Mehr Muskeln, mehr Lebensfreude

Das beste Rezept, um im Alltag beweglich zu bleiben und Stürzen vorzubeugen? Krafttraining! Denn Muskeln kann man in jedem Alter auf­bauen und erhalten.

Von Petra Koci

Krafttraining ist nur für Menschen, die sich einen Waschbrettbauch wünschen? Keinesfalls. Denn Krafttraining hat auch positive Auswirkungen auf die Gesundheit, gerade wenn wir älter werden: Es unterstützt den Erhalt von Muskelkraft, Knochendichte und Beweglichkeit. Das hilft nicht nur, alltägliche Tätigkeiten wie Gartenarbeit, Haushalt und Hobbys zu verrichten. Starke Muskeln dienen auch als Sturzprävention und können mithelfen, dass wir länger selbständig bleiben. Denn ein Sturz ist nicht selten der Auslöser für den Umzug ins Alters- oder Pflegeheim. 

Forschungsergebnisse deuten zudem darauf hin, dass Krafttraining – wenn mit ausreichend Intensität durchgeführt – die kognitiven Funktionen älterer Menschen verbessert. «Vermutet wird, dass dabei bestimmte hormonähnliche Botenstoffe wie BDNF (Brainderived neurotrophic factor) und IGF 1 (Insulinlike growth factor 1) sowie eine erhöhte Hirndurchblutung eine Rolle spielen», sagt Gommaar D’Hulst, Oberassistent am Institut für Bewegungswissenschaft und Sport der ETH Zürich. 

Schon ab 30 Jahren nehmen unsere Muskeln laufend ab, wenn wir nicht trainieren. Ab etwa 55 Jahren dann noch schneller. Bei einem übermässigen Abbau der Muskulatur und Muskelkraft im Alter spricht man von Sarkopenie. Die gute Nachricht: Die Muskulatur kann man in jedem Lebensalter wiederaufbauen und erhalten – und zwar in einigermassen kurzer Zeit. So konnte in einer Studie eine Erhöhung des Muskelvolumens bei älteren Frauen und Männern bereits nach sechs bis neun Wochen nachgewiesen werden.  

Sinn und Zweck des Krafttrainings ist es, die mechanische Belastung des Gewebes – Muskeln, aber auch Sehnen und Knochen – zu erhöhen. Vereinfacht gesagt löst die Belastung Signale aus und Muskelzellen werden angewiesen, neue Strukturproteine zu bilden. Wer also mehrere Wochen lang Krafttraining macht und zeitnah eine proteinhaltige Mahlzeit einnimmt, baut seine Muskeln auf, kräftigt seine Sehnen und regt den Knochenstoffwechsel an. Das kann helfen, Osteoporose vorzubeugen. «Die mechanische Belastung ist absolut entscheidend», so der ETH-Experte für Bewegung und Gesundheit: «Das Widerstandstraining muss regelmässig, mehr als zweimal pro Woche, mit hoher Intensität durchgeführt werden, um ein langfristiges Wachstum zu bewirken. Vor allem im höheren Alter, wenn das Gewebe weniger auf die äusseren Reize reagiert.»

Interessant ist, dass wir verschiedene Muskelfasern haben. Da sind einerseits Typ-1-Muskelfasern, auch rote Muskelfasern genannt. Diese erzeugen weniger Kraft, sind aber ermüdungsresistenter und daher geeignet für anhaltende Aktivitäten mit geringer Intensität. Wir brauchen sie etwa beim aufrechten Sitzen, Gehen oder beim Halten von leichten Gegenständen. Rote Muskelfasern werden bei der mechanischen Belastung zuerst adressiert. 

Wird die Trainingsbelastung erhöht, werden die Typ-2- oder weissen Muskelfasern angesprochen. Diese erzeugen eine grössere Kraft, ermüden aber schneller und sind daher für kurze, intensive Bewegungen wie Sprints oder das Heben schwerer Gewichte geeignet. Die weissen Muskelfasern kommen auch zum Einsatz, wenn man zum Beispiel stolpert: Wenn man also blitzschnell reagieren und den Körper auffangen muss. 

Wie trainiert man denn am besten, gerade wenn man die Sturzprävention in Hinterkopf hat? «Dafür muss der Muskel während des Krafttrainings erschöpft werden, um alle Typ-2-Muskelfasern teilhaben zu lassen», so der Bewegungswissenschaftler: «Dies kann durch das Heben schwerer Gewichte für einige Wiederholungen geschehen. Aber auch durch die Verwendung des eigenen Körpergewichts oder durch Widerstandsbänder mit geringerer Belastung, aber mit mehr Wiederholungen beinahe bis zur Erschöpfung.»

Der Trainingsplan für mehr Muskeln und positive Effekte auf die Gesundheit ist also vorgegeben: Mehr als zweimal pro Woche Krafttraining und dabei die Muskeln fordern, bis sie brennen. Gommaar D’Hulst rät, zusätzlich auch etwa die Balance, Koordination oder Ausdauer zu trainieren, egal ob Tanzen, Badminton oder Wandern: «Ich empfehle auf jeden Fall, alle Sportarten zu kombinieren, die Lebensfreude und ein Gefühl der Gemeinschaft vermitteln.»