«Der Druck ist immens – die Freude auch»

Im Rheintal wird geholzt, und das Ehepaar ist mittendrin. Der ­Musiker und die Autorin sind im Einsatz für ihr Grossprojekt. Dieses hält sie so auf Trab, dass sie derzeit ein ­Leben im «Schnellzugs­tempo» führen.

Achtung, Baum fällt! Langsam kippt die riesige Fichte und landet schliesslich mit einem dumpfen Knall auf dem Boden. Marc (42) und Brigitte (42) Trauffer beobachten das Szenario interessiert, ihre Berner Sennenhündin June etwas irritiert. Sie würde wohl Reissaus nehmen, hätten Werner und Käthi Schöb sie nicht an der Leine. Die beiden sind Brigittes Eltern und verantwortlich dafür, dass hier, oberhalb von Gams im Rheintal, die Bäume fallen. Sie schenken das Holz ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn für den Bau ihres Grossprojekts, der Trauffer-Erlebniswelt mit dem «Bretterhotel».

GlückPost: Ein grosszügiges Geschenk – wie kam’s dazu?

Brigitte Trauffer: Das Waldstück ist in fünfter Generation in unserer Familie. Als wir erzählt haben, wie viel Holz wir brauchen, sind meine Eltern auf die Idee gekommen, es uns zu schenken. Ein Stückchen Heimat im Berner Oberland!

Marc Trauffer: Wir werden die Betten fürs Hotel daraus machen. Heute beim Fällen dabei zu sein, ist natürlich phantastisch.

Packen Sie auch selber mit an?

Marc: Das überlassen wir besser dem Forsttrupp! Aber wir wollten vorbeischauen, mit den Männern und Brigittes Eltern darauf an­stossen, weil es echt eine tolle ­Sache ist. Ein Transporteur, der die Strecke ohnehin fährt, wird das Holz dann in unsere Schreinerei bringen, wo die Betten entstehen. Früher oder später werden wir dann sicher auch selbst Hand anlegen, ich vielleicht schon beim Bau.

Sie sind ja gelernter Maurer und daneben vielseitig talentiert?

Marc: Jaja, ich kann vieles ein bisschen, aber nichts richtig (lacht).

Und Sie, Brigitte?

Brigitte: Ich bin ja Lehrerin und habe auch Werken unterrichtet. Mein Grossvater hatte zudem eine Wagnerei hier in Gams, hat also mit Holz gearbeitet. So habe ich schon eine gewisse Affinität zum Handwerken und freue mich riesig, im Hotel bei gewissen Dingen selbst anzupacken.

Marc: Wir haben zum Beispiel geplant, dass wir Ende Jahr die Küche selbst «plätteln».

Das ganze Projekt scheint viel zu tun zu geben …

Brigitte: Endlos viel! Aber es ist extrem spannend und macht Spass – vom täglichen Begutachten der Fortschritte auf dem Bau übers Auswählen der Gläser und Ser­vietten bis hin zur Personalsuche.

Sie sprühen beide vor Enthusiasmus. Müssen Sie sich manchmal gegenseitig bremsen?

Marc: Nicht wirklich. Wir ticken in dieser Sache zum Glück sehr ähnlich. Es wäre bei so einem Grossprojekt doch komisch, würden wir uns freitags um 17 Uhr ins Wochenende verabschieden. Momentan arbeiten wir gefühlt 24 Stunden – aber das beinhaltet auch Gespräche, Ideenaustausch. Das ist keine harte Arbeit, sondern mega cool.

Brigitte: Egal, was dir im Alltag begegnet, irgendeine Verbindung ist immer da. Beim Restaurant­besuch zum Beispiel: Wir zählen mittlerweile jedes Mal das Personal und drehen einen Stuhl und das Geschirr um (lacht).

Bei allem Spass, den Sie haben: Wie viel Druck lastet auf Ihnen?

Brigitte: Klar gibt es Stunden, in denen wir nachts wach liegen. Besonders am Anfang des Corona-­Lockdowns. Da haben wir uns schon Gedanken darüber gemacht, dass wir ausgerechnet jetzt so ein grosses Projekt auf die ­Beine stellen. Aber es war schnell klar, dass es kein Zurück gibt.

Marc: Es ist nicht so, dass man sich das mal so nebenbei leisten kann, zumal wir keine Investoren wollten. Wir haben alles, was wir haben, in die Waagschale geworfen, ein klares «All-in». Deshalb ist der Druck immens, aber die Freude auch – die lassen wir uns deswegen nicht nehmen.

Da könnte man daraus schliessen, dass Sie beide ein bisschen verrückt sind …

Brigitte: Er ist verrückter als ich! (Lacht.) Mein Mann ist total der Unternehmer, mit einem riesigen Mut. Den hätte ich nicht gehabt, und ich bewundere das sehr.

Marc: Was hätten wir denn auch machen sollen? Wegen Corona gar nichts tun? Aufhören zu leben? Das geht nicht. Ich habe gesagt: Vollgas geben, «dürezieh»!

Beim Hausbau, sagt man, kommt es bei vielen Ehepaaren zu Streit. Wie ist das bei Ihnen?

