Neid: Was hat sie, was ich nicht habe?

Das quälende Gefühl überfällt einen plötzlich, macht wütend, frustriert und traurig. Aber Neid hat auch sein Gutes: Er weist auf unterdrücke Bedürfnisse und schlummernde Talente hin!

 

Sind diese Farben nicht ein bisschen zu auffällig für dein Alter?», fragt Susanne ihre Freundin Karin, als diese ihr das neue Outfit vorführt. «Finde ich nicht», meint Karin und wundert sich über den giftigen Unterton in Susannes Stimme. Sie kann nicht verstehen, weshalb ihre Freundin sich nicht mit ihr über die neuen Kleider freuen kann.

 

Was Karin nicht weiss: Susanne ist neidisch. Während Susanne nie den Mut aufbringen würde, in so auffälligen Kleidern herumzulaufen, macht Karin das nicht im Geringsten etwas aus. Susanne beneidet Karin um ihr Selbstbewusstsein und darum, dass sie sich keine Gedanken darüber macht, was andere von ihr denken. Zugeben würde sie das nicht. Schliesslich ist Neid ein hässliches Gefühl, das Missgunst und Kleinlichkeit signalisiert. Deshalb versucht Susanne, ihn zu verbergen.

 

Neid – wir alle kennen ihn. Manchmal verursacht er einen kurzen Stich und verschwindet wieder. Aber es gibt auch Neid, der dauernd quält und sich wie ein Belag auf der Seele festsetzt. Er sorgt dafür, dass man ständig mit dem Gefühl herumläuft, zu kurz gekommen zu sein: Man ist überzeugt, weniger begabt als andere zu sein, weniger intelligent, weniger schön, weniger liebenswert… Kein Wunder, schlägt das auf das Selbstbewusstsein und dämpft die Lebensfreude.

 

Was tun, wenn man neidisch ist? Sich selbst gegenüber ehrlich sein und sich den Neid eingestehen. Denn mit dem Neid ist es wie mit allen schwierigen Gefühlen: Durch Ignorieren oder Verdrängen lösen sie sich nicht auf. Erst wenn wir sie nicht mehr leugnen und uns damit auseinandersetzen, nimmt das Leiden ab. Oft können wir dann sogar etwas Gutes darin sehen. Das ist auch beim Neid so. Seine Botschaft lautet: Da schlummert etwas, was bisher nicht zum Ausdruck gekommen ist. Das können unterdrückte Bedürfnisse sein, Talente, die ungenutzt geblieben sind oder Wünsche, die wir uns nicht eingestehen wollen. Indem der Neid auf sie aufmerksam macht, zeigt er uns, wo noch mehr Selbstentfaltung möglich ist. Im Fall von Susanne könnte das heissen, mehr das tun, was sie wirklich möchte, und weniger darauf achten, was die anderen über sie denken.

 

 


DIE TIPPS

Nutzen Sie den Neid konstruktiv!

 

Lehnen Sie den Neid nicht ab, indem Sie zum Beispiel andere Menschen abwerten oder kritisieren. Gestehen Sie sich den Neid ein und akzeptieren Sie ihn als einen Teil Ihrer Gefühlspalette.

Sind Sie oft neidisch, setzen Sie sich damit auseinander. Finden Sie mit folgenden Fragen heraus, was Ihnen der Neid sagen will: 

  • Auf was genau sind Sie neidisch? 
  • Was steckt hinter dem Neid auf die harmonische Beziehung der Freundin, die Kreativität der Arbeitskollegin, den besseren Job der Schwester? 
  • Weist er auf etwas hin, was Ihnen fehlt? 
  • Macht er Sie auf eine Begabung aufmerksam? 
  • Oder zeigt er Ihnen vielleicht sogar, dass Sie nicht so leben, wie Sie möchten? 
  • Wenn ja, wie sieht dieses Leben aus? 
  • Was müssten Sie ändern, um so zu leben, wie Sie es sich wünschen?

 

Kennen Sie die Ursache des Neides, fragen Sie weiter:

  • Wollen Sie erreichen, was Sie beneiden?
  • Gibt es eine realistische Chance, dies auch zu schaffen?
  • Wenn ja, wie müssten Sie vorgehen, welche Ziele müssten Sie sich dafür setzen?

 

Wer den Neid überwinden will, muss über seinen Schatten springen, einen mutigen Schritt wagen und manchmal auch Konflikte in Kauf nehmen. Deshalb fragen Sie sich: 

  • Sind Sie bereit zu tun, was nötig ist, damit Sie bekommen, weswegen Sie andere beneiden? 
  • Würden Sie für interessante Reisen in ferne Länder Entbehrungen auf sich nehmen? 
  • Für mehr materiellen Besitz sich mehr einsetzen und mehr arbeiten, für eine bessere Beziehung Ihr Verhalten ändern oder sich vom jetzigen Partner trennen?