Warum nur bin ich 
immer so müde?

Nicht jeder, der sich oft müde fühlt und in unpassenden Situationen einnickt, ist ein Faulpelz oder hat zu wenig geschlafen. Es könnte auch eine Narkolepsie dahinterstecken – eine ernst zu nehmende Krankheit.
  
Kennen Sie das: Sie sollten sich konzentrieren, können die Augen aber kaum offen halten. Kein angenehmes Gefühl!
 
Narkoleptiker kämpfen täglich gegen Ihre Müdigkeit. In Ge­sprächen, bei der Arbeit, auf der Strasse. Dass dies nicht nur höchst anstrengend ist, sondern auch gefähr­lich werden kann, ist offensichtlich. Hinzu kommt häufig Unverständnis im Umfeld – viele Betroffene ziehen sich deshalb 
zurück.
 
Auch Regula Etterli aus Grabs SG kennt diese Situation: «Ich habe schon immer viel geschlafen und war der ‹Faulpelz› in der ­Familie und auch im Freundeskreis», erzählt sie. «Auffällig 
wurde es während meiner Ausbildung zur Kindergärtnerin. Ich war ständig müde. Weder frische Luft noch mehr Schlaf halfen. Die Schule war täglich ein Kampf, niemand konnte mich verstehen.»
 
Eine schwierige und für viele Betroffene eine lange Leidenszeit. Denn bis zur Diagnose «Schlafkrankheit» dauert es oft Jahre. 
Vor allem, wenn die Symptome schleichend stärker werden. Bei plötzlichen, heftigen Schlaf­attacken, bei denen Betroffene im Extrem­fall unerwartet zusammensacken, kommt es meist schneller zur Abklärung.
 
Gefährliche Gefühlsausbrüche
 
Narkolepsie ist eine seltene neurologische Erkrankung, eine massive Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus. Die Ursache ist nicht eindeutig geklärt. Es wird ver­mutet, dass durch einen Immundefekt jene Zellen zerstört werden, welche das für den Schlaf-Wach-Rhythmus zuständige Hypocretin herstellen. Die meisten Betroffenen verfügen ausserdem über ein bestimmtes genetisches Merkmal.
 
Narkolepsie ist nicht heilbar, aber auch nicht lebensbedrohlich und zeigt sich sehr unterschiedlich. Ein Schlafanfall kann eine Minute, aber auch eine Stunde dauern. Ohne Diagnose damit zu leben, ist ein Kampf. Regula Etterli reagierte, als sich weitere Symptome zeigten: «Beim Lachen verlor ich die Kraft in den Beinen, musste mich festhalten, um nicht umzufallen. Als Lähmungen im Gesicht dazukamen, ging ich zum Neurologen. Doch er fand nichts.»
 
Kataplexie, der plötzliche Kontrollverlust über die Muskelspannung, ist typisch. Ausgelöst wird sie durch Gefühlsausbrüche wie Angst, Freude oder Lachen. Die Muskeln erschlaffen, der Narkoleptiker muss sich festhalten oder sinkt plötzlich in sich zusammen. Während der wenigen Sekunden eines Anfalls bekommt der Betroffene meist alles mit, kann aber nicht reagieren.
 
Kaum Tiefschlafphasen
 
Weitere häufige Symptome sind Schlaflähmungen, gestörter Nachtschlaf oder Halluzinationen beim Übergang vom Wach- zum Schlafzustand. Auch das kennt Regula Etterli: «Wenn ich müde werde, mich aber gegen das Einschlafen wehre, nehme ich anwesende Menschen nicht mehr wahr und kann nicht sprechen, sehe und höre aber Dinge, die nicht real sind.» Ihr Ehemann Markus kennt diesen Zustand und weckt sie dann auf. «Zum Glück bemerkt er es. Es ist ein sehr unangenehmes Gefühl, und selber kann ich mich nicht daraus befreien», erzählt sie. Auch der gestörte Nachtschlaf ist ihr – wie etwa der Hälfte von rund 2500 Betroffenen in der Schweiz – bestens bekannt. Von drei bis vier Uhr früh ist sie fast immer wach – Tiefschlafphasen sind selten, dafür träumt sie viel und wacht häufig kurz auf. Nicht sehr erholsam.
 
Erlösende Diagnose
 
Erst vor zehn Jahren brachten das Schlaflabor sowie eine Hirnwasseruntersuchung bei der heute 45-Jährigen die Diagnose. «Ich legte in kurzer Zeit stark an ­Gewicht zu, machte mir Vor­würfe, dass ich mich nach der ­Arbeit nicht draussen bewege, sondern schlafe. Aber für Sport hat die Energie nicht mehr gereicht. Während Besprechungen oder Therapiestunden als Heil­pädagogin geriet ich teilweise in eine Art Dämmer­zustand. Ich sprach mit meinem Gegenüber oder schrieb weiter, aber völlig wirre Dinge. Obwohl ich es merkte, konnte ich es nicht ändern.» Ein Zustand, der auch psychisch sehr belastend ist. «Die Diagnose war eine grosse Erleich­terung. Endlich wusste ich, dass ich nicht einfach faul war, und konnte meine Müdigkeit und die Symptome einordnen.»
 
Medikamente und viel Schlaf
 
Bei Narkolepsie werden meist Medikamente eingesetzt. Gegen die Kataplexien Antidepressiva, gegen die Müdigkeit stimulie­rende Mittel wie Modafinil oder Ritalin. Auch Narkosemittel für einen tiefen Schlaf werden häufig verordnet. «Die Medikamente helfen mir. Dennoch muss ich auch tagsüber Schlafpausen einhalten», gesteht Etterli. «Das 
wollte ich erst nicht glauben, denn durch die Medikamente 
hatte ich endlich mehr Energie. Also habe ich auch mehr gearbeitet und unternommen. Die Quittung kam vor drei Jahren – in Form eines Burnouts.»
 
Regula Etterli konnte damals nicht mehr arbeiten: «Ich habe fast nur noch geschlafen und dabei erstmals erfahren, wie gut man sich ausgeruht fühlen kann – für mich ein Aha-Erlebnis.» Nach ­einem halben Jahr kehrte sie 
zurück an die Heilpädagogische Schule. Allerdings nur noch in ein 40-Prozent-Pensum. «Das hilft, denn wenn ich morgens ­arbeite, sind meine Schlafpausen am Mittag und am Nachmittag wichtig.»
 
Mit der Krankheit hat sich 
Regula Etterli inzwischen abgefunden: «Es geht mir gut. Auch wenn es vielleicht komisch klingt: Die Diagnose und das Burnout 
haben mitgeholfen, mein Leben als Narkoleptikerin angepasst zu gestalten und es trotzdem geniessen zu können.»