Jetzt gehört seine Zeit der Familie

Roger Federer gab ihm das Exklusiv-Interview zu seiner Rückkehr auf die Tour 2021. Er wusste, es wird das letzte professionelle Gespräch.

Ich wäre blöd, wenn ich die Zeit nicht nutzen würde mit meiner grossartigen Frau Ursula», schwärmt Bernhard Schär. Wir gehen ein Stück durch den Wald, gleich hinter dem Familienheim in Küngol­dingen AG. Ursula hat ein ziemliches Tempo drauf und läuft vorne weg mit Sohn Jonas (18). Wandern, Ski fahren und Tennis sind die gemeinsamen sportlichen Leidenschaften der Schärs. Seiner acht Jahre jüngeren Gattin käme er allerdings nicht mehr nach bei den körperlichen Ertüchtigungen, gesteht er schmunzelnd.

«Berni» Schär, der legendäre Sportredaktor- und -reporter von Radio SRF, steht kurz vor seiner Pensionierung – am vergangenen Wochenende feierte er im Fami­lienkreis seinen 65. Geburtstag. Am 30. 4. ab 6 Uhr wird seine markante Stimme auf Radio SRF 3 ein letztes Mal über den Äther gehen. Er könnte sicher noch weitermachen. Doch er hat sich bereits bei seinem Einstieg ins Berufsleben vorgenommen: «40 Jahre 100 Prozent arbeiten – und gehen, wenn ich glücklich und noch gut drauf bin.» Sein dritter Lebensabschnitt soll der Familie gehören.

33 Jahre lang war Schär als Sportreporter praktisch das ganze Jahr unterwegs: im Sommer auf der Tennis-ATP-Tour, im Winter an den Austragungsorten des Ski-­Weltcups, hinzu kamen 15 Olympische Spiele und 16 Ski-­Alpin-Weltmeisterschaften. Dass der Vater und Ehemann so oft abwesend war, sahen Ursula und Jonas nie als Problem. «Ursula ist eine sehr selbständige Frau. Sie ist mein Anker. Ohne diesen Boden wäre es nicht gegangen.» Sie bestärkte ihn darin, seiner Leidenschaft nachzugehen. Motivierte ihn, wenn er mit neuen Ideen kam.

Jonas litt ebenfalls nicht unter der Abwesenheit des Vaters: «Ich freute mich immer, wenn er da war. Man merkte stets, wie glücklich ihn seine Arbeit macht, und das brachte er mit nach Hause.» Trotz seines immensen Tenniswissens war es nicht Berni, sondern Ursula, die die sportlichen Ambitionen des Sohnes unterstützte. Seit er fünf Jahre alt ist, spielt Jonas Tennis. Ursula, die ihr Arbeitspensum als Pflegefachfrau in der Psychiatrie den Bedürfnissen ihres Sprösslings anpassen konnte, begleitete Jonas an Tur­niere im In- und Ausland. «Mama war mein Coach», sagt Jonas. Auch Ursula ist eine gute Tennisspielerin, «auf Freundschaftsniveau», wie sie bescheiden relativiert. Während sein Sohn sich zum U-18-Schweizermeister spielte, war Berni auf Sendung – schaute aber immer wieder auf seinem Handy, wie es bei Jonas lief. «Ein Online-­Journalist neben mir sagte: Ich glaube es nicht! Du kannst tatsächlich gleichzeitig live kommentieren und mit deinem Sohn mitfiebern!»

Das ist Teil von Schärs Erfolgsgeheimnis: Der ehemalige Mathematik- und Geographie-Lehrer ist ein wahrer Multitasker. Er kann Informationen speichern und abrufen wie kein Zweiter. Abfahrts-­Weltmeister Beat Feuz (34) erwähnt anerkennend, er habe Berni noch nie mit einem Notizzettel gesehen. Hinzu kommt das Auftreten des Journalisten: immer vorbereitet, informiert, pünktlich, höflich, schnell. Er habe auch schon auf ein Interview mit Roger Federer verzichtet, wenn er dachte, es sei nicht der richtige Moment für ein Einzelgespräch. Schär: «Ich war rücksichtsvoll genug, um zu wissen, wann ich mich besser zurückhalte.»

Federer ist ein Thema, das Schär immer begleiten wird. Manch anderer Medienschaffende beneidet ihn um den Kontakt zum Jahrhundertspieler und dessen Familie. «Als ich 1991 bei Radio DRS anfing, wurden die Sportarten verteilt. Ich war damals gerade auf eine Martina Hingis aufmerksam geworden, deren erste Erfolge die Kollegen nicht wahrgenommen hatten», erinnert sich Berni. «Als sich bei Tennis niemand meldete, tat ich es. So kann ein Handaufhalten das ganze Leben verändern.» Auch auf Federer wurde Schär aufmerksam, als noch kaum jemand mit ihm rechnete. Junge Talente zu erkennen, ist eine weitere Qualität, die ihm in seiner Karriere hilfreich war.

Die berufliche Beziehung zu Federer war immer gekennzeichnet durch gegenseitigen Respekt und Wertschätzung. Dies zeigte sich insbesondere in den zahlreichen Einzelinterviews, die ihm vom Weltsportler gewährt wurden. Das letzte Gespräch entstand im Februar, als Federer in Doha auf die ATP-Tour zurückkehrte, nachdem er monatelang wegen Knieproblemen hatte pausieren müssen. Bernhard Schär wurde daraufhin weltweit zitiert.

Dies war nicht die einzige Danksagung aus der Welt des Sports an einen ihrer leidenschaftlichsten Berichterstatter. Die Kommode im Wohnzimmer ist voller Geschenke, Auszeichnungen und Ehr­erweisungen. Sogar eine Schlüsselstelle der Beltrametti-Strecke auf der Weltcup-Abfahrt in Lenzerheide wurde nach Berni Schär benannt. Das ist für einen Journalisten weltweit einzigartig.

Für alle, die mehr über den wohl letzten Schweizer Radio-­Sportreporter alter Schule wissen möchten, der mehreren Genera­tionen mit seinen leb- und fieberhaften Kommentaren das Geschehen auf Piste und Court näherbrachte: Am Montag, 26. April, blickt Bernhard Schär in «Treffpunkt» zurück auf seine Karriere (10 Uhr, Radio SRF 1).