Das Schweigen hat ein Ende

Die Missbrauchsvorwürfe haben den Ruf des Queen-Sohns ruiniert. Wenig sagen und verkriechen: Das war bisher seine Strategie. Jetzt aber hat er einen neuen «Rettungsplan».

Seit über zwei Jahren gleicht das Leben von Prinz Andrew (61) einem Albtraum. Damals bezichtigte ihn die Amerikanerin Virginia Giuffre Roberts (38) des Missbrauchs. Es sei geschehen, als sie 17 Jahre alt und in die Fänge von Milliardär Jeffrey Epstein († 66) geraten war. Andrews Art, damit umzugehen, war von Anfang an bis jetzt, wo es in New York mit der Zivilklage vorwärtsgeht, katastrophal. Nun hat er jedoch eine neue Strategie.

Was wird ihm vorgeworfen?

Nachdem Andrews Name in Bezug auf den Sexhandelsring seines Freundes Epstein schon öfter gefallen war, wurde es 2019 konkret: Detailliert beschrieb Giuffre, wo es um 2001 zu sexuellen Handlungen gekommen sei – im Londoner Apartment von Ghislaine Maxwell (59), Geschäftspartnerin von Epstein, sowie in dessen New Yorker Haus und auf seiner Privatinsel in der Karibik.

Wie ging der Prinz bisher vor?

Nach den ersten Schlagzeilen galt für ihn Zurückhaltung. In wenigen Worten kommentierte der Hof die Vorwürfe im August 2019 – sie seien abscheulich. Andrew sagte Termine ab, zog sich in der Hoffnung zurück, es möge Ruhe einkehren. Mitnichten. Also versuchte er es mit einem längeren Statement, sprach u. a. den Opfern Epsteins sein Mitgefühl aus. Wieder nützte es nichts. Was zum nächsten PR-Desaster führte.

In seiner Panik gab er der BBC ein TV-Interview – stotternd und mit seltsamen Ausflüchten. Sein Auftritt wurde danach als er­bärmlich und frauenfeindlich beschrieben. Tage später trat er von seinen royalen Ämtern zurück, verschwand von der Bildfläche. Dabei ging der Queen-Sohn zuletzt offenbar so weit, sich auf Schloss Balmoral, dem schottischen Sommersitz seiner Mutter, zu verschanzen, damit man ihm die Klage nicht aushändigen konnte. Mehrere Zustellversuche des US-Gerichts in London scheiterten. Über eine Drittperson klappte es schliesslich – und Andrew änderte einmal mehr seine Strategie.

Was ist sein neuer Plan?

Der Prinz holte sich Andrew Brettler an seine Seite, einen renommierten Anwalt aus Hollywood, der schon mehrere Prominente in ähnlichen Fällen vertreten hatte. Dies markierte einen Wendepunkt: Vom Schweigen wird nun zur knallharten Verteidigung übergegangen. Los ging es damit, dass Brettler und sein Team die «ordnungsgemässe Zustellung» der Dokumente sowie die Zuständigkeit des New Yorker Gerichts in Frage stellten. Zudem bezeichneten sie die Schaden-ersatz-­Klage als «unbegründet, nicht haltbar und möglicherweise rechtswidrig». Nach Verhandlungen mit der Gegenseite akzeptierten sie nun aber die Zustellung der Klage.

Wie geht es jetzt weiter?

Bis 29. Oktober haben die Anwälte Zeit, Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen. Nächster Gerichts­termin: 3. November. Andrew wird wohl – solange es nicht zwingend verlangt wird – nicht selbst auftauchen. Gegenüber der britischen «Times» bekräftigte aber eine dem Prinzen nahestehende Quelle, dass nun mit harten Bandagen gekämpft werde: «Virginia Giuffres Klage bietet seinem Team die Gelegenheit, die zahlreichen Widersprüche in ihren Erzählungen, die im Laufe der Jahre aufgetaucht sind, eingehend zu prüfen. Der Prinz wird gegen all ihre Anschuldigungen rigoros verteidigt werden.»

Ein weiterer Punkt, den Prinz Andrews Anwalt prüft, ist die ­Frage, ob ein Vergleich ihn schützen könnte, den Giuffre 2009 mit Epstein schloss. Die Vereinbarung beinhaltete, dass Menschen aus dessen Umfeld nicht verklagt ­werden dürfen. Laut Giuffres Team sei das in diesem Fall allerdings irrelevant; es gehe in der Ver­einbarung um andere Personengruppen, etwa Ange­stellte.

Wie sehr leidet Andrews Umfeld?

Die Situation belastet allen voran seine Töchter und überschattet eine Zeit, die eine der schönsten ihres Lebens sein sollte. Eugenie (31) heiratete 2018, glücklicherweise noch vor dem Skandal, ­ihren Mann Jack (35), ist seit einem Jahr Mutter von August. ­Beatrice (33) traf es besonders hart: Sie sagte 2020 Ja zu ihrem Edoardo (37) – nicht nur wegen Corona, sondern auch wegen ­ihres Vaters im kleinen Kreis. Selbst auf dem Hochzeitsbild fehlte er. Ihre Tochter Sienna Elizabeth kam eben erst, am 18. September, zur Welt – ­mitten in den jüngsten Entwicklungen. Ihr Gross­vater sei nach der Geburt nicht angereist, weil er sich da gerade in Schottland «versteckte».

Eine weitere Leidtragende: ­Königin Elizabeth II. (95), die mit den Schlagzeilen um Prinz Harry (37) und der Trauer um Prinz Philip († 99) eigentlich genug zu schultern hat. Dennoch steht sie hinter ihrem Lieblingssohn, bewies das nicht nur mit dem «Asyl» auf Balmoral, das sie ihm gewährte: Jüngst verkündete der Hof, dass Andrew nebst weiteren Familienmitgliedern zu ihrem 70-jährigen Thronjubiläum 2022 mit einer Verdienstmedaille ausgezeichnet werde. Und: Die Queen soll ihren Sohn, der kaum Einkommen hat, mit einer Finanzspritze in Millionenhöhe aus ihrem Privatvermögen unterstützen, damit er die hohen Anwaltskosten zahlen kann.

Wer ist Andrews grösste Stütze?

Keiner kämpft so stoisch an seiner Seite wie Herzogin Sarah (61). Im Juli erst bekräftigte seine Ex-Frau, die im selben Anwesen in Windsor lebt wie er, ihre gute Beziehung. Sie seien das glücklichste geschiedene Paar der Welt. So heizt sie die Gerüchte an, sie würden nochmals heiraten. Das wird wohl nicht geschehen, aber sie bekommt durch die Spekulationen noch mehr Gelegenheit, ihn zu verteidigen. «Er ist ein so freundlicher Mann, ein guter Vater, und es ist eine Freude, wie er nun als Grossvater glänzt.» Er gehe durch «herausfordernde Zeiten», und sie stehe ihm nicht aus einer Verpflichtung heraus bei, sondern weil sie an ihn glaube. «Ich will, dass er das durchsteht, dass er gewinnt.»

Derzeit ist ein Erwachen aus seinem persönlichen Albtraum für Prinz Andrew aber nicht in Sicht. Und selbst wenn er vor Gericht siegt: Die Vorwürfe werden lange an ihm haften bleiben – wenn sie überhaupt jemals in Vergessenheit geraten.