Leben im Doppelpack

Was verbindet Zwillinge? Ist die Beziehung tatsächlich so einmalig, wie man sich das vorstellt? Oder nervt es auch, wenn man ­immer nur als Duo wahrgenommen wird? Die Autorin Mara Braun hat nachgefragt.

Die Faszination, die wir verspüren, wenn wir Zwillingen begegnen, ist eigentlich eine mit uns selbst. Genauer mit der Vorstellung, wie es wohl wäre, selbst ein Zwilling zu sein, einen Doppelgänger und Seelengefährten zu haben, der alles von uns wortlos versteht und weiss. Darin steckt auch der Wunsch, etwas von sich in einem anderen zu sehen, ganz ähnlich, wie ihn Verliebte spüren, die sich vorstellen, ein gemeinsames Kind zu bekommen», erklärt Mara Braun. Sie hat für ein Buch 20 Zwillingspaare unterschiedlichen Alters über das Zwillingsdasein befragt.

GlücksPost: Weshalb haben Sie ein Buch über Zwillinge geschrieben? Sind Sie einer?

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Mara Braun (Bild oben): Nein, bin ich nicht, aber mich haben Zwillinge schon als kleines Mädchen fasziniert. Vielleicht auch, weil meine Patentante einer war und sie mich sehr geprägt hat. Ausserdem ist meine beste Freundin Mama von Zwillingen, insofern begleitet mich das Thema.

 

Es wird behauptet, Zwillinge spüren, wenn es dem anderen nicht gut geht, auch wenn er weit weg ist. Stimmt das? Und was macht das besondere Band überhaupt aus?

Ich habe mit einem Mediziner und Psychologen gesprochen und erfahren, dass sich dieses besondere Band im wissenschaftlichen Sinne nicht belegen lässt. Trotzdem sprechen sehr viele Zwillinge davon. Nach all meinen Begegnungen mit ihnen denke ich, dass diese enge Bindung entscheidend damit zu tun hat, dass sie von Beginn an eine sehr grosse