«Sterbebegleitung ist keine Wissenschaft»

Wie geht man mit dem Sterben und dem Tod von nahen Angehörigen oder Freunden um? Sicherheit kann ein Kurs in Letzter Hilfe geben, wie ihn GlücksPost-Mitarbeiterin Silvia Stähli-­Schönthaler besucht hat.

Wann beginnt der eigent­liche Sterbeprozess und was kann man einem Menschen noch Gutes tun, wenn er sich dem Lebensende nähert? Um diese und viele andere Fragen rund um den nahenden Tod und den letzten Lebensabschnitt davor geht es an diesem Samstagmorgen im Kirchlichen Zentrum von Busswil BE. Es regnet in Strömen,  und die Aussicht, sich einen Tag lang mit dieser nicht ein­fachen Thematik auseinandersetzen zu müssen, trägt nicht zu einer besonders guten Stimmungslage bei. Aber ich bin auf meinen Wunsch hier – genauso wie 19 andere Männer und Frauen, die sich für einen Letzte-Hilfe-Kurs angemeldet haben (siehe unten).

Kurse ausgebucht

Trägerorganisationen der Kurse sind die Landeskirchen, die öffentliche, kantonale Spitex und das Palliativzentrum des Insel­spitals Bern. «Diese dreifache Trägerschaft trägt wesentlich zur Vertrauensbildung in die Kurse und zu deren Qualität bei», sagt Petra Burri, Pfarrerin in Büren an der Aare BE. Zusammen mit zwei Berufskolleginnen und der Palliativ-Pflegefachfrau Christa Lehmann aus Büren vermittelt sie viel Wissenswertes rund um das Thema Sterben. «Über Erste Hilfe wissen die meisten gut Bescheid, wenn es aber um die letzten Dinge im Leben geht, sind viele überfordert», so Petra Burri.

Unter den Kursteilnehmenden sind einige, die vor Kurzem von einem geliebten Menschen Abschied nehmen mussten, und andere, denen dies leider wohl bald bevorstehen wird. Aber auch jüngere Menschen, die sich dem Thema nähern wollen, sitzen mit mir im Kreis. «Im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer teilen wir alle eine grosse Unsicherheit, und es gibt nicht auf alle Fragen eine Antwort», sagt die Pfarrerin.

Dennoch werden in den vier Kursstunden viele Fragen thematisiert und geklärt. «Sterbebegleitung ist keine Wissenschaft nur für Experten, sondern etwas, das auch in der Familie und der Nachbarschaft möglich ist», erklärt Christa Lehmann, die uns Teilnehmenden «Grundwissen an die Hand geben» und uns ermu­tigen will, sich dem Sterbenden zuzuwenden. So lernen wir etwa, wie wichtig es ist, einem Sterbenden den Mundraum oder die Lippen zu befeuchten. Wir probieren dies behutsam beim Sitznachbarn oder uns selbst aus. Denn was viele nicht wissen: Auch wer an einer Infusion angeschlossen ist, kann immer noch ein Durstgefühl verspüren. «Wenn jemand in seinem Leben gerne Prosecco oder Bier getrunken hat, dann dürfen diese Getränke auch an das mit Schaumstoff überzogene Stäbchen», sagt die Spitex-Mitarbei­terin. «Hauptsache, es entspricht dem Sterbenden und ist für ihn angenehm.»

Über das Thema sprechen

Mittlerweile kennen wir uns in der Gruppe etwas näher, und ich erhalte von meiner Sitznachbarin einen Tipp, welchen Tee meine Mutter bei Angst und Unruhe trinken könnte: Hopfentee. Und es wird zwischendurch auch mal herzhaft gelacht. Beispielsweise als ein Kursteilnehmer von einem fast hundertjährigen Mann erzählt, der bei der Ankunft des Arztes erklärt habe: «Jetzt wird nicht mehr geholfen, jetzt wird gestorben.»

Christa Lehmann ermutigt uns, mit unseren Eltern und Familien auch über «schwierigere Themen» zu sprechen, sodass wir voneinander wüssten, was wir einmal möchten, wenn es so weit ist. Am wichtigsten sei es, eine Person zu bestimmen, die darüber Auskunft geben kann, wenn man selbst nicht mehr in der Lage dazu ist. Auch sollten möglichst früh schriftliche Dinge geregelt werden, wie etwa das Ausfüllen oder Schreiben von Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung.

Offenheit erfahren

Ich habe viel gelernt in diesen vier Stunden und auch viel Offenheit erfahren. Nicht nur von den Kursleiterinnen, sondern von allen, die den Kurs besucht und ihre Geschichten erzählt, über ihre Fragen und Ängste gesprochen haben. Meine Stimmungslage ist viel besser geworden, und es hat zudem aufgehört zu regnen.

Auseinandersetzung mit dem ­Sterben und der Trauer

Die Idee der Kurse in Letzter Hilfe stammt ursprünglich aus Deutschland und Österreich. Sie hat sich innert kurzer Zeit in ganz Europa ausgebreitet. Der kompakte Kurs möchte eine Übersicht geben und anregen, sich mit den Themen Sterben, Tod ­und Trauer auseinanderzusetzen. Die Themen sind: Sterben als Teil des Lebens, Vor­sorgen und Entscheiden, Leid lindern und Abschied nehmen. Die Kosten werden in der Regel von der jeweiligen ­Trägerorganisation übernommen. Die Teilnehmerzahl ist beschränkt, ­Anmeldung er­forderlich.

Info: https://www.zhref.ch/letzte-hilfe-schweiz und www.letztehilfebern.ch

Buch zum Kurs: «Letzte Hilfe», Theologischer Verlag, Fr. 15.80.