Wenn nachts die Luft wegbleibt

Etwa eine Million Menschen leiden in unserem Land unter Atempausen während des Schlafes. Es sind bei Weitem nicht nur Männer, es trifft auch Frauen. Schlafapnoe kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben, lässt sich aber behandeln. Wir befragten dazu Dr. Werner Strobel, Leitung Schlaflabor des Universitätsspitals Basel.

GlücksPost: Was versteht man unter Schlafapnoe bzw. OSAS (Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom)?
Dr. Werner Strobel: Unter obstruktiver Schlafapnoe versteht man das gehäufte Auftreten von Atempausen im Schlaf aufgrund einer Engstellung im Rachenbereich. Mehr als fünf Atempausen pro Stunde Schlaf gelten als nicht mehr normal, von einer schweren Schlaf­apnoe spricht man bei über 30 Atempausen pro Stunde Schlaf.

Was sind die Ursachen dafür?
Der mit Abstand wichtigste Risikofaktor für Schlafapnoe ist Über­gewicht. Kieferfehlstellungen (z. B. Retrognathie, «Unterbiss») und grosse Mandeln können ebenfalls zu Schlafapnoe führen. Ebenso alle Erkrankungen, die zu einer Erschlaffung der Muskulatur beitragen (Lähmungen der Rachenmuskulatur aufgrund von Schlaganfall und Muskelerkrankung), aber auch Alkohol und bestimmte Schlaf­mittel (sog. Benzodiazepine).

Welches sind typische Symptome von Schlafapnoe? Und unterscheiden sie sich bei Männern und Frauen?
Hauptsymptome sind Schnarchen, beobachtete Atempausen, schlecht behandelbarer hoher Blutdruck, nicht erholsamer Schlaf und eine oft ausgeprägte Tagesschläfrigkeit. Dazu Stimmungsschwankungen, Konzentrationsstörungen und Antriebsmangel. Bei Frauen stehen oft Ein- und Durchschlafstörungen, depressive Symptome und eine allgemeine Müdigkeit im Vordergrund. Nach der Menopause nähern sich die Symptome denen der Männer an.

Welche gesundheitlichen Risiken sind damit verbunden?
Schlafapnoe ist ein Risikofaktor für Schlaganfall, plötzlichen Herztod und eine ganze Reihe anderer Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine unbehandelte schwere Schlaf­apnoe verkürzt die Lebenserwartung. Sie führt oft zu deutlicher Schläfrigkeit, zu Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit. Deshalb sollten Patienten mit unbehandelter Schlaf­apnoe nicht als Chauffeure tätig sein.

Wie können Betroffene feststellen, dass sie unter Schlafapnoe leiden?
Typische Symptome sind nicht erholsamer Schlaf, Einschlaftendenz am Tag, Fremdinformation über Schnarchen und Atempausen.

Wie viele Männer und Frauen sind davon in der Schweiz betroffen?
Eine neuere Studie aus Lausanne lässt vermuten, dass von den über 40-Jährigen in der Schweiz fast die Hälfte der Männer und etwa ein Viertel der Frauen betroffen sind. Bei jungen Menschen ist Schlaf­apnoe deutlich seltener. Insgesamt kann man in unserem Land von ca. einer Million Menschen mit Schlaf­apnoe ausgehen, wobei der Befund nicht überall gleich gravierend ist.

Welche Standardbehandlung gibt es bei Schlafapnoe?
Sinnvollste Therapie ist bei der Mehrzahl der Betroffenen eine Gewichtsreduktion, wobei in den meisten Fällen eine Gewichts­abnahme von deutlich über zehn Kilo nötig ist, um die Schlafapnoe relevant zu bessern. Eine Gewichtsabnahme gelingt aber nur einem Bruchteil der Patienten. Die häufigste – und wirksamste – Therapie ist die nächtliche Überdruckbeatmung (CPAP), die allerdings von den Patienten zumindest am Anfang nicht sehr geschätzt wird. Da Schlafapnoe oft nur in Rückenlage auftritt, kann man versuchen, die Rückenlage im Schlaf zu vermeiden, was jedoch schwieriger ist, als man spontan annehmen würde.

Braucht es eine Abklärung im Schlaflabor?
Nur aufgrund der Angaben des Patienten und seiner Angehörigen kann man eine Schlafapnoe nicht zuverlässig diagnostizieren. Eine Bestimmung des Schweregrades – davon hängt ab, ob und wie man behandelt – ist nur durch eine Untersuchung im Schlaflabor möglich.

Heute gibt es auch speziell für Frauen entwickelte Masken und Therapie­geräte. Wo liegen die Vorteile für die Patientinnen?
Die Gesichtsform und die Kopfgrösse von Männern und Frauen sind unterschiedlich; unterschiedliche Masken und Maskengrössen sind daher sinnvoll. Therapiegeräte für Frauen reagieren auf Atempausen anders als die Standard­geräte. Ob dies wirklich zu besseren Therapieresultaten führt, ist meines Erachtens noch nicht eindeutig erwiesen.

Wie beurteilen Sie eine Alternativtherapie mit einer Unterkiefer­prothese?
Unterkieferschienen sind weniger wirksam als eine nächtliche Überdruckbeatmung. Bei Patienten, die mit einem CPAP-Gerät nicht zurechtkommen, stellen sie jedoch eine sinnvolle Therapiealternative dar. Allerdings kommen nicht alle Patienten dafür infrage, da die Zähne in einem guten Zustand sein müssen und keine Kiefergelenksprobleme bestehen sollten.