Der Wald macht ihn so richtig glücklich

Er hat ein Gesicht wie eine knorrige Bündner Lärche, steht genau­so fest verankert im Leben. Als Ausgleich zum Beruf tobt sich der Schauspieler in seinem Forst aus.

Hier fühlt er sich frei und gut: im Wald, mit seiner «Stihl» im Anschlag, den Helm auf dem Kopf. Bereit, Bäume zu fällen. Mit Wonne lässt Andrea Zogg (60) den Motor brummen, zerkleinert einen  im letzten Sturm gefallenen Stamm. «Für mich ist das Erholung und Ausgleich, etwas mit den Händen zu tun.»

Er könnte das Feuerholz für die Kachelöfen seines Bauernhauses im Klettgau auch kaufen. Doch da fehlt der Spass. «Anfangs ging ich mit einem Freund in den Wald. Doch dann wollte ich meinen eigenen Forst. Hier habe ich 4000 Quadratmeter. Zwei Bäume fälle ich pro Jahr zum Heizen. Dazu kommen Arbeiten wie den Wald aufräumen, das Holz stückeln, trocknen, lagern …»

Als der Schauspieler und seine Frau vor zehn Jahren aus Bremen (D) zurück in die Schweiz ziehen wollten, waren ihre drei Söhne erwachsen. «Wir suchten etwas auf dem Land. Lange fanden wir nichts Passendes. Irgendetwas war immer falsch: Entweder war es zu marode oder zu weit weg.» Vom Klettgau ist er mit seinem neuen Elektroauto in einer halben Stunde in Zürich. Hauptwohnsitz für Zogg und seine Frau, die Dokumentarfilmerin Eva Roselt, ist aber Tamins im Bündnerland. Auch, weil dort ihr zweitältester, autistischer Sohn Paul (29) in einem Heim lebt und sie ihn regelmässig zu sich holen.

Nach dem Herumtoben im Wald – der Bündner steigt sogar auf einen glitschigen, Moos bewachsenen Findling und posiert darauf – führt er die GlücksPost in ein Lokal inmitten von Rebbergen. Überall stehen Holzfiguren, auf dem Vordach ein Rabe. Welch Zufall! Zogg leiht im neuen Film «Di chli Häx» (ab 1.2. im Kino) dem Haustier der kleinen Hexe, dem Raben Abraxas, seine Stimme. Auch bei diesem Thema ist er Feuer und Flamme: «Ich liebe es, nur mit meiner Stimme zu arbeiten! Ich war  immer mehr ein Ohren als Augenmensch. Mir war nie wichtig, wie ich aussehe, ich bin kein bisschen eitel. Aber wenn ein Satz falsch ist, stört mich das wahnsinnig.»

So klar waren ihm seine Stärken nicht immer. Als er im zweiten Jahr als Schauspieler in Shakespeares «Sommernachtstraum» mitwirkte, wäre er gerne Teil der Liebespaare gewesen. «Aber ich musste den Handwerker Zettel spielen! Erst bei der Aufführung merkte ich, dass Zettel der Sympathieträger ist beim Publikum!» Er sei halt nie der Romeo-Typ gewesen. Seit er älter ist, ist sein knorriges, stets von einem Lachen überzogenes Gesicht gefragt wie nie. «Schon früh sagte ein Kollege zu mir: Deine Zeit wird kommen. Im Alter ist es einfacher mit einem Charakterkopf. Seit etwa zehn Jahren ist es so richtig gut. Ich bin erfolgreich, gehöre zu den zehn Prozent Schweizer Schauspieler, die gut von ihrer Kunst leben können. Ich habe mit meiner Frau drei Söhne grossgezogen. Hollywood ist kein Thema mehr. Was jetzt noch kommt, ist Zugabe.»

Andrea Zogg hat mehr Angebote, als er annehmen kann. Vor allem, weil er auch immer noch eigene Ideen umsetzen will. Im Herbst möchte er Stefan Zweigs Novelle «Händels Auferstehung» auf die Bühne bringen. «Mit der Musik von Händel. Ich werde zusammen mit einem Musiker auftreten, singe selber auch. Und am Schluss dirigiere ich das Publikum, das mit mir Händels berühmtes ‹Hallelujah› singt.» Er werde das durchziehen, selbst wenn er keine Gelder oder Sponsoren für seine Idee auftreiben könne. Er sieht es schon vor seinem inneren Auge, beginnt zu dirigieren und summt die Melodie. Ein Mann voller Leidenschaften.