Neues Zeckenvirus weckt Besorgnis

Jetzt lauern sie wieder im Wald und auf den Wiesen: die ­Zecken. Das in China entdeckte Alongshan-Virus, welches durch die Spinnentierchen auf Menschen über­tragen wird, könnte sich auch in der Schweiz ausbreiten.

Der Frühsommer lockt viele Menschen hinaus in die Natur. Die Wälder sind wieder bevölkert von Freizeitsportlerinnen und -sportlern sowie Familien mit Kindern. Die angenehmen Temperaturen lassen aber auch die Zeckenpopulation rasch ansteigen und damit das Risiko, von einem dieser kleinen Spinnentierchen gebissen zu werden. Zecken können Viren und Bakterien auf den Menschen übertragen. «Seit 2020 häufen sich die durch Zecken übertragenen Hirnhautentzündungen», sagt Stefan Zimmerli, Oberarzt auf der Station für Infektionskrankheiten am Inselspital Bern. Die sogenannte Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) kann zu schweren gesundheitlichen Problemen führen.

Der Holzbock (Ixodes rhizinus) verursacht in der Schweiz die Mehrheit von durch Zecken übertragenen Infektionen. «Die häufigste Erkrankung ist die Borreliose», so Zimmerli. Sie verursacht meist Hautrötungen an der Einstichstelle, kann aber in Einzelfällen ebenfalls schwere gesundheitliche Folgen haben. «30 bis 50  Prozent der Zecken können mit Borrelien infiziert sein», sagt der Arzt. Dagegen seien nur etwa 1  Prozent der Zecken auch Träger der Frühsommer-Meningoenzephalitis. Immer häufiger diagnostiziert wird in den letzten Jahren die sogenannte Hasenpest (Tularämie), die in etwa 4 von 10  Fällen durch Zecken- oder Insektenstiche übertragen wird.

Aktuell beobachtet Stefan Zimmerli aber noch ein anderes Virus aufmerksam, das vor sechs Jahren erstmals in China entdeckt wurde und dieses Jahr nun auch in Schweizer Zecken nachgewiesen werden konnte. Das sogenannte Alongshan-Virus kann bei Infizierten zu Krankheitssymptomen wie Kopfschmerzen, Fieber, Appetitverlust, Übelkeit, Hautausschlägen sowie Muskel- und Gelenkschmerzen führen. «Wir wissen nicht, wie verbreitet das neue Virus bei uns schon ist», so Stefan Zimmerli. Auch die Gefährlichkeit des Alongshan-Erregers könne noch nicht abgeschätzt werden. «Ob die von einer Infektion Betroffenen einen gleich milden Verlauf haben wie die getestete Gruppe infizierter Personen in der Inneren Mongolei, wird sich noch zeigen.»

Die Forscherinnen und Forscher am Institut für Infektionskrankheiten der Universität Bern und am Referenzzentrum für neue Viruserkrankungen der Universität Genf arbeiten derzeit an einem Nachweistest, der zu Beginn der Zeckensaison bereitstehen wird. «Sollten Patientinnen und Patienten ein ähnliches Krankheitsbild aufzeigen wie die Betroffenen in China, ohne dass ein anderer Erreger gefunden werden kann, werden Proben aus Blut und Rückenmarksflüssigkeit entnommen, um das neue Virus zu identifizieren.»

Damit es gar nicht zu einem Zeckenbiss kommt, gilt es folgende Schutzmassnahmen zu beachten: Beim Spazieren oder Joggen im Wald sollten immer breite Wege gewählt werden. Auch rät Stefan Zimmerli, immer bedeckende Kleidung, hohe Schuhe sowie die Socken über die Hosen zu tragen. «Auch ein Insektenabweisender Spray kann helfen, die Zecken fernzuhalten.» Nach dem Aufenthalt im Freien sollte der Körper immer auf Zecken abgesucht und das Tierchen gegebenenfalls sofort mit einer Pinzette entfernt werden. «Haben die Zecken weniger als 24 Stunden Zeit zum Blutsaugen, können sie keine Borrelien übertragen», so der Arzt. Gegen eine Infektion mit FSME oder allenfalls dem Alongshan-Virus hilft dies allerdings nicht, da die Erreger unmittelbar nach dem Stich aus den Speicheldrüsen der Zecken in den menschlichen Körper gelangen.