«Bei der Migros lernte ich Schwiizertüütsch»

40 Jahre im Showgeschäft: Welche Spuren das bei ihr hinterlassen hat, verrät die TV-Frau in ihren Memoiren. Darin erzählt sie auch, was sie mit der Schweiz verbindet.

Von Kollegen wie Rudi Carrell (†) oder Jürgen von der Lippe (70) wurde sie beschimpft. Von TV-Bossen über den Tisch gezogen. Doch Moderatorin Marijke Amado (65) blickt in ihrem Buch «Frauen in den Medien» nicht im Zorn zurück. Es ist ein Buch über die Wandlung der Geschlechter-Beziehung in der Showbranche, gespickt mit persönlichen Anekdoten und Erinnerungen – unter anderem an die Zeit mit ihrem Schweizer Mann.

GlücksPost: Weshalb schreiben Sie jetzt über Frauen in den Medien?

Marijke Amado: 2018 war mein 40-jähriges Jubiläum beim Fernsehen. Ich fand, das wäre ein guter Zeitpunkt. Sehen Sie, jede Frau, die in der Unterhaltung tätig ist und war, ist eine Einzelkämpferin – aber wir haben die Dinge verändert. Es ist zwar immer noch nicht so weit, wie es sein sollte. Aber es ist viel passiert. Und das habe ich niedergeschrieben als Lob für die Frauen meiner Generation, die das alles durchgesetzt haben.

Sie schreiben, dass Sie lediglich schmückendes Beiwerk waren als Frau in Rudi Carrells Show «Am laufenden Band».

Eine Frau hatte nichts zu sagen. Als ich bei Rudi 1978 anfing, war alles in Männerhand. Es gab keine einzige Regisseurin, Kamerafrau, Aufnahmeleiterin oder Technikerin. Rudis Wutausbrüche waren legendär. Ich wollte einmal mein komisches Talent, das ich während meiner Zeit als Reiseleiterin auf Kreuzfahrtschiffen ausgefeilt habe, einbringen. Er schrie mich an: «Ich bin der Komiker, nicht du!» Bei der nächsten Ausgabe bestrafte er mich auch noch, indem er mir eine unsägliche Rolle als Leiche zuteilte.

Nicht nur Carrell, auch Leute seiner Crew haben Sie beschimpft.

Einmal wurde mir mitgeteilt, dass ich nicht mit meinem «fetten Arsch in die Kamera laufen soll» – damals hatte ich Kleidergrösse 34/36. So war die Stimmung. Keiner hat sich gewundert oder das hinterfragt. Auch beim «WWF Club» waren meine beiden Mitmoderatoren nicht zimperlich: Planschkuh nannten sie mich. Oder Jürgen von der Lippe sagte, wenn ich bei der Probe ins Bild
geriet: «Tu sie weg.»

Sie wurden ein paar Mal richtig über den Tisch gezogen. So haben Sie die niederländische Vorlage der «Mini Playback Show» an RTL verkauft. Bezahlt wurden Sie aber nie für das Vermitteln dieses Kassenschlagers. Waren Sie zu naiv?

Für mich galt immer: Wenn jemand etwas sagt, dann ist das auch so. Deshalb bin ich auf die Nase gefallen. Erfolgreiche Frauen haben oft einen starken Mann neben sich, der das mit den Verträgen regelt. Doch das hatte ich nicht. Als die Niederländer mir das Blaue vom Himmel versprachen für meinen Einsatz, glaubte ich ihnen. Gesehen habe ich nie etwas. Die Männer hatten ihre Seilschaften und reichten sich gegenseitig die Hand.

Ihr Name ist untrennbar mit der «Mini Playback Show» verbunden.

Das war eine wunderbare Sendung. Die Kleinen hatten so viel Freude. Beim Umgang untereinander in der «Mini Playback Show» war viel Gefühl dabei. Ich vermisse das Herz und das Einfühlungsvermögen bei heutigen Sendungen wie «The Voice of …», da geht alles viel härter zu. Und es fehlen die schönen Kabinettstückchen, die das Herz berühren.

Auch in der Schweiz kennt Sie jeder wegen der «Mini Playback Show».

Oh, ich liebe die Schweiz. Grüssen Sie mir alle Schweizer! Da fällt mir gerade etwas ein: Im Buch habe ich geschrieben, dass mein Auszeichnungs-Schrank trotz meiner Erfolge leer geblieben ist. Aber das stimmt gar nicht! Ich habe einen TV-Preis aus der Schweiz erhalten – mein einziger!

Sie lebten eine Zeit lang in Zürich.

Mein erster Mann war Tessiner. Von ihm habe ich den Nachnamen Amado behalten. Ich lebte von 1979 bis 1984 mit ihm in und um Zürich. Doch leider verbinde ich mit dem Ort Erinnerungen an eine schreckliche Zeit: Mein Mann hatte mir am Fusse des Üetlibergs gerade einen Heiratsantrag gemacht. Vor lauter Übermut wollte er eine Rolle machen über ein nahe stehendes Fussballtor. Er zog sich an der Querlatte hoch. Doch das Tor war nicht verankert und fiel voller Wucht auf sein Gesicht. Die Haken bohrten sich quer in seinen Kopf. Ich verbrachte Monate im Spital, da wurde mir sehr viel abverlangt.

Was passierte mit der Ehe?

Meinen Mann zog es in die Welt hinaus. Aber wir blieben Freunde.

Sie haben den Schweizer Pass.

Nicht mehr! Um ihn zu bekommen musste ich neben einem -Intelligenztest und einem Erste-Hilfe-Kurs auch einen Sprachkurs in «Schwiizertüütsch» bei der Migros belegen. Ich kann also eure Sprache (sie demonstriert es perfekt). Aber ich musste den Pass jedes Jahr erneuern lassen. Wenn man nicht mehr in der Schweiz wohnt, vergisst man das irgendwann.

Seit Sie 1998 in der «Mini Playback Show» als Moderatorin ersetzt wurden, sind Sie hauptsächlich in Sendungen wie «Promi Shopping Queen», «Promi Big Brother» oder «Let’s Dance» zu sehen.

Das ist die Entwicklung für Frauen ab 40 im Showgeschäft. Alle, die Unterhaltung gemacht haben, erhalten diese Anfragen zum Kochen, Backen, Shoppen … Es gibt wenige Chancen, sonst irgendwo einzusteigen. Das ist ungerecht, denn wir haben unser Fach gelernt, wir können etwas und unser Hirn funktioniert. Trotzdem werden wir in der Ausübung unserer Tätigkeit blockiert.

Auch in den Niederlanden?

Als ich beim Fernsehen angefangen habe, war der Krieg noch nah und die Animositäten gross. Ich bin nicht den klassischen Weg
gegangen – zuerst im heimischen TV und dann weiter nach Deutschland. Ich habe direkt in Deutschland angefangen. Für die Niederländer war ich deshalb eine Verräterin. Es ist keine leichte Zeit für mich, man muss ständig kämpfen.

Sie wohnen heute in Belgien, an der Grenze zu Maastricht NL.

Das ist ein sehr spannender, internationaler Ort. Ich bin total happy mit dem, was ich habe: Ich lebe auf dem Land mit einem Pferd, Hunden, Katzen. Alt werden würde ich allerdings gerne im Tessin, es ist so schön da, wunderbar. Doch da muss ich erst noch etwas Geld verdienen. Ich spiele fleissig Lotto – vielleicht habe ich Glück!