Vitamin-B12-Mangel
Vitamin B braucht jeder
Drei Mikrogramm braucht der Körper pro Tag – und er kann sogar Reserven anlegen. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass Menschen einen Vitamin-B12-Mangel haben. Und das ist nicht so harmlos!
«Leben Sie vegan?», fragt die Ärztin als Erstes, wenn sich ein Vitamin-B12-Mangel zeigt. Denn wer ganz auf tierische Nahrungsmittel verzichtet, ist besonders gefährdet. Das wasserlösliche Vitamin, das für die Blutbildung, die Hirnleistung und das Nervensystem eine wichtige Rolle spielt, kann der menschliche Organismus nicht selber bilden. Er ist darauf angewiesen, dass wir ihm durch unsere Nahrung eine genügende Menge zukommen lassen. Die ist zwar nicht gross – etwa drei Mikrogramm pro Tag, also 0,000003 Gramm – eigentlich kein Problem, wenn man sich einigermassen gesund ernährt. Zudem muss man sich das Vitamin auch nicht täglich zuführen, denn unsere Leber kann Vitamin B12 vorübergehend speichern. Doch das Vitamin ist vor allem in tierischen Eiweissquellen enthalten, also in Fleisch (vor allem Innereien), Fisch, Milch und Milchprodukten. Wer auf diese Nahrungsmittel verzichtet, muss sehr bewusst darauf achten, trotzdem zu der Vitamin- B12-Menge zu kommen, die der Körper braucht. Eine der wenigen pflanzlichen Vitamin-B12–Quellen ist die Süsswasseralge Chlorella.
Wenn der Körper nicht mitspielt
Mangelnde Zufuhr durch die Ernährung ist die häufigste Ursache für eine unzureichende Versorgung mit Vitamin B12. Es gibt aber auch andere Gründe. So ist in manchen Lebenslagen der Bedarf etwas höher – zum Beispiel in
der Schwangerschaft und beim Stillen. Aber auch lang andauernder Stress, Krankheit und Giftbelastungen können den Bedarf erhöhen.
Eine ernste Ursache für einen Mangel ist eine Aufnahmestörung: Der Körper kann das Vitamin, das ihm zugeführt wird, nicht oder nicht richtig aufnehmen. Das kann genetische Gründe haben. Aber auch Probleme im Darm wie Entzündungen, Bakterien, Pilze, Parasiten oder eine gestörte Darmflora, gewisse Medikamente oder chirurgische Eingriffe. «Diabetesmedikamente, Säureblocker oder Darmoperationen können zu Aufnahmestörungen führen, ebenso chronische entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn», erklärt Dr. Barbara Weiss, Fachärztin für Innere Medizin in Zürich. «Ebenso Sprue bzw. Zöliakie.»
Damit das Vitamin verwertet werden kann, brauchen wir den sogenannten Intrinsic-Faktor, ein spezielles Glykoprotein, das im Magen produziert wird. Fehlt dieses – zum Beispiel durch eine Autoimmunerkrankung oder nach einer Teilentfernung des Magens – ist es nur kaum mehr möglich, den Vitamin-B12-Bedarf durch Lebensmittel zu decken.
Müde, erschöpft und ohne Energie
Bis sich ein Vitamin-B12-Mangel bemerkbar macht, kann es lange dauern – bei Erwachsenen jahrelang. Erste Anzeichen sind chronische Müdigkeit und Erschöpfung, Immunschwäche, Stimmungsschwankungen, Konzentrationsschwäche, Blässe, Entzündungen im Mund und eingerissene Mundwinkel.
Wird der Mangel so stark, dass man ihn richtig spürt, wird es ernst. Depressive Verstimmungen, Gedächtnisstörungen, Konzentrationsschwäche, aber auch Psychosen gehören zu den Mangelerscheinungen, ebenso neurologische Ausfallerscheinungen wie Gangstörungen, Schwindel, Schlafstörungen, Kribbeln und Wahrnehmungsstörungen in Armen und Beinen. Dauert der Mangel sehr lange an, so kann er im schlimmsten Fall zu lebensgefährlicher Blutarmut, irreparablen Nervenschäden, schweren Lähmungen, chronischen Schmerzen und schweren geistigen und psychischen Störungen führen – sogar zu Demenz. Bevor das Vitamin B12 entdeckt wurde, starben Menschen an perniziöser Anämie, einer Blutarmut, die durch den Mangel an Vitamin B12 ausgelöst wird. Heute kann man diesen behandeln.
Aufholjagd mit der Spritze
Ein Mangel an Vitamin B12 lässt sich anhand des Blutbildes erkennen, das in der Arztpraxis bzw. im Labor erstellt wird. Um einen schweren Mangel auszugleichen, kann man das Vitamin erst mal per Spritze verabreichen, damit die Speicher aufgefüllt werden. Danach lässt es sich in Tablettenform schlucken.
Immerhin: Zu viel Vitamin B12 kann man nicht aufnehmen – was der Körper nicht braucht, scheidet er über den Urin wieder aus. Nur auf Verdacht hin Vitamin B12-Mittel zu schlucken, ist aber trotzdem nicht zu empfehlen. «Wenn bei normaler Ernährung das Vitamin B12 zu tief ist, lässt es sich auch über Tabletten nicht genügend aufnehmen», erklärt Dr. Weiss. «Dann kann es nur durch Spritzen ausgeglichen werden.»