«Das Leben ist lebenswert – egal, was passiert»

Optisch fällt der neue Sänger der Hitgruppe «Heimweh» aus dem Rahmen. Hinter der rockigen Schale verbirgt sich jedoch ein sehr emotionaler Mann mit einem traurigen Schicksal.

Seit drei Jahren wohnt Ralph Güntlisberger (54) im kleinen Dorf Niederwil SO und hat dort kürzlich seine eigene Bar «Ralph’s Place» eröffnet. Der Berner Vollblutmusiker liebt die Natur und schätzt das beschauliche Leben auf dem Land. Die Heimatverbundenheit teilt er mit den Kollegen des Männerchors «Heimweh», mit denen er seit dem Sommer regelmässig auf der Bühne steht.

Geschickt hat Hit-Produzent Georg Schlunegger für sein Herzensprojekt grossartige Stimmen zusammengestellt. Diese interpretieren Geschichten aus dem Leben, wecken Träume. Ralph (auch Räphe genannt) Güntlisbergers eigener Traum zerplatzte durch einen Schicksalsschlag von einer Sekunde auf die andere: Er verlor seine geliebte Frau Jeannette. «Wir waren eine glückliche, kleine Familie.» Sie hätten davon geträumt, ihre Kinder aufwachsen zu sehen, ihnen Geborgenheit und Nähe zu geben, zusammen alt zu werden.

Am 15. Mai 1991 – ein Datum, das er nie mehr vergesse – habe ihm sein Chef ein Handy geliehen. «Auf der Heimfahrt rief ich zu Hause an. Statt meiner Frau meldete sich aber ein Kollege. Er sagte, dass Jeannette nach einem Unfall in der Küche mit dem Baby beim Kinderarzt sei. Sie erwarte mich dort.» In der Praxis habe er dann einen völlig gebrochenen Arzt angetroffen. Er meinte, meiner Tochter, damals sechs Wochen alt, gehe es gut. Sie habe nur eine Beule am Kopf. Aber er müsse mir leider den Tod meiner Frau mitteilen. Sie habe hyperventiliert und sei vor Aufregung, trotz Reanimation, an einem Herzschlag gestorben. Räphe kann nicht weitersprechen, zu stark sind die Emotionen, die hochkommen. Er atmet durch und fasst sich wieder. Leise erzählt er weiter. Für ihn sei eine Welt zusammengebrochen.

Seine Mutter, Schwester und die Schwiegermutter hätten ihn bei der Kinderbetreuung tatkräftig unterstützt, doch sei er oft verzweifelt gewesen. Dann gesteht er:  «Nur die Liebe Gottes im Herzen hat mich davon abgehalten, meinem eigenen Leben und dem meiner Kinder ein Ende zu setzen. Ich bin ausgebildeter Panzer-Grenadier, hatte Waffen im Haus.» Er habe durch Jeannette und eine Zigeuner-Mission zum christlichen Glauben gefunden und sich taufen lassen. «Gott hat mich durch meine wundervollen Töchter gesegnet», sagt Räphe und wischt sich erneut Tränen aus den Augen.

Er hat zu seinen Töchtern Talisa (27) und Sarah (26) sowie Deborah (24), die aus zweiter Ehe stammt, bis heute eine besonders enge Bindung. Talisa und Sarah wuchsen nach der Scheidung von seiner zweiten Frau bei ihm auf. «Wir hatten wenig Geld, aber ich konnte ihnen viel Liebe schenken», sagt Räphe. «Ich bin auch unendlich dankbar für die -Liebe, die ich von meinem Dad erfahren habe.» Harry sei jetzt 82 Jahre alt, und man nenne ihn «The White Satchmo». Er habe ihm die Musikalität vererbt. «Mein Dad ist bis heute, nebst meinen Kindern und meiner Frau Renata, die wichtigste Bezugsperson in meinem Leben.»

Er lacht, nimmt einen Schluck Rotwein und sagt: «Ich bin seit Kurzem wieder glücklich verheiratet. Ich habe drei erwachsene, gesunde Töchter und bin seit zwei Jahren stolzer Grossvater von Lennox – was will ich mehr?» Dann wird er nachdenklich. Das Leben halte viele Überraschungen bereit, und nicht jede könne man verstehen. «Es öffnen sich aber immer neue Türen, und egal, was auch passiert: Jedes Leben ist lebenswert.» Räphe weiss, wovon er spricht.