Brigitte: Und wir bauen zwei riesige Häuser … Nein, es läuft gut, auch wenn wir natürlich nicht ständig einer Meinung sind. Aber wir finden uns immer. Und am Ende ist auch immer klar, wer am Schluss wo entscheidet.

Zum Beispiel?

Marc: Mein Part ist vor allem die Planung, die Bewilligungen, die Bauführung. Für den ganzen Innenausbau ist dann eher Brigitte zuständig. Sie kann das besser, da rede ich ihr sicher nicht drein.

«Chlöpft’s» ausserhalb des Projekts bei Ihnen manchmal?

Marc: Klar gibt es mal Diskussionen. Es kann ja nicht immer nur Friede, Freude, Eierkuchen sein.  Wahrscheinlich liegen wir in Sachen «Krach haben» im Schweizer Durchschnitt. Aber wir sind beides Typen, die das immer sofort regeln wollen.

Brigitte: Ja, wir sind zwar zwei Sturköpfe und haben unsere eigene Meinung, aber Unstimmigkeiten halten definitiv nie lange an.

Sie hatten kürzlich Ihren ersten Hochzeitstag: Hat sich gefühlsmässig etwas geändert, seit Sie offiziell Mann und Frau sind?

Brigitte: Nein, verändert hat sich  deshalb nichts. Aber generell sind wir so intensiv in diesem Leben drin, verbringen so viel Zeit zu­­­sammen, dass uns das wahnsinnig schnell sehr eng zusammengeschweisst hat. Wir können also nur empfehlen, zusammen ein Haus zu bauen (lacht). Wir sind mindestens so glücklich wie vor ­einem Jahr.

Marc: Unglaublich, wie schnell die Zeit vergangen ist. Unser Leben ist momentan einfach ein verdammter Schnellzug! Ich bin jeden Tag froh, dass ich Brigitte an meiner Seite habe. Und dass sie – wie Sie vorhin sagten – ebenfalls etwas «verrückt» ist und diesen ganzen Quark mitmacht, den ich da angedeichselt habe.

Nehmen Sie sich bei all der Arbeit auch Zeit für sich, sind beispielsweise Ferien geplant?

Marc: Wenn wir mal rauswollen, dann müssen wir das planen – freinehmen und wegfahren. Wir haben uns vorgenommen, in verschiedenen Alpentälern jeweils für zwei, drei Nächte andere Hotels anzuschauen, das hat uns ein älterer Hotelier empfohlen. Richtig Ferien? Die haben wir wahrscheinlich die nächsten drei Jahre nicht mehr, aber das gehört als Hoteliers wohl dazu.

Direktorin wird Brigitte sein.

Brigitte: Ich sage ja lieber Gast­geberin. Zur Zivilhochzeit hat mir Marc sogar Visitenkarten gekauft, auf denen «Direktorin» steht.

Marc: … die du nicht gebraucht hast.

Brigitte: Ich hatte auch noch solche mit «Projektleiterin», da habe  ich mich etwas wohler gefühlt, aber jetzt ist die Direktorin dran (lacht).

War von Anfang an klar, dass Brigitte diesen Job übernimmt?

Marc: Ich als Direktor? Das wäre kein guter Plan gewesen und ist nie zur Debatte gestanden.

Warum?

Marc: Da musst du eine gewisse Präsenz haben, und mit der Geschäftsleitung der Firma und der Musik wäre das bei mir nicht möglich. Wir wollten anfangs ja sogar verpachten, dann war es Brigitte selbst, die meinte: «Wir haben so viel Leidenschaft und Herzblut hineingesteckt, lass es uns selber machen.» Wir bilden uns ja auch gerade weiter, lernen fürs Wirtepatent. Ich habe den Käse-Sommelier schon gemacht, im Januar folgt der Wein-Somme­lier. Sie hat die Leitung, ich bin dann das Maskottchen, der Pausenclown oder so was (schmunzelt).

Sie erwähnten die Musik: Da gibt’s ja Neues von Ihnen und Gölä.

Marc: Ja, von den Büetzer Buebe ist gerade das zweite Album erschienen – das Unplugged-Album «Handwärch», das eigentlich nicht vorgesehen war. Aber mich und Gölä hat’s in den Fingern ­gejuckt, musikalisch etwas zu machen. Unsere Letzigrund-Konzerte mussten wir coronabedingt ja auf 2022 verschieben.

Diese sind im August, vorher ist aber noch die Eröffnung Ihrer Erlebniswelt. Wie ist da der Fahrplan?

Marc: Der Rohbau ist fertig, jetzt kommen dann die Fenster, die Unterlagsböden, die Isolation. Um Weihnachten herum soll das alles fertig sein. Dann folgen der Innenausbau, im Frühling erste Test-­Wochenenden, und am 4. Juni, meinem Geburtstag, ist Eröffnung.

Schon aufgeregt?

Brigitte: Freudig aufgeregt! Irgendwann willst du ja loslegen, den Leuten zeigen, was wir auf die Beine gestellt haben. Es muss ex­trem vieles funktionieren, das gibt bestimmt nochmals einige schlaflose Nächte. Aber ich glaube, dass wir extrem stolz sein und uns riesig freuen werden.