«Das Wichtigste ist die Neugierde»

Am 6. Februar feiert der Sati­riker seinen 70. Geburtstag. Angst vor dem Alter hat er nicht, zumal er weiss, was ihn jung hält. Und: Nach zwei Jahren Abstinenz ist er bald wieder am TV und auf der Bühne zu sehen.

Kurz vor Beginn der Pandemie endete die Circus-Knie-Tour mit Viktor Giacobbo (69) und seinem Bühnenkollegen Mike Müller (58) als Gaststars. Seither ist es um die «Puffmutter des Schweizer Humors» (dieser Titel, den ihm Kabarettist Gabriel Vetter gab, gefällt ihm am besten) stiller geworden. Was treibt ihn kurz vor seinem runden Geburtstag um? Das wollte die Glücks­Post vom Satiriker wissen und besuchte ihn in seinem zweiten Zuhause, dem von ihm mitgegründeten Casinotheater Winterthur.

GlücksPost: In den letzten zweiJahren hörte man nicht viel von Ihnen. Warum?

Viktor Giacobbo: Das ist Teil meiner privilegierten Situation. Ich kann machen, worauf ich Lust habe und wann ich Lust habe. Eigentlich müsste ich nicht mehr arbeiten. Doch vielen, vor allem jüngeren Kolleginnen und Kollegen, geht es gerade jetzt nicht so gut. Deshalb war es grossartig, als sich eine private Gönnerin bei mir meldete und mir einen grosszügigen Betrag übergab, um Künstlerinnen und Künstler während der Pandemie zu unter­stützen. Ich durfte das Geld in Eigenverantwortung verteilen. Alles ging an Kunstschaffende, die nicht viel verdienen, oder Techniker und kleine Künstleragenturen – notabene nichts ans Casino­theater Winterthur. Das war eine schöne Arbeit.

Von aussen gesehen waren Sie vor allem auf Twitter aktiv, auf dem Sie immer wieder pointiert Aktualitäten kommentieren.

Ich bin auch auf Instagram aktiv – ein eher ruhiges Bildmedium. Ganz anders Twitter: Das ist eine Streit- und Satirezone, auf der ich auch meinen Standpunkt deutlich mache. Mike Müller und ich haben viele Follower, und wir mischen uns gerne ins Tages­geschehen ein.

Sie werden bald 70. Ist das mit ein Grund, warum man weniger von Ihnen hört und sieht?

Ich ziehe mich schon etwas zurück. Das war das Gute an der Coronazeit – mehr Ruhe.

Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?

Ich lese und reise gerne. Und ich mag es, zu kommunizieren, di­gital und analog. Am liebsten bei Treffen mit Freunden und Freundinnen, mit Kollegen und Kolleginnen.

Werden Sie den Geburtstag feiern?

Ich hätte am liebsten gar nichts gemacht. Aber betont keine Feier wirkt auch wieder so was von eitel. Es wird eine sehr lockere Party für meinen Freundeskreis im Casinotheater geben, allerdings mit strikten Regeln: Wer eine Ansprache hält oder Geschenke mitbringt, wird sofort abgeführt. Zudem schauen wir uns gemeinsam die Sendung an, die das Schweizer Fernsehen am 6. 2. zu meinem Geburtstag ausstrahlt.

Auch das Casinotheater hat Grund zu feiern – das 20-jährige Jubiläum.

Genau. Wir spielen den ganzen März das All-Star-Stück «Charity». Darin spiele ich Eleonor Giebler, die ihre jährliche Wohl­tätigkeitsveranstaltung für einmal statt im «Dolder» im Casinotheater abhalten will.

Wie ist das Älterwerden für Sie?

Ich nehme es zur Kenntnis, habe aber keine Mühe damit. Man weiss ja, dass es physische Ver­änderungen gibt. Ich sah schon Gleichaltrige, die ich für Leute aus der Generation meiner Eltern hielt. Ich glaube, das Wichtigste für alle Generationen ist, die Neugierde am Leben in all seinen Formen zu behalten.

Sie erwähnten schon, dass Sie eigentlich nicht mehr arbeiten müssten. Und das, obwohl Sie aus einem Arbeiterhaushalt stammen und wohl kaum mit einem grossen Erbe rechnen konnten.

Das ist so. Es ist kein Erbe da, aber auch keine fordernde Familie, die einem sagt, was man machen soll. Ich war immer frei, zu tun, was ich wollte. Auch als Jugendlicher – meine Eltern haben mir nie etwas vorgeschrieben.

Gab es Phasen, in denen Sie sich einen beständigeren Job wünschten?

Ich habe es mir bei meinen An­fängen so eingerichtet, dass ich neben dem Theater jobben konnte. Je mehr ich auf der Bühne aktiv wurde, desto weniger musste ich nebenher arbeiten. Ich lebte stets meinem Budget entsprechend: Verdiente ich weniger, hatte ich einen gebrauchte Citroën 2CV und eine günstige Wohnung. Als Kind war ich ein einfaches Leben gewohnt, unser Bad zu Hause war in der Waschküche. Aber hungern musste ich nie.

Ihr Vater war Metzger, Sie sind Vegetarier.

Zumindest zu 90 Prozent. Ab und zu esse ich schon gerne ein Stück Fleisch, wenn ich weiss, dass es aus tiergerechter Haltung kommt. Mein Vater war übrigens ein grosser Tierfreund. Er liebte unsere Katzen. Und er erzählte oft, dass er als Metzger einige arme Kreaturen in vernachlässigten Bauernhöfen fast erlösen musste. Auch wegen seinen Erfahrungen unterstütze ich heute die Massentierhaltungs-­Initiative.

Der Tierschutz liegt Ihnen am Herzen, auch als Stiftungsrat von Paneco, die sich für Orang-Utans in Indonesien engagiert.

Bei diesem Thema bin ich sehr sensibel und unterstütze neben Paneco viele Tierschutzorgani­sationen. Beispielsweise das «Pawsitive Change Prison Program» in Kalifornien. Dort lässt man Heimhunde von Sträflingen betreuen. Wenn man sieht, wie diese heavy Typen an ihren Hunden hängen und durch diese so­zialisiert werden – das ist schon sehr berührend. Dieses Projekt möchte ich gerne wieder besuchen. Übrigens: SRF-«Reporter» möchte einen Bericht mit mir in der Orang-Utan-Pflegestation von Paneco auf Sumatra drehen.

Dann treten Sie ja dieses Jahr doch wieder vermehrt auf.

Zumindest im ersten Halbjahr. Danach möchte ich wieder reisen.

Haben Sie neben Kalifornien noch andere Traumziele?

Mich zieht es nach Japan, das ich erst vor Kurzem entdeckt habe. Ich werde dorthin reisen, sobald man wieder kann. Und Skandi­navien – mir gefallen Kultur, die Leute und das strenge Wetter dort.

Gibt es einen Geburtstagswunsch?

Geld, Frieden und Sex! Nein ernsthaft: Solche Fragen kann man nur mit Banalitäten beantworten. Was ich mir schon wünsche, ist, dass das Scheissvirus vorbeigeht und die Leute be­greifen, dass es dazu auch die Impfung braucht.

Wenn Sie mit Ihren Erfahrungen von heute dem jungen Viktor einen Rat geben können, was wäre das?

Du musst aufpassen mit deiner Neigung zur Satire und dem losen Mundwerk. Das kommt nicht überall gut an. In einer privaten Beziehung den Satiriker zu geben und deine Partnerin damit zu treffen, ist nicht lustig.

Wie möchten Sie den Menschen dereinst in Erinnerung bleiben?

Das sollen sie selber entscheiden. Sie können mich auch ruhig vergessen.