Mag sein oder auch nicht

Was ist dran am Rheumaschmerz bei Regen? Oder am Sturm im Kopf bei Föhn? Wetterfühligkeit ist ein wissenschaftlich ungeklärtes Phänomen – und kann weder nachgewiesen noch ausgeschlossen werden.

Von Petra Koci

Gerade im Frühling und Herbst kann sich das Wetter unstabil zeigen: von Sturm zu Sonnenschein, von Schnee zu Regen innerhalb von wenigen Stunden. Dazu fahren die Temperaturen Achterbahn. Ob die Wetterwechsel Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben? Fragt man die Allgemeinheit, dann bejahen dies viele Menschen. In zwei Studien aus Kanada und Deutschland haben über 50 Prozent der Befragten ausgesagt, dass sie annehmen, dass bestimmte Wetterbedingungen ihre Gesundheit in irgendeiner Weise beeinflussen. Fragt man Fachpersonen aus Medizin und Forschung, dann bleiben diese aufgrund der dünnen Datenlage zurückhaltend, wie Dr. med. Johannes Gutwald bestätigt: «Ob und wie Wetterbedingungen auf die Gesundheit einwirken, kann derzeit medizinischwissenschaftlich nicht beantwortet werden. Es ist bisher weder nachgewiesen noch ausgeschlossen.»

Unter Wetterfühligkeit versteht man, dass bestimmte Wetterbedingungen intuitiv zu gesundheitlichen Beschwerden führen. «Als häufigste Symptome werden Kopfschmerzen oder Migräne, Lethargie, Schlafstörungen, Müdigkeit und Gelenkbeschwerden genannt», so der Präventivmediziner (MSc) und Arzt für Dermatologie/Venerologie mit Praxis im Arzthaus Zürich-City. Vor allem bei stürmischem Wetter, Kälte, Feuchtigkeit und Regen machen Patienten Beschwerden aus. «Ob aber bestimmte Wettersituationen und faktoren spezifische Beschwerden auslösen, ist nicht bekannt.» Auch unklar ist, ob einige Witterungen bereits bestehende Beschwerden verstärken. Denn einige Forscher unterscheiden zwischen Wetterfühligkeit bei Menschen, die grundsätzlich gesund sind – und Wetterempfindlichkeit, wenn chronisch Kranke mit Vorbelastung mehr unter der Witterung leiden. 

Wetterreagierend – nun, das sind wir alle, rund um die Uhr. Unser Organismus reagiert auf äussere Einflüsse: Kälte, Wärme, schwüle Luft und intensive Sonnenstrahlung können das Herz-Kreislauf-System belasten. Dann muss unser Körper die Temperatur regulieren, wir schwitzen bei Hitze und frieren bei Kälte. 

Bei einem Wechsel vom Wetterhoch zum tief und umgekehrt entsteht ein Luftdruckwechsel. Allein der Begriff «Druck» könnte dazu verführen, hier die Ursachen für Beschwerden zu suchen. Allerdings ist Luftdruck keine mechanische Belastung, wie Forschende feststellten, und Menschen können leichte Druckunterschiede gar nicht wahrnehmen. Denn der Druckunterschied zwischen einem Hoch- und einem Tiefdruckgebiet entspricht etwa jenem zwischen dem Parterre und dem 10. Stock eines Hochhauses. 

Also alles nur Einbildung? Subjektives Empfinden ist zwar belegt. Aber objektiv einen Zusammenhang zu messen, ist schwer und bisher, trotz verschiedener Studien, nicht nachgewiesen. Manche Fachleute verweisen auf einen möglichen psychologischen Effekt: Wer etwa Biowetter-Prognosen studiert oder generell überzeugt ist, dass eine Wetterlage Beschwerden auslöst oder verstärkt, könnte tatsächlich die erwarteten Beschwerden spüren.

Oder könnte es sein, dass sich bei einigen Menschen die Aktivität des vegetativen Nervensystems bei heftigen und abrupten Wetterumschwüngen verändert? So zumindest eine weitere Hypothese. Dies könnte die Schmerzwahrnehmung und Entzündungsprozesse beeinflussen. Womöglich spielt auch noch die individuelle Tagesform – zu viel Stress, zu wenig Schlaf etc. – eine Rolle. 

Aber auch hier: Wissenschaftliche Nachweise fehlen. Entsprechend gebe es aus medizinischer Sicht auch keine empfohlenen Präventionsmassnahmen, wie Dr. med. Johannes Gutwald erklärt. Ein gesunder Lebensstil könne aber sicher eine gute Basis sein: «Grundsätzlich würde ich annehmen, dass Menschen mit einer gesunden Ernährung, reichlich Bewegung und ausreichend Schlaf eher gut gegen Wetterfühligkeit gerüstet sind.» 

Und sicher schadet es auch nicht, regelmässig und bei jedem Wetter an die frische Luft zu gehen, den Körper den Launen der Natur auszusetzen und das vegetative Nervensystem zu stärken.