Dank seiner Familie bleibt der Überflieger am Boden

Ski-Star, Publikumsliebling, Frauenschwarm: Für den Nidwaldner könnte es nicht besser laufen. Oder doch? Für die kommende Saison ist er in Topform und sagt: «Es geht immer mehr!»

Seine Schultern sind breiter, sein Körper athletischer, seit ihn die GlücksPost das letzte Mal getroffen hat. Da wohnte er noch zu Hause, sein Vater, Förderer seines Sohnes von Kindesbeinen an, stand ihm bei den Fragen der Journalisten zur Seite. Nun ist Marco Odermatt ausgeflogen, wohnt mit einem Freund in einer WG. «Irgendwann ist es Zeit, zu gehen. Ich bin immer noch viel bei meiner Familie. Aber der Abstand tut auch gut», sagt der Spitzen-Skifahrer.

Das Schweizer Fernsehen dreht bei unserem Besuch gerade eine Reportage über den Zweitbesten im letzten Gesamtweltcup, zeigt seine diversen weiteren sportlichen Hobbys wie etwa Tennis. Am nächsten Tag werden sie ihn beim Wakeboarden begleiten. Neben dem Schnee- ist Wassersport seine Leidenschaft, letztes Jahr machte er die Bootsprüfung. Nach dem Drehtag wirkt der 23-Jährige immer noch entspannt. Öfter zieht er seine Kappe kurz aus und fährt sich durch die langen, blonden Haare. Mit dem gestählten Körper sieht er aus wie ein Adonis. Die Frauenherzen dürften höher schlagen bei seinem Anblick. Ein Thema, das Odermatt etwas verlegen macht: «Ja, ich habe schon weibliche Fans», sagt er ­bescheiden – immer noch der bodenständige Nidwaldner. Seine Freundin störe das allerdings nicht. Sie kennen sich seit dem Kindergarten, Vertrauen auf beiden Seiten. In Marcos Position nicht unwichtig: «Wenn man ­seinen Partner von früher kennt, hat man die Gewissheit, dass es kein Mitläufer ist.» Mitlaufen möchten viele mit diesem ehrgeizigen Sportler, welcher der Ski-Nation Schweiz neue, lange vermisste Höhen beschert. Skitrainer-Legende Karl Frehsner (82) hält ihn für ein Ausnahme­talent und ist nicht der Einzige, der in Superlativen von Odermatt spricht. Dieser bleibt ob der ­Lobeshymnen gelassen: «Solche Aussagen geben mir zwar eine ­gewisse Bestätigung und Selbstvertrauen, doch schliesslich weiss jeder: Es kann immer nach oben und unten gehen.»

Odermatt rühmt lieber seine Mannschaftskollegen: «Wir haben eine gute Gruppendynamik, es harmoniert.» Sie seien ein enges Team, das sich gegenseitig motiviere. «Weil mehrere Fahrer stark sind, sagst du dir: ‹Wenn es bei ihm läuft, geht das auch bei mir.›»  Trotzdem steht der Stärkste im Fokus von Fans und Medien. Auch die für das Einkommen wichtigen Sponsoren stehen bei Odermatt Schlange. Eine weitere Krönung für ihn: Er ist der erste Schweizer Ski-alpin-Fahrer, der von Red Bull unter Vertrag genommen wurde. Der österreichische Konzern unterstützt die jeweils Besten ihrer Sportart – und zwar in jedem Bereich. Das beginnt mit Trainingsmöglichkeiten in ultramodernen Fitnesscentern, Leistungs- und Körpertests und Zugang zu den neusten Analyse-Methoden. Ab der kommenden Saison wird er einen Helm im Design der Getränkemarke tragen. «Das ist eine Auszeichnung, die geben sie nicht jedem», freut sich Odermatt. «Nur die Besten tragen ihn.» Seine Augen leuchten.

Und es geht noch weiter: Red Bull hat eine Dokumentation über Odermatt und Team-Kollege, Slalom- und Riesenslalom-Spezialist Loïc Meillard (24), gedreht. Der Film wird im Oktober im Schweizer Fernsehen gezeigt und soll ab diesem Herbst bei Netflix zu streamen sein. «Das ist sehr cool, dass ich da dabei bin», schwärmt Odi. Nicht so cool findet er den Verlust der Privatsphäre. «Aber das ist halt der Preis, den man zahlt.» Das Drum und Dran habe er unterschätzt: «Als Kind denkst du nur ans Skifahren. PR, Medientermine, Auftritte für Sponsoren und all das sind schon ein ziemlicher Mehraufwand.» Aber auch das bringt ihn nicht aus der Ruhe. Seine Gelassenheit schreibt Odermatt dem Verlauf seiner Karriere zu. «Das war ein Prozess, der mit dem Interesse an Skirennen begann.» Dann kam die Junioren-WM 2018, wo er Gold in fünf Disziplinen holte – Rekord! «Es ging immer schön weiter, ich bin nie ins kalte Wasser gesprungen.» Zudem sei da seine Familie, die ihn schön geerdet halte.

Im Hinblick auf die kommende Saison ist Marco in Form wie nie: «Die Kondition ist bestens, ich bin gesund, habe viel trainiert. Da ich nicht verletzt war, konnte ich zum ersten Mal den vollen Körperaufbau machen. Man kann sich immer verbessern, es geht immer mehr.» Eine Ansage an die Konkurrenz. «Mein Ziel für 2021/22 ist es, möglichst lange um die Kugeln im Weltcup mitzufahren.» Welche den anderen Trophäen in Marcos Kinderzimmer im Elternhaus Gesellschaft leisten könnten.