«Das Glück der anderen färbt ab»

Auch in diesem Sommer geht die Moderatorin wieder auf die Suche nach dem Glück. Ob das Landleben es bringen kann? Das müsste die Thurgauer Bauerntochter eigentlich wissen.

Cheeese! Das vierjährige Mädchen strahlt übers ganze Gesicht, blickt keck in die Kamera – rundum zufrieden mit sich und der Welt. Heute ist das Kind von damals 46 Jahre alt und auf der Suche nach dem Glück – ab 25. Juli im vierteiligen «Re­porter Spezial: Mona Vetsch fragt nach». Die Fragestellung in diesem Jahr: Machen Arbeit, Land­leben, Verzicht und Risiko glücklich? Speziell beim Landleben könnte Mona Vetsch selbst aus dem Nähkästchen plaudern, ist sie doch auf einem Bauernhof in Hattenhausen TG aufgewachsen, damals ein 100-Seelen-Nest. Heute lebt sie mit Mann und den drei Söhnen in der Stadt Zürich.

 

GlücksPost: Waren Sie als Kind auf dem Land so glücklich, wie es auf dem Foto wirkt?

Mona Vetsch: Ja, mega glücklich! Es ist kein Zufall, dass viele Leute, die ich in der Sendung getroffen habe, aufs Land ziehen, wenn sie eine Familie gründen – Bewegungsfreiheit für die Kinder.

Wie haben Sie das in Erinnerung?

Wir hatten viel Freiheit, meine Mutter wusste nie genau, wo ich bin: Hüttenbauen im Wald oder bei den Strohballen? Zu Besuch bei Frau Keller, Frau Schindler oder dem Grosi? Wir hatten so viele Bezugspersonen und ich mehr Grossmütter als nur meine biologische. Das war extrem schön.

Und als Teenager hielt die Begeisterung an?

Nein, da wurde es eng. Du willst in den Ausgang, und zwar nicht nur, bis um halb neun das letzte Postauto fährt. Dann merkst du, dass die Töffli-Reichweite auch begrenzt ist. Du willst Gleichalt­rige treffen, dich ausprobieren, fremde Welten erobern.

Stattdessen mussten Sie auf dem Hof mit anpacken?

Klar, das gehört dazu. Toll fand ich das natürlich nicht: Als Teenager hatte ich andere Interessen als Rungglä butzä.

Bitte was?

Rungglä, Räben. Ich bin aber schon recht früh weg – als ich mit fünfzehneinhalb ins Gymi kam. Pendeln ging nicht, also zog ich ins Wohnheim nach Frauenfeld. Diese Freiheit habe ich genossen. Es gibt halt diese Lebensphasen: Als Kind macht Landleben glücklich, als Teenager oder junge Erwachsene gehst du, später kommt die Sehnsucht zurück. Wobei man das auch hinterfragen muss.

Inwiefern?

Laut Statistik macht die Gemeinschaft glücklich. Die findest du aber nicht überall, schon gar nicht automatisch. Du musst dir Mühe geben, dich einfügen. Und es gibt Konflikte – weil man eng aufeinander lebt oder zwischen den Bauern, die das Land zum Arbeiten brauchen, und den Zuzügern, für die es Freizeit bedeutet. Die Idylle, die gern inszeniert wird, ist nur ein kleiner Teil der Wahrheit.

Dann verspüren Sie selbst mit dem Älterwerden keine Sehnsucht nach dem Land?

Das kommt darauf an, wie man es versteht. In die Natur zieht es mich schon stärker. Aber ich habe die Sorte Land, die mir wichtig ist, in Zürich gefunden. Ich lebe am Stadtrand, sehe ins Grüne, habe meinen Garten, kenne meine Nachbarn und kann barfuss vor die Tür. Es gibt keine Durchgangsstrasse, und meine Söhne können raus, wie sie wollen. Sie werden jetzt halt Stadtkinder (lacht).

Schlimm?

Nein, ich denke, sie wachsen nicht weniger idyllisch auf, als die auf dem Land. Wenn ich sie mit den gleichaltrigen Kindern meines Bruders vergleiche, der Landwirt ist, sehe ich keinen grossen Unterschied. Sie interessieren sich für dasselbe – Fussball, Computerspiele …

Versuchen Sie trotzdem, ihnen Naturverbundenheit zu vermitteln.

Schon, es wird aber unterschiedlich aufgefasst! Dem einen geht’s wie mir früher: Ihn interessiert es gar nicht. Vielleicht kommt das ja noch – und wenn nicht, ist das auch okay. Der andere ist ein Tierfan. Für ihn halten wir bald Hühner. Nach den Sommerferien ziehen sie in unseren Garten ein!

In Ihrer Sendung fragen Sie ja auch, ob Arbeit, Verzicht und Risiko glücklich machen. Gehen wir das kurz durch: Macht Arbeit Sie glücklich?

Sehr! Es ist ein Privileg, mit Menschen darüber zu reden, was sie glücklich macht. Ich habe fest­gestellt: Das färbt ab, macht dich selbst glücklich. Oft denkt man, man muss über Sorgen reden, damit es nicht oberflächlich ist. Nein: Man sollte auch über Positives sprechen.

Und wie steht es um den Verzicht?

Darin bin ich schlecht! Ich bin ein Mensch, der die Fülle liebt, viel und laut darf’s sein. Ich bin quasi die Anti-These zum Eremit (lacht)! Ich verstehe, dass es erleichternd ist, wenige Dinge zu besitzen. Aber ich wüsste nicht, wovon ich mich trennen sollte. Wobei ich nicht verschwenderisch bin. Aus ökologischen Gründen lebe ich bewusst, verzichte privat weitgehend aufs Fliegen.

Macht das Risiko Sie glücklich?

Ja, ich brauche eine gesunde Portion Adrenalin in meinem Leben. Oft bekomme ich die durch den Job. So stand ich für das «Reporter Spezial» mit einem Base­jumper und weichen Knie auf einer 500-Meter-Felswand. Ich sage nicht, dass es vernünftig ist: Aber gegen den Nervenkitzel bin ich nicht immun, ich kann gut nachvollziehen, dass dieser Kick einen glücklich machen kann.

Welches ist das grösste Risiko, dass Sie bisher eingegangen sind?

Schwer zu sagen. Vielleicht ist das grösste Risiko, sein Herz zu verschenken. Zu lieben und Kinder zu haben? Das macht dich verletzlich. Früher war mir dieses Risiko nicht bewusst, weil ich sicher war, dass alles gut kommt. Heute, wenn man so herumschaut, merkst du: Nichts ist sicher.

Hat sich durch Ihre Sendung Ihr Glücksempfinden verändert?

Was ich auf jeden Fall gelernt habe: Sich auf das Positive in seinem Leben zu konzentrieren statt auf Dinge, die besser sein könnten, macht glücklich. Tönt simpel, ist aber nicht leicht, sogar anstrengend!