Ohne Diät zum ­Wohlfühlgewicht

Erst dann essen, wenn sich Hunger einstellt: Mit intuitivem Essenkonnte die Basler Ex-Tennis-Profispielerin Daniela Bodmer den jahrelangen Kampf gegen Übergewicht und Ernährungsstörungen gewinnen.

 

Viele Menschen greifen nach Nahrung, obwohl sie eigentlich gar keinen Hunger haben», sagt Daniela Bodmer aus Oberwil BL. Die gebürtige Deutsche spricht aus Erfahrung, auch wenn man dies kaum glauben mag, wenn die zierliche Mutter von zwei Kindern vor einem steht. Bereits in und kurz nach der Pubertät kämpfte die heute 49-Jährige mit Essstörungen wie Bulimie und Binge-Eating. Mit 20 Jahren wog sie 86 Kilo.

Als Leistungssportlerin und Profi-Tennisspielerin setzte sie schon früh hohe Ziele. Im Alter von acht Jahren begann sie zu spielen und wurde durch einen Talentscout entdeckt. Mit 14 Jahren gewann sie die Junioren-Weltmeisterschaft in New York und stand bald einmal auf dem 300. Rang der WTA-Liste. Sie strebte nicht nur die Perfektion im Spiel an, sie stellte auch hohe Ansprüche in Bezug auf das eigene Aussehen und den Körper. «Eine Tennisspielerin, die zu viele Kilos auf den Rippen hat, wollte ich nicht sein.» Damit begann ein jahrelanger Kampf gegen Übergewicht, der einen «hohen Leidensdruck» mit sich brachte. Diäten folgten auf Diäten und führten zu schwerwiegenden Essstörungen. «Ich habe in kurzer Zeit zehn Kilo zu- und dann in noch kürzerer Zeit wieder zehn Kilo abgenommen, indem ich nur eine Orange im Tag gegessen habe.»

Oft hatte sie drei Tennis-Matches an einem Tag. Da sich die Zeiten der Spiele immer wieder verschieben, wurde die Ernährung auch da zum Problem und ein geregelter Rhythmus fehlte. «Für ein Mädchen in der Pubertät kann dies ganz schön schwierig sein.» Da sich die Essstörungen auch auf ihre Resultate im Tennis auszuwirken begannen, blieben die Top-Ergebnisse aus, und sie hängte die Profi-Karriere an den Nagel. «Es gab eine Zeit, in der ich bis zu 30 Abführtabletten nahm, damit ich mit dem Gewicht wieder runterkam.» Dieses Verhalten führte zu einem viermonatigen Klinikaufenthalt, eine wesentliche Verbesserung der Situation konnte aber auch dieser nicht bewirken.

Erst ein Buch, das ihr eine Freundin aus den USA mitbrachte, gab ihr den «Kick zum Neustart». Darin geht es darum, ein Überessen zu vermeiden und nur dann zu essen, wenn man wirklich Hunger verspürt. «Oft füllt man mit Essen eine innere Leere aus», sagt Daniela Bodmer, die heute als Ernährungscoach für intuitives Essen arbeitet und sich in New York bei Jane Hirschmann ausbilden liess. Es war für sie heilsam zu erfahren, dass all die Jahre nicht sie als Person, sondern die ihr angebotenen Lösungen zum Scheitern verurteilt waren. Erst das Konzept des intuitiven Essens liess die Beraterin für Ernährungspsychologie «quasi bei Null anfangen».

«Wir sind als intuitive Esserinnen und Esser auf die Welt gekommen, jedoch haben die meisten von uns das wieder verlernt.» Babys wüssten automatisch, wann sie Hunger hätten und wann sie satt seien. Gewohnheiten wie den Teller leer zu essen oder Punkt zwölf Uhr mittags eine Mahlzeit einzunehmen, führe bei den meisten Menschen dazu, wahre Hungersignale erst gar nicht mehr wahrnehmen zu können. Auch werde meist kein Sättigungsgefühl mehr abgewartet. «Der Körper sagt einem genau, was er braucht, wenn man lernt, ihm zuzuhören.»

Intuitives Essen stellt damit gewissermassen eine «Anti-Diät» dar. Nahrungsmittel werden grundsätzlich als wertvolle Energielieferanten wertgeschätzt und nicht pauschal verteufelt. So sind keine Lebensmittel verboten – auch Erdbeertorte und Schokolade nicht. «Wenn der Reiz des Verbotenen schwindet, fällt es mit der Zeit leichter, von allein auf vermeintliche Dickmacher zu verzichten. Es werden automatisch gesündere Lebensmittel bevorzugt.» Auch das psychische Wohlbefinden wirke sich auf das Essverhalten aus.

Bis sich der Erfolg jedoch einstellt, «isst man sich durch sein Problem hindurch». Fragen wie «Was will ich im und vom  Leben?» und «Bin ich wirklich zufrieden?» können der Schlüssel zu einem achtsameren Essverhalten sein. «Wenn wir gewohnheitsmässig zum Kühlschrank gehen, ohne wirklich Hunger zu haben, stecken andere Themen dahinter.»