So helfen Gefühle der Gesundheit

In der klassischen Schulmedizin haben sie keinen hohen Stellenwert. Aber Emotionen be­einflussen unsere Gesundheit mehr, als wir glauben. Der Herzspezialist Prof. Albrecht Hempel hat sich damit befasst und weiss, wie wichtig sie sind. Sein Rat: auf die Gefühle hören!

Viele Menschen werden krank, weil sie nicht auf ihre Gefühle gehört haben, sagt Prof. Hempel: «Alle unsere Gefühle übermitteln uns bestimmte Botschaften.» Die angenehmen sind dabei kein Problem, die unangenehmen dagegen wollen uns auf etwas aufmerksam machen. «Es dauert eine gewisse Zeit, bis die Botschaft eines unangenehmen Gefühls zu uns durchdringt, deshalb ist dieses Gefühl gezwungen, immer wieder aufs Neue aufzutauchen, jedes Mal länger zu bleiben und mit wachsendem Nachdruck dafür zu sorgen, dass wir uns irgendwann so unbehaglich fühlen, dass wir endlich reagieren.» Wir fragten ihn:

GlücksPost: Machen unangenehme Gefühle krank?

Prof. Hempel: Wenn sie über eine lange Zeit bestehen bzw. häufig auftreten, steigt die Wahrscheinlichkeit erheblich an, dass sie auch zu Krankheiten führen. Bei Bluthochdruck, dem sogenannten Alterszucker, hohen Blutfetten und bei fast allen weiteren Volks- bzw. Zivilisationskrankheiten kann man diesen Zusammenhang finden. Chronische Krankheiten treten nur scheinbar plötzlich und wie aus dem Nichts auf. Tatsächlich haben sie eine lange Vorgeschichte. Schwierige Gefühle verursachen von Anfang an Stress und die Ausschüttung von Adrenalin. So gelangen wir, biologisch unvermeidbar, in einen Kampfmodus. Denn immer, wenn wir uns angegriffen fühlen, verteidigen wir «biologisch» unsere Existenz. Dafür werden alle verfügbaren Kräfte mobilisiert. Unsere Gefühle verhalten sich so, wie der elektrische Strom dem Ohmschen Gesetz folgt: Empfinde ich inneren Widerstand, steigt die Spannung, der Fluss verringert sich. Negative Gefühle verursachen immer so viel und so lange Stress, bis wir im Kampf oder in der Flucht eine Lösung gefunden haben, bis wir entweder den Sachverhalt verändern oder unsere Sicht auf die Dinge, sodass sie nicht mehr unangenehm sind. Gelingt uns das nicht, werden
unsere Widerstandskräfte irgendwann aufgebraucht sein, und wir leiden an einem hohen Blutdruck oder bekommen einen Herz- oder Hirninfarkt.

Gibt es bestimmte Gefühle, die klar auf bestimmte Leiden hinweisen?

Eine eindeutige, sprich zweifelsfrei vorhersagbare Zuordnung gibt es nicht, jedoch eine auffällige Häufung bestimmter Krankheiten mit Bezug zu bestimmten Körperregionen. So haben alle unsere fünf Grundgefühle ihren bevorzugten Platz im Körper: 

  • Das Gefühl Trauer sitzt im Halsbereich und kann dort zu Problemen an der Schilddrüse, der Stimme oder im Kehlkopf führen.
  • Glück wird am stärksten am unteren Teil des Brustbeins als ein warmes Strömen verspürt. Unglück verursacht dort zum Teil starke Schmerzen.
  • Liebe wird über der Herzregion wahrgenommen. Wenn jemandem «das Herz bricht», kann sich dies wie ein Herzinfarkt anfühlen und auch bei der Ultraschalluntersuchung so erscheinen.
  • Wut spüren wir im Oberbauch. Sie begünstigt die Entstehung von Magenproblemen, von Geschwüren bis hin zu Krebsleiden, und dies auch z. B. in der Bauchspeicheldrüse.
  • Eifersucht ist an zwei Orten im Bereich der Nieren verortet und kann deren Funktion beeinträchtigen: Etwas geht uns sprichwörtlich an die Nieren.
  • Ausserdem schwächen schwierige Gefühle auf Dauer unser Immunsystem – wir werden anfälliger für Infekte.

Können wir Gefühle selber in eine gesunde Richtung lenken?

Ja, das können wir. Gefühle bewerten, was wir erleben. Wir könnten eigentlich aus jeder Situation immer Honig saugen.
Und viele Menschen tun dies auch, bewusst oder unbewusst. Wir können uns auch aus den schwierigsten Lebenssituationen heraus, hin zu einem guten und erfüllten Leben führen. Ideal wäre, wenn wir vor allem zwei Emotionen verspürten: schöne Gefühle und interessante Gefühle. Bei letztgenannten habe ich deren wertvollen Anteile nur noch nicht erschlossen. Mit anderen Worten: Es gilt, vom Treibgut auf dem Strom des Lebens zur Kapitänin oder zum Kapitän des eigenen Schiffes zu werden!