Bittere Rückkehr ins vermeintliche Paradies

Ein freies Leben mit Herzogin Meghan: Davon träumte der Prinz. Doch statt dies zu geniessen, hat er es schwerer denn je. Denn an der Beerdigung seines Grossvaters wurde klar: Er hat mehr zerstört, als er erwartet hatte.

Bis zu den Knöcheln steht Harry (36) im Wasser und wirft Bällchen für Hündin Pula. Traurig anzusehen: Sein Vierbeiner entlockt ihm nur selten ein Lächeln, der Prinz wirkt einsam und in sich gekehrt. Sicher: Es ist ein zufälliger Einblick in sein Leben, der vor rund einem Monat entstand, trotzdem illustriert er das Dilemma gut, in dem Harry steckt. Er lebt einerseits die neue Freiheit, andererseits ist in seinem privaten Paradies längst nicht alles so rosig, wie er und Meghan (39) es sich ausgemalt hatten.

Und in diesen Tagen wird er das deutlicher spüren denn je. Denn wie immens der Bruch mit seiner Familie tatsächlich ist, wurde ihm bei der Beerdigung von Prinz Philip († 99) nochmals vor Augen geführt. Die Hoffnung war gross, dass das Wiedersehen und die gemeinsame Trauer ihn, Prinz William (38) und Prinz Charles (72) wieder näherbringt. Beim britischen Volk, das vor allem die Brüder als Einheit kannte, die sich seit dem Tod ihrer Mutter Diana Halt gaben. Aber auch bei Harry selbst. Im jetzt schon legendären Oprah-Winfrey-Interview Anfang März erzählte er von seinem Schmerz und gab zu, dass er sich fallengelassen fühle. Speziell von Prinz Charles, der nicht mehr mit ihm sprechen wollte, und von Prinz William, der auf anderen Pfaden unterwegs sei. Er betonte aber, dass er nun alles daran setze, diese Beziehung zu heilen. Und selbst von Quellen aus Meghans Umfeld heisst es: «Sie ist bereit zu vergeben und vorwärtszugehen.» Jetzt war – wenn auch aus traurigem Anlass – die Möglichkeit zu einem Schritt in Richtung Versöhnung da. Doch der hätte kaum kleiner ausfallen können.

Was ist in dieser Hinsicht während Harrys Tagen in seiner Heimat passiert? Es soll Krisengespräche zwischen ihm, William und Charles gegeben haben, wenn auch nicht sehr ausgiebige. Auch mit deren Ehefrauen Catherine (39) und Camilla (73) hätten sie sich zusammengesetzt. Während der Abdankung selbst wurde von Königin Elizabeth II. (95) darauf geachtet, dass der Fokus ganz beim Verstorbenen liegt. Deshalb liefen die Brüder beim Trauerzug nicht nebeneinander. Erst nach dem Gottesdienst sah man sie zusammen. Ihr Gespräch drehte sich laut Lippenlesern nur um die Beerdigung, dass diese Philip gefallen hätte. Insgesamt schlug Harry viel Kälte entgegen. So hätten etwa Prinz Edward (57) und Prinzessin Anne (70) den «abtrünnigen» Neffen frostig empfangen. Viel besser ging es auch nicht weiter, bis er drei Tage später abreiste. Kurz vor dem Geburtstag der Queen, den sie aber ohnehin nicht feierte. «Auch wird sie nicht in der Stimmung für ein Krisengespräch gewesen sein», sagte Royal-Expertin Ingrid Seward. Ob er Charles nochmals getroffen hat, wird bezweifelt. Denn dieser wie auch William haben sich, auch Philip zuliebe, zwar bemüht, aber sie sind immer noch erschüttert wegen des TV-Interviews. Ihr Vertrauen ist dahin.

Zur Erinnerung: Meghan und Harry äusserten Rassismus-Vorwürfe und klagten, dass sie (die ja eigenständig sein wollten) keine finanzielle Unterstützung für Security erhalten. Zudem sei Meghan nicht geholfen worden, als sie psychisch am Ende war. Harry meinte, er sei «der Falle des Systems entkommen», während Bruder und Vater noch darin feststecken würden.

Er ist nun raus aus der «Falle», weder Palastmauern noch royales Protokoll schränken ihn ein. Er schätze es, einfach nach draussen gehen zu können, erzählte er. «Für einen Spaziergang mit der Familie, mit den Hunden. Wir gehen wandern oder an den Strand, der sehr nahe ist.» Und vor allem: Bald bekommt Sohn Archie, der am 6. Mai zwei Jahre alt wird, sein Geschwisterchen. Das Mädchen soll Ende Frühling – also schon bald – zur Welt kommen. Auch beruflich läuft es gut: Harry ist in der Geschäftsleitung von BetterUp; das Unternehmen bietet Firmen an, die Leistungsfähigkeit von Mitarbeiten­den durch Coachings zu verbessern. Und kürzlich kündigte seine und Meghans Pro­duktionsfirma für 2022 ihre erste Netflix-Serie an, die sich um die von ihm initiierten «Invictus Games» für Kriegsversehrte drehen wird. Nur: Harry sind seine Frau und Archie zwar das Wichtigste, aber ansonsten steht er alleine da. Meghan hat ihre US-Freunde, seine alten Weggefährten haben sich angeblich schon kurz nach der Hochzeit mit Meghan zurückgezogen, weil sie mit ihr nicht zurechtkamen. Und die Familie ist ihm emotional ferner, als er sich je hätte vorstellen können. Im Interview den Ärger loswerden, Zeit verstreichen lassen, und alles ist wieder gut: Das funktioniert nicht. Zwar leiden auch William und Co. unter der Situation, aber sie tun es zusammen. Harry hat Meghan, aber die Beziehung zu den Menschen, die sein Leben jahrelang als einzige wirklich verstanden haben, kann auch sie nicht ersetzen. Während sich seine Frau in Grossbritannien einsam gefühlt hatte, ist es jetzt er. Schon letztes Jahr hiess es, Harry fühle sich isoliert, das ist nun noch schlimmer geworden.

Der nächste «Heimaturlaub» wird am 1. Juli sein, dem 60. Geburtstag von Prinzessin Diana († 1997). Dann enthüllen Harry und William im Kensington-Palast eine Statue von ihr. Dass dieses Treffen mehr Annäherung bringt als das letzte, darf bezweifelt werden, speziell zwischen den Brüdern. Palast-Expertin Amanda Platell von der «Daily Mail»: «Meghans Freunde gaben zu verstehen, dass sie und Harry bereit seien, zu verzeihen. Ich befürchte, bei William und Catherine könnte es – wenn überhaupt – noch Jahre dauern.»

Haben sie die Konsequenzen ihres Handelns unterschätzt? Harry und Meghan wären bereit für Frieden. Die Königsfamilie kann den beiden das Skandal-Interview aber nicht verzeihen. (Foto: CBS)