«Trauer hat kein Ablaufdatum»

Die einen Menschen ziehen sich zurück, anderen hilft ein Gespräch in einer Gruppe – etwa in einem Trauercafé. Trauer ist eine natürliche Reaktion auf Verlust und wird individuell er- und durchlebt.

Trauer ist eine emotionale Reaktion auf den Verlust von etwas, das uns wichtig ist. Dies kann ein geliebter Mensch, ein Haustier oder der Job sein», sagt Stéphanie Berger vom Trauercafé in Bern. Sie und ihre Kollegin Lilian Corchia betreuen dort seit 2018 als Trauerbegleiterinnen regelmässig Gesprächsgruppen, in denen sich Menschen, die einen Verlust erlitten haben, gegenseitig austauschen. Trotz der Bezeichnung «Café» handelt es sich um keine Gaststätte, es werden auch keine Getränke aus­geschenkt. Trauercafés, die an verschiedenen Orten in der Schweiz stattfinden, umschreiben die Form des Zu­sam­men­kom­mens (siehe unten). Vereint in der Trauer treffen sich Menschen, erhalten Aufmerksamkeit, Zeit, die Zuhörerschaft von Gleichbetroffenen.

Individueller Prozess

Trauer ist laut Stéphanie Berger ein individueller Prozess, der nicht von anderen gewertet werden kann und darf. «Jeder muss so lange trauern können, wie es für ihn oder sie nötig ist.» Leider seien in der heutigen Gesellschaft Traditionen rund um die Trauer weitgehend verloren gegangen. «Mit der schwarzen Trauerbekleidung signalisierte man früher anderen Menschen, dass sie sorgsam mit einem umgehen sollen.»

Trauer will durchlebt werden

Heute müssten Hinterbliebene oft feststellen, dass bereits nach Wochen bis wenigen Monaten Trauerzeit das Umfeld mit Ungeduld reagiere. Bemerkungen wie «Jetzt solltest du aber langsam darüber hinweg sein» oder «Fange wieder an zu leben» setzen die Trauernden unter Druck. «Trauer kann nicht überwunden werden, sie will durchlebt und verarbeitet sein und ist wie eine Wunde», sagt Stéphanie Berger. «Von selbst heilt sie nicht ab. Sie will gepflegt werden, damit sich eine Narbe bildet, mit der wir weiterleben können.»

Akzeptanz und neue Sinnfindung

Eine Trauerzeit verläuft in sechs Prozess-Stufen oder Trauerauf­gaben ab. Die erste Stufe, in der ein Gefühl von Benommenheit und Schock vorherrscht und es gilt, zu funktionieren, dauert meist Stunden oder wenige Tage. Abgelöst wird sie von der zweiten und dritten Stufe, in denen der Verlust begriffen und damit verbundene Gefühle durch- und erlebt werden. In einer vierten und fünften Stufe werden die Lebensumstände an den Verlust angepasst und dem Verlust ein neuer Ort zuge­wiesen, um mit diesem verbunden zu bleiben. In einer sechsten Aufgabe geht es um eine neue Sinn­findung. «Die Traueraufgaben laufen aber nie linear ab. Sie sind dynamisch, wechselhaft und wiederholen sich unter Umständen auch», so Stéphanie Berger weiter.

«Jede Trauer ist anders»

Obwohl dieser sehr individuell sein kann, dauert ein Trauer­prozess, laut wissenschaftlichen Erkenntnissen, zwischen drei bis sechs Monaten. «Jede Trauer ist aber anders und benötigt oft viel mehr Zeit», sagt die Erwachsenenbildnerin. Denn: «Trauer hat kein Ablaufdatum.»

Obwohl im Trauercafé schwere Schicksalsschläge thematisiert und verarbeitet werden, gebe es auch immer wieder Momente der Fröhlichkeit. «Lachen schafft Distanz zum Ereignis. Wir wollen unseren Gästen bewusst machen, dass im Leben alles vorübergeht und nichts ewig währt, auch die Trauer nicht.»

Trauercafés

In sogenannten Trauercafés tauschen sich Menschen, die einen Verlust erlitten haben, in einer Gesprächsgruppe aus. «Café» bedeutet, sich einfach dazuzusetzen und wieder gehen zu können, wann man möchte. Es handelt sich nicht um eine Selbsthilfegruppe. In der Regel wird das Gespräch in der Gruppe durch ausgebildete Trauer­begleiterinnen und -begleiter moderiert. Weitere Infos, zum Beispiel:

Bern: www.trauercafe.ch

Aarau, Brugg, Bad Zurzach: www.hospiz-aargau.ch

Ostschweiz: www.palliative-­ostschweiz.ch

Wetzikon: www.gzo.ch

Zug: www.palliativ-zug.ch

Zürich: www.reformiert-zuerich.ch und www.zueri60plus.ch