselt. «Das ist so Michèle», sagt sie und lacht, während sie vor der Kamera posiert. «Ich mag Action und Herausforderungen!»

Letztere stehen der Obwaldnerin bald beruflich bevor: Ab 21. August moderiert sie die Live-Talksendung «Persönlich» am Sonntagvormittag (10.03 Uhr) auf Radio SRF1 im Wechsel mit Dani Fohrler (55), Christian Zeugin (51) und Daniela Lager (58).

GlücksPost: Sind Sie nervös vor dem Einstand?

Michèle Schönbächler: Die Vorfreude ist riesig! Nervös, hmm… Wenn ich Nein sage, wirkt das sehr abgehoben – und das bin ich nicht. Aber ich bin seit 20 Jahren Journalistin, habe viele Live-Momente erlebt. Deswegen nehme ich die Situation, wie sie ist, und versuche, damit umzugehen. Aber ich habe Respekt davor, dass ich meinen eigenen Anforderungen nicht genüge.

Inwiefern denn?

Ich will den Menschen eine gute Stunde Hörgenuss bieten. Ich bin extrem selbstkritisch und überzeugt davon, dass ich nach der ersten Sendung sagen werde, dass ich einiges hätte besser machen können.

Sie sind die Nachfolgerin von Sonja Hasler, die das Magazin im Juni verliess. Worauf freuen Sie sich?

Zuzuhören, nachzufragen, inspirierende und berührende Geschichten zu hören. Ich habe schon früh gerne Geschichten von Menschen gehört, und ich glaube, man erzählt mir auch gerne etwas.

Die neue Aufgabe bei «Persönlich» ist nicht Ihre Einzige: Sie kommentieren weiterhin Pferdesport, Schwimmen, Curling und Orientierungslauf im 50-Prozent-Pensum für SRF Sport.

Ganz genau. Davor habe ich noch regelmässig Ski alpin und Langlauf kommentiert. Sport ist ein wichtiger Teil meines Lebens – aber nicht der einzige (lächelt).

Welche gehören denn noch dazu?

Ich bin Mami eines zehnjährigen Sohnes, ausgebildete Juristin und spiele einmal die Woche Klarinette im Orchester. Zudem moderiere ich Konzerte, beginne im Herbstsemester an der Fachhochschule Nordwestschweiz mit dem Studiengang Coaching und reite sehr gerne. Letzteres ist mein wichtigster Ausgleich.

Was gefällt Ihnen an Pferden?

Ich finde sie unfassbar faszinierende Wesen und kann komplett abschalten, wenn ich mit ihnen bin. Ich versuche daher, mindestens einmal alle zwei Wochen aufs Pferd zu steigen.

Nehmen Sie sich da neben allem anderen nicht ein bisschen zu viel vor?

(Lacht.) Nein, so bin ich. Bei mir muss immer etwas laufen.

Als Sie noch Skirennen kommentierten, hagelte es heftige Kritik an Ihrer Stimme und Ihrem Fachwissen …

Das war brutal! Das tat richtig weh. Meine Stimme sei zu hoch, zu aggressiv, zu laut. Ich musste mir vieles anhören.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Ich habe praktisch jede Kritik durchgelesen und versucht, zu differenzieren. Einige davon waren gerechtfertigt, diese habe ich angenommen. Viele waren jedoch voller Neid und Missgunst, primitiv oder nicht nachvollziehbar.

Was dazu führte, dass Sie sich von den Skirennen verabschiedeten?

Ich bin ja nicht Kommentatorin geworden, um eine eigene Plattform zu haben, sondern um den Sport weiterzugeben. Mit den Verantwortlichen bei SRF entschied ich, dass es für das Produkt Skirennsport mehr Ruhe gibt, wenn ich aufhöre.

Was sagt Ihr Sohn, den Sie mit Ihrem Ex-Mann haben, zum neuen Job?

Lionel, mein Ex-Mann, mit dem mich eine enge Freundschaft verbindet, sowie meine Eltern, mit denen ich in einem Haus in Sarnen lebe, freuen sich sehr für mich. Sie finden, dass die Aufgabe gut zu mir passt.

Seit einiger Zeit wohnen zudem drei ukrainische Frauen bei Ihnen, die vor dem Krieg geflohen sind.

Als dieser Angriffskrieg losging, war ich bestürzt. Vor allem die Situation der Menschen auf der Flucht hat mich mitgenommen. Nach Absprache mit meinen Eltern haben wir uns beim Kanton gemeldet. Einzige Bedingung: keine Haustiere.

Sie haben aber einen Hund dabei…

(Lacht.) Wir wussten vorher nicht, dass die Frauen einen Hund haben, konnten sie aber auch nicht mehr wegschicken, als sie eines Abends in Sarnen ankamen. Meine Eltern waren nicht glücklich darüber, mittlerweile haben sie Aria aber auch ins Herz geschlossen. Sie ist so herzig!

Wie läuft das Zusammenleben?

Angesichts der Geschichten, die ich höre, werden Alltagsprobleme unwichtig. Da macht man selbst sämtliche Emotionen durch, ist auf einmal mitten drin. Ich hoffe einfach, dass sich die Situation bald entspannt und sich mein grosser Wunsch erfüllt.

Und der wäre?

Meine Gäste zurück in die Ukraine begleiten zu können, ihr schönes Land kennenzulernen, von dem sie uns erzählen. Ich hoffe sehr, dass wir diese Chance bekommen.