Dankbar trotz der grossen Trauer

Der Tod ihres Mannes Heinrich von Grünigen hinterliess eine schmerzhafte Lücke im Leben der Radiomoderatorin. Trost spenden ihr die Familie, Musik – und die schönen Erinnerungen.

Sorgfältig sucht Verena Speck (79) in einer Kiste voller Schallplatten und hält die gesuchte Scheibe sogleich in den Händen. «Insgesamt habe ich über 20 000 Stück hier», verrät sie.

Seit 2017 betreibt die ehemalige Co-Leiterin der DRS-Musigwälle 531 ihren eigenen Plattenladen (www.platten-laden.ch; www.shoprosa.ch) in Zürich-Oerlikon. Hier verkauft sie Schallplatten aus zweiter Hand. Spezialisiert hat sie sich auf Schelllack-Platten. Wie es dazu kam? 2002 liess sich die Zürcherin beim Radio pensionieren. Als «Musikmamsell» erfüllte sie fortan Musikwünsche in Altersheimen, später legte sie den Fokus ganz auf den Laden und die ­Online-Shops.

Ob ihr die Einsätze hinter dem Mikrofon fehlten? «Nein, ich habe meinen Entschluss nie bereut», erklärt sie. «Ich war auch keine, die sich danach noch in die Redaktion eingemischt hätte.» Dass der Sender, der seit 2012 unter dem Namen SRF-Musikwelle läuft, am 1. Oktober das 25-Jahr-Jubiläum gefeiert hat, kann Speck, die beim Start 1996 dabei war, nicht glauben. «Es ist so lange her! Es hat sich viel geändert. Helene Fischer und Andrea Berg sind anders als die Künstler zu meiner Zeit. Nicht ganz meine Musik», sagt sie und schmunzelt.

Doch: Nicht nur die Erinnerungen an die Jahre als Moderatorin verbindet sie mit der Musikwelle. 1973 heiratete sie deren Mitbegründer Heinrich von Grünigen († 80). Mit ihm hat sie Sohn Bernhard (46) und Tochter Franziska (43). «Ich habe ihn bei der Arbeit im Radiostudio Bern kennen und lieben gelernt», erzählt sie. «Er war ein witziger und gescheiter Mann, ich fühlte mich sehr wohl bei ihm.»

Umso schlimmer für Speck, dass sie Heini am 27. August für immer gehen lassen musste. «Ab Juni ging es ihm körperlich nicht mehr gut. Er hatte Mühe mit Laufen und ­Atmen», erinnert sie sich. Der Ex-Programmleiter des vormaligen Schweizer Radios DRS 1 litt an Fettleibigkeit, wog teilweise 180 Kilo. Über Jahre engagierte er sich für die Schweizerische Adipositas-Stiftung. Er ging täglich zur Arbeit, so auch an jenem August-Tag. «Er wollte mit mir mittagessen, hatte beim Asiaten sein Lieblings­essen, knusprige Ente, bestellt», so Speck. Abends schaute das Ehepaar einen Film. Bis Heini seiner Frau mitteilte, dass er auf die Toilette müsse – und nicht zurückkam. «Ich ging nachschauen. Da sass er angelehnt. Er reagierte nicht, wirkte aber entspannt.»

Die einstige «Spielhaus»-Moderatorin rief die Ambulanz. Diese teilte ihr mit, dass Heini bei einer Reanimation mit Hirnschäden rechnen müsse. «Also liess ich meinen Mann gehen», sagt sie traurig. Auch, weil es so in seiner Patientenverfügung stand. Mit Tränen in den Augen fügt Verena Speck an: «Ich weiss nicht, ob er eine Vorahnung hatte und deshalb noch sein Lieblingsessen bestellte, obwohl es nicht seiner Diät entsprach.»

Besonders die Zeit nach Heinrichs Tod war schwer für die Rentnerin. «Man muss so viel erledigen, das ist gestört», meint sie. Auch Existenzängste haben sie geplagt. «Er war schliesslich derjenige mit gutem Lohn und guter Rente.» Kraft fand Verena Speck in der Musik. «Ich habe viel argentinischen Tango gehört.» Und es gehe anderen Menschen schlimmer als ihr. «Heini hatte ein schönes Leben, wir hatten ein schönes Leben. Viel mehr kann man sich nicht wünschen.»

Und sie erfährt viel Unterstützung von Sohn und Tochter, die beide ebenfalls beim Radio arbeiten. «Das freut mich extrem», sagt sie. Auch ihre fünf Enkelkinder spenden ihr Trost. «Sie kommen oft in meinen Plattenladen und hören Märchen», erzählt die «Musikmamsell» belustigt.

Ob Speck sich Gedanken über die Zukunft ihres Ladens macht? «Momentan ist alles noch offen», sagt sie. Und ergänzt: «Ich habe mir einen guten Namen gemacht,  viele nette Kunden gewonnen. Mal schauen, was noch kommt.»