«Die einzige Bombe hier bin ich»

Wortgewandt, hemmungslos und selbstbewusst – so kennt man die Aargauerin. Ihre exzentrische Persönlichkeit wurde stark vom Aufwachsen auf dem Bauernhof geprägt.

Sie steht vor dem Bundeshaus. Ihre Locken vom Wind verweht, wartet Patti Basler auf Ständeräte, die an ihr vorbei aus oder ins Parlamentsgebäude müssen. Für die SRF-­Sa­tire­sendung «Deville» befragt die 45-Jährige Politikerinnen und Politiker zum aktuellen Sessionsthema «Widerspruchslösung bei der Organspende». Obwohl «Deville» Zutrittsverbot zu den hei­ligen Hallen hat – die Sendung sei zu unseriös –, erhält die Aargauerin von fast jeder und jedem Antwort.

Parlamentarierinnen und Parlamentarier beenden das Gespräch nicht einmal, wenn die Slampoetin mit schlagfertigen, sarkastischen Sprüchen reagiert: CVP-Vertreterin Heidi Z’grag­­gen, die keine Organe spenden will, erntet ein «Warum? Ist alles so ‹versiecht› bei dir?» Basler duzt ausser Bundesräten alle Abgeordneten. Auch das nimmt ihr niemand übel. «Die sehen nur das SRF-Mikrofon und wollen ihr Sta­te­ment abgeben. Kaum einer fragt, für welche Sendung», erläutert sie. Wenn Einzelne dann doch nachhaken, folgt der Schrecken: «Oh nein!», entfährt es Die-Mitte-­Stän­de­­rätin Elisabeth Schneider-­Schnei­ter. SVP-Mann Mauro Tuena wendet sich mäkelnd ab: «Ihr haut uns ja nur in die Pfanne bei ‹Deville›.» Als wenig später zwei Polizisten anrücken, weil unser Fotograf seinen Rucksack am Strassenrand deponiert hat, ruft Patti ihnen zu: «Das ist keine Bombe! Die einzige Bombe hier bin ich.»

Basler kennt wenige Grenzen. Ihr direktes, mitunter brachiales Auftreten ist inzwischen ihr Markenzeichen. Genauso wie ihre gereimten, in Rekordzeit mit beissendem Witz, kreativen Wortspielereien und treffsicherem Fazit verfassten Protokolle als Schlusspunkte der «Arena» (freitags, 22.25 Uhr, SRF 1) oder der von ihr konzipierten Casinotheater-Reihe «Kaiser-Schmarren» (24. 10. und 5. 12., www.casinotheater.ch) in Winterthur ZH. Diese Fähigkeiten verdanke sie einer gewissen Unerschrockenheit und ihrem Vertrauen darauf, dass auch beim spon­tanen Antworten intelligente und witzige Aussagen entstehen.

Ihren Job bei der «Arena» erhielt sie auf typische Basler-Art: «Ich meldete mich bei denen und sagte: ‹Vielleicht wärt ihr ja froh, wenn jemand eure Sendung bis zum Schluss schaut. Ruft an.›» Ihr Selbstvertrauen und ihre Bodenständigkeit schreibt Patti dem Aufwachsen auf dem Bauernhof ihrer Eltern zu. «Und durch meine Studienabschlüsse ist amtlich beglaubigt, dass ich nicht dumm bin.» Als Bauerntochter beherrsche sie die alltägliche Sprache des Schweizer Volkes. «Doch ich bin auch des gepflegten Parlierens durchaus mächtig.» Zudem vermeide sie, wo möglich, auf ganz normalen Menschen herumzutrampeln. «Bei den Mächtigen kenne ich allerdings keine Be­rührungsängste.»

Basler war erst als Lehrerin tätig, hängte dann ein Studium zur Erziehungswissenschaftlerin an. «Das Zweitstudium brachte mich auf die Bühne», erzählt sie. «Damals realisierte ich, dass es spannender ist, Dinge aus einer objektiven Perspektive anzugehen, nicht ständig korrekt sein zu müssen und auch sonst nichts diktiert zu bekommen. Also das Gegenteil zum Lehrer-Dasein, bei dem du eine vorgeschriebene Mission zu erfüllen hast und stets Vorbild sein musst.»

Noch während der Uni begann sie als Slampoetin in Deutschland, Österreich und in der Schweiz aufzutreten. «Als das Studium zu Ende war, hatte ich genug Aufträge, um von meiner Kunst zu leben.» Etwa zu dieser Zeit lernte sie ihren langjährigen Bühnenpartner, den Pianisten und Musik-Kabarettisten Philippe Kuhn (45), kennen: Als bei einem Auftritt im Sommer 2014 Pattis damalige Bühnenpartner ausfielen, fragte sie Kuhn an. «Es war gerade Fussball-WM und im Publikum sassen zehn Leute.» Philippe motivierte Patti mit einem «Komm, wir rocken das!» Da habe sie gedacht: «Den muss ich behalten. Er ist inzwischen fast wie ein Körperteil von mir, meine externe Festplatte.»

Basler und Kuhn gehen ab 21. 10. mit ihrem zweiten Stück «Nachsitzen» erneut auf Tournee (Infos/Tickets: www.pattibasler.ch). Es knüpft an das erfolgreiche Vorgängerprogramm «Frontalunterricht» an, in dem es um Szenen aus der Schweizer Schulstube ging. Im neuen Werk tritt das Duo aus dem Klassenzimmer heraus und ergründet «den Menschen als lernendes Wesen im grossen Ganzen». Pattis Einsatz für «Deville» ist leider nach drei Folgen vorerst vorbei. «Ich habe so viel zu tun, dass ich mich nicht länger verpflichten konnte», erklärt sie. Am 20. 11. wird Patti nochmals in der Late-Night-Show zu sehen sein. Im Grunde, findet sie gewohnt keck, sei es Zeit, dass sie eine eigene Fernsehsendung erhalte.