Masern-Erkrankung: Ansteckend und unnötig

Masern sind hochansteckend und gefährlich. Die Impfung schützt weitgehend.
  
Bis Ende Jahr sollte sie in Europa ausgerottet sein. Statt dessen hat 
die Masern-Erkrankung jetzt offenbar wieder einen neuen Anlauf 
genommen. Dabei gibt es schon lange eine Impfung dagegen.
  
Erbarmungswürdig sehen sie aus, Kinder, die mit Masern im Bett liegen. Und so fühlen sie sich auch. Richtig schlimm krank. Die «Kinderkrankheit» bringt nicht nur einen Haut­aus­schlag mit sich, sondern wirkt sich auch auf den Gesamtzustand aus – man fühlt sich elend.
 
Aber das ist nicht alles: Masern führen immer wieder zu schweren Komplikationen. Die Viren schwächen das Immunsystem, können Lungen-, Mittelohr- oder sogar Gehirnentzündungen hervorrufen. Hat man sie mal erwischt, so gibt es keine Therapie, man kann nur noch die Symp­tome bekämpfen.
 
Vor dem Ausbruch allerdings lässt sich die hochansteckende Krankheit durchaus in Schach 
halten: Man kann sich impfen dagegen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfiehlt die Impfung, die aus zwei Impfdosen besteht. «Das Ziel, dass 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sind, rückt in der Schweiz langsam in Griff­nähe», erklärt Daniel Koch, Leiter übertragbare Krankheiten beim BAG. «Nachholbedarf besteht bei den Impflücken, bei vergessenen und verspäteten Impfungen, was besonders jüngere Erwachsene betrifft.» Mit seiner Masern-Elimina­tionsstrategie gehe der Bund das Problem aber an. «Die zweite Impfdose schützt zu 98 Prozent.»
 
Wie sieht es denn aus bei uns mit der Masern-Gefahr? Wir fragen BAG-Experte Daniel Koch:
Gibt es in diesem Jahr mehr 
Masern-Fälle als andere Jahre?
Daniel Koch: «Nein, wir rechnen mit eher weniger Kranken. Glücklicherweise hatten wir in den letzten Jahren nur noch vereinzelte Ausbrüche. Einer der letzten grösseren war im Zeitraum von 2006 bis 2009 mit rund 4400 Fällen, ein kleiner in der Innerschweiz 2013.
Wir steuern also nicht auf eine 
Masern-Epidemie zu?
Das ist nicht vorhersehbar. Rein theoretisch haben wir noch ge­nügend Leute, die nicht geimpft sind, sodass eine Epidemie 
möglich wäre. Aber wir sind so nahe an der Grenze von 95 Prozent Geimpften, dass man keine Prognose machen kann. Wenn 
die Bevölkerung zu 95 Prozent 
geimpft ist, weiss man, dass es 
zu keiner Epidemie mehr kommt.
Dann kann man Ausbrüche 
verhindern?
Ja, mit Impfen. Dadurch lässt 
sich die Ansteckungsgefahr massiv verringern. Es gibt dann nur noch vereinzelte Fälle, z. B. durch Reisen ins Ausland. Oder kleinere Ausbrüche, die sich relativ schnell kontrollieren lassen.
Ist man mit zwei Impfdosen 
lebenslänglich geschützt?
Ja. Und je mehr Menschen sich impfen lassen, desto besser sind auch diejenigen geschützt, die noch keine Impfung haben.
Also soll man sich zweimal impfen lassen?
Wir empfehlen zwei Impfdosen 
als Kind, da es durch die vielen Kontakte der Kinder unterein­ander zu mehr Ansteckungen kommt. Aber wer erwachsen und nicht geimpft ist, sollte sich un­bedingt nachimpfen lassen, weil Masern im Erwachsenenalter 
noch viel gefährlicher sind als 
im Kindesalter. Die Komplika­tionsrate steigt massiv. Unsere 
Masern-Eliminationsstrategie legt den Schwerpunkt dieses Jahr genau darauf.
Wieso lassen Eltern ihre Kinder 
nicht impfen?
Wir unterscheiden da zwei Gruppen: einerseits Menschen, die aus weltanschaulichen oder religiösen Gründen gegen das Impfen sind, das ist eine kleine Gruppe. Viel wichtiger ist die andere: Eltern, die sich genau informieren wollen, die an der Notwendigkeit zweifeln. Hier hat man Erfolg mit guter Information.
Indem man ihnen die Angst nimmt vor der Impfung?
Und ihnen vor allem anhand der möglichen schweren Folgen den Sinn erklärt. Die Leute haben fast keine Angst mehr vor Masern, weil man sie im eigenen Umfeld kaum mehr erlebt. Passiert dann etwas, erkennt man, dass die Krankheit doch nicht so harmlos ist. Das Zweite ist, dass der 
Impfung viel Schlechtes nach­gesagt wird, das erwiesener­massen nicht stimmt. So gab es eine Studie, die beweisen wollte, dass die Masernimpfung Autismus fördert. Diese Studie war 
aber nachweislich getürkt und wurde später zurückgezogen.
Stellt die Impfung selbst denn 
keine Gefahr dar?
Jede Impfung löst im Körper eine Reaktion aus – das will man auch, damit das Immunsystem reagiert. 
Es gibt bei Masernimpfungen 
relativ häufig leichte Nebenwirkungen wie etwas Fieber. Aber das ist kein Grund, sich nicht 
zu impfen, denn im Vergleich 
zu den echten Masern sind diese Nebenwirkungen unvergleichlich weniger schlimm.
Können auch Erwachsene Masern bekommen?
Ja, und das ist häufig sogar gefährlicher als bei Kindern. Wir machen deshalb die jungen Erwachsenen darauf aufmerksam, dass sie ihren Impfstatus überprüfen und sich wenn nötig impfen lassen. Viele wissen gar nicht, dass sie nicht genügend geschützt sind. Dabei kann man einen ganz ein­fachen Risiko-Check machen (www.stopmasern.ch).
Früher galten Masern als harmlose 
Kinderkrankheit, die man einfach durchgemacht haben musste …
«Kinderkrankheit» heisst sie, weil 
es eine Krankheit ist, die so leicht übertragbar ist, dass sie meistens Kinder bekommen. Das gilt aber auch für andere Krankheiten wie für die Kinderlähmung, die ja wirklich nicht harmlos ist. Aber auch Masern sind nicht ganz so harmlos, wie man das gerne glauben möchte. Man kann daran sterben, es gibt eine hohe Komplika­tionsrate, auch bei Kindern, und immer wieder kommt es deshalb zu Spitaleinweisungen.
Kann man Masern in Europa 
ganz ausrotten?
Der ganze amerikanische Kontinent hat gezeigt, dass man das kann. Länder in Europa wie Finnland haben es seit Jahrzehnten 
geschafft. Die Frage ist, machen alle mit? Wir versuchen auf jeden Fall, in der Schweiz unseren 
Beitrag dazu zu leisten. Dieses Jahr ist denn auch das letzte 
und entscheidende bei unserer Masern-Eliminationsstrategie, die wir 2011 lanciert haben.