Woher kommt das Stechen im Bauch?

Jede zehnte Frau leidet an chronischen Unterbauchschmerzen. Oft führt das bei den Betroffenen zu einem allgemein höheren Schmerzempfinden.

Unterleibsschmerzen sind Beschwerden, die im untersten Teil des Rumpfes auftreten, im Bereich unter dem Bauch und zwischen den Hüftknochen. Der Schmerz kann krampfartig oder stechend sein sowie intervallmässig auftreten. Und: Er kann chronisch werden. «Mehr als jede zehnte Frau leidet an Unterbauchschmerzen, die die Lebensqualität oft über lange Zeit beeinträchtigen», sagt Anja Wüest, Oberärztin Gy­näkologische Endokrinologie/Re­pro­duktionsmedizin an der Uni­versitätsklinik für Frauen­heil­kun­de am Inselspital Bern.

Dr. med Anja Wüest, Gynäkologin.

Ursache oft unklar

Von chronischen Unterbauchschmerzen spricht man, wenn diese länger als drei Monate bestehen. Deren Ursache ist oft unklar, und sie müssen daher fundiert abgeklärt werden. Die Schmerzen können sowohl zyklisch (im zeitlichen Zusammenhang mit der Menstruation) als auch situations­bedingt auftreten.

Am häufigsten führt die Endometriose zu chronischen Schmerzen im Unterbauch. «Dabei handelt es sich um ein weit verbreitetes Frauenleiden, bei welchem sich gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe auch an anderen Stellen im Unterleib als in der Gebärmutter bildet», so Anja Wüest. Starke Menstruationsschmerzen, welche ohne Schmerzmittel nicht aushaltbar sind und auf eine Endometriose hindeuten, können bereits nach der ersten Menstruation (Menarche), also im Jugendalter, auftreten.

Schmerzen durch Verwachsungen

Aber auch Myome (gutartige Tumore in der Gebärmutter) oder Eierstockzysten können zu Unterbauchbeschwerden führen. Ein weiterer Grund für die Schmerzen sind chronische Entzündungen des Beckens oder Verwachsungen im Bauch nach Entzündungen oder Operationen. «Im Sinne einer Narbenbildung können sich bindegewebige Strukturen bilden, die man Adhäsionen nennt.» Diese Verwachsungen rufen Schmerzen hervor, weil sie aus anderem Gewebe bestehen und beispielsweise eine geringere Dehnbarkeit aufweisen als das Ursprungsgewebe. Entzündungen in der Blase, ein Reizdarm oder chronische Verstopfung sind zudem weitere Gründe für chronische Unterleibs­beschwerden.

Bestehen die Schmerzen im Bauch über mehrere Monate oder Jahre, kann dies zu einem chronischen Beckenbodensyndrom (chronic pelvic pain syndrom, CPPS) führen. Dabei empfinden die Patientinnen invalidisierende Bauchschmerzen, ohne dass ein Trauma oder eine Infektion vorliegt. «Häufig begegnet uns Gynäkologinnen das CPPS als Folge einer unbehandelten Endometriose», so die Ärztin.

Wichtig ist es, wiederkehrende Unterbauchbeschwerden medi­zinisch abklären zu lassen. «Schwer­wiegende Erkrankungen wie beispiels­weise Eierstock-­ oder Darmkrebs müssen ausgeschlossen werden können», sagt Anja Wüest. Auch eine Endome­triose sollte erkannt und entsprechend behandelt werden. Oft stehen hinter den chronischen Schmerzen auch psychische Faktoren wie Stress, Angst oder lang anhaltende psychische Belastungssituationen. Frauen, die an einer Endometriose leiden, ­haben beispielsweise ein höheres Schmerzempfinden. Fach­ärztin Wüest erklärt: «Durch den chro­nischen Schmerz wird ein sogenanntes Schmerzgedächtnis gebildet, was dazu führt, dass sich der Schmerz verselbständigt.» Dieser kann dann auch mit entsprechenden Medikamenten nicht mehr zufriedenstellend bekämpft werden, was in Arbeitsunfähigkeit und Schul­absenzen mündet.

Bei Patientinnen mit chronischen Unterbauchschmerzen führt laut Anja Wüest daher ein sogenannt multimodales Behandlungskonzept ­am ehesten zum Erfolg. «Dabei werden medizinische, physiotherapeutische und psychologische Massnahmen kombiniert.»