Natür­lich mehr Licht!

Nach dem Waldbaden kommt das Lichtbaden: Damit unsere innere Uhr ihren gesunden Takt nicht verliert, braucht unser Organismus ausreichend natürliches Licht.

Nach den dunklen Wintermonaten zieht es uns magnetisch auf den Balkon oder raus in die Natur, wenn die Sonne scheint. Wieso aber fühlen wir uns besser, lebendiger und energetischer, wenn wir draussen eine Portion Sonnenlicht tanken?

Eine Antwort dazu liefert die Chronobiologie, eine relativ junge Wissenschaft, die sich mit unserer inneren Uhr befasst, und 2017 mit dem medizinischen Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Diese innere Uhr in unserem Gehirn reguliert zahlreiche körperliche Vorgänge – von Hormonausschüttungen über Körpertemperatur, geistige Leistungsfähigkeit, Immunsystem bis zum Schlaf-/Wach-Rhythmus. Damit sie in unserem modernen 24-Stunden-Alltag nicht aus ihrem natürlichen Takt gerät, muss sie laut dem Bundesamt für Gesundheit «täglich neu justiert werden». Was heisst das?

Ständig Kunstlicht ausgesetzt
Tatsache ist: Im Durchschnitt verbringen wir 90% des Tages in geschlossenen Räumen, die oft künstlich ausgeleuchtet sind. Zudem benützen wir fast laufend Computer, Tablet und Handy. In der Aussenwelt werden wir ebenfalls mit Kunstlicht bombardiert: von Autoscheinwerfern über Leuchtreklamen bis zur Warenhausbeleuchtung. Und abends setzen wir uns vor den Fernseher – im Glauben, ein guter Film würde Erholung schenken.

Dem ist leider nicht so. Das Problem an modernen Leuchten und Geräten ist, dass ihr Licht meist einen hohen kalten Blauanteil ausstrahlt, der anregend wirkt. Tagsüber ist das okay, nicht aber nach Sonnenuntergang, wenn für unsere innere Uhr eigentlich Entspannung mit warmem, kuscheligem Licht angesagt wäre, damit das schlaffördernde Hormon Melatonin ausgeschüttet wird.

«Licht mit höherem Blauanteil entfaltet eine Melatonin unterdrückende Wirkung», erklärt der renommierte Ayurveda-Arzt Dr. Ulrich Bauhofer. «Wenn wir abends noch im Internet surfen, ein paar E-Mails beantworten, die wichtige Präsentation für den nächsten Tag vorbereiten und im Bett bis spät noch in -sozialen Netzwerken unterwegs sind, signalisieren wir unserem Organismus: Es ist helllichter Tag.» Eine solche Lebensweise jenseits der natürlichen Bio-Uhr führt laut Bauhofer zu einer chronischen Form von Jetlag. «Unser Körper kann nicht mehr zwischen Tag und Nacht unterscheiden.»

Desynchronisation macht krank
Gerät unsere innere Hauptuhr im Gehirn – Dr. Bauhofer nennt sie die «Master Clock» – aus dem Takt, hat dies Folgen für unseren Stoffwechsel und unser Wohlbefinden. Tickt der Dirigent – also die Master Clock – nicht mehr richtig, geraten auch die nachgeordneten «Unteruhren» aus dem Gleichgewicht. Mögliche Folgen – nebst Schlafstörungen – sind Konzentrationsstörungen, Depression, geschwächtes Immunsystem, Stoffwechselstörungen, Magen-Darm-Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Störungen, Diabetes, Übergewicht oder gar Krebs.

Lichtbaden – so geht’s
Was können wir also tun, um unserer inneren Bio-Uhr im Blaulicht-Zeitalter das zu geben, was sie braucht, um fit zu bleiben und nicht an krankmachender Desynchronisation zu leiden?

Nebst frischer, naturbelassener Nahrung, regelmässigen Mahlzeiten, ausreichend Bewegung, ruhigen Regenerationsphasen sowie genügend Schlaf rät Dr. Ulrich Bauhofer zu einer täglichen Dosis Tageslicht, die im Sommer zudem zur wichtigen Vitamin-D-Produktion beiträgt. Seine Faustregel
lautet: «25 % der Körperoberfläche sollen täglich zwischen 10 und 16 Uhr ungeschützt Licht tanken dürfen – je nach Hauttyp bzw. Eigenschutzzeit zwischen 10 und 90 Minuten.» 25 % Körperoberfläche entsprechen Gesicht, Décolleté, Unterarmen und Händen. Lichtbaden kann man überall in der freien Natur, sei es im Wald, im Park, am See, im Strassencafé oder auf einer Terrasse.