Muss das Amalgam raus?

Dass Amalgam schädliches Quecksilber freisetzt, ist bekannt. ­Dennoch ­haben es viele Menschen noch heute in ihren Zähnen. Experten ­raten: Bestehen keine ­Beschwerden, soll man es eher lassen.

 

Amalgam ist lange haltbar und günstig, stopft Karieslöcher, lässt sich leicht formen und eine Füllung ist schnell angefertigt. Eigentlich kann etwas, das seit Jahrzehnten weltweit eingesetzt wird, doch kaum schädlich sein. Oder doch? Leider ja. Amalgam besteht zu 50 Prozent aus Quecksilber, gebunden in einer Legierung aus Silber, Kupfer, Zink und Zinn. Nach dem Legen der Füllung braucht sie eine Stunde, um auszuhärten – in dieser Zeit entstehen Quecksilberdämpfe, welche über die Lunge in den Blutkreislauf geraten.

Zudem können sich beim Kauen durch die Korrosion auf der Füllung winzige Teilchen lösen – schlucken wir diese, gelangen sie in den Magen-Darm-Trakt, von wo sie nur teilweise ausgeschieden werden können. Der Rest kann sich im Körper ablagern, beispielsweise im Fettgewebe. Amalgam ist nicht mehr zeitgemäss, findet Dr. med. dent. Urs Matthiessen, Zahnarzt in Mels SG: «In der Schweiz wird zu 98 Prozent alternatives Füllungsmaterial verwendet. Da Amalgam jedoch nicht verboten ist, wird es von einzelnen Zahnärzten immer noch verwendet.»

Ein Krankmacher?

Ob Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson, ALS, Autismus, Multiple Sklerose oder Hormonstörungen, Magen-Darm-Probleme, chronische Müdigkeit oder Konzentrationsmangel eine Folge von Amalgam-Füllungen sein können, ist weder belegt noch widerlegt. «Darüber, ob es gefährlich ist oder nicht, streiten sich Expertinnen und Experten heftig. Sicher ist, dass Quecksilber in hohen Mengen ein Nerven- und Lebergift ist, das Symptome auslösen kann. Typische Anzeichen einer Quecksilbervergiftung sind Händezittern und agitiertes Verhalten, also starke Unruhe», erklärt der Zahnarzt. Warum werden dann – um ganz sicher zu gehen – nicht einfach ausschliesslich Alternativen als Füllung verwendet? Urs Matthiessen: «Die heute vorwiegend eingesetzten Kunststoff-Komposite oder Glasionomerzemente sind nicht gleich langlebig wie eine Amalgamfüllung und erfordern beim Legen der Füllung absolute Trockenheit im Mund. Doch die Vorteile überwiegen: Sie werden mit dem Zahn direkt verklebt, es sind sehr kleine Füllungen möglich und das in Zahnfarbe.» Und natürlich sind sie gesundheitlich unbedenklich.

Lassen oder auswechseln?

Sollte man also ab auf den Zahnarztstuhl, um die letzten Amalgamfüllungen austauschen zu lassen? «Jede Füllung ist ein Eingriff – bestehen keine Beschwerden, ist grundsätzlich von jedem Eingriff abzuraten», gibt der Spezialist zu bedenken. «Ausserdem können beim Auswechseln die häufig rissigen und spröden Kronenwände abbrechen oder Zähne nach der Versorgung mit neuen Füllungsmaterialien überempfindlich reagieren. Zudem entsteht während der Entfernung erneut Quecksilber-Dampf, was den Körper verstärkt belastet.»

Die Angst vor solchen Komplikationen, die viele Menschen zögern lässt, ist also nicht unbegründet. Dennoch gibt es Situationen, in denen Urs Matthiessen seinen Patientinnen und Patienten klar zur Entfernung rät: «Wenn eine Amalgamfüllung nicht mehr glänzt, sondern schwarz und matt erscheint, findet Korrosion statt. Dabei werden ständig Spuren von Quecksilber freigesetzt. Ist die Amalgamfüllung schwarz verfärbt, nicht mehr randdicht oder verspürt die Person einen Aufbiss-Schmerz, wird es Zeit, das Amalgam zu entfernen und den Zahn mit einem zeitgemässen Material zu ersetzen.» Dabei sollte die Zahnärztin auf gutes Absaugen der Füllungspartikel und der Aerosole achten. Damit keine zu hohen Temperaturen entstehen, wird der Bohrer während dem Schleifen mit Wasser gekühlt.

Auf diese Weise wird der Patient vor einer hohen Queck­silber-Belastung während dem Eingriff geschützt und kann sich auf eine giftärmere Zukunft mit einem rundum zahnweissen Lächeln freuen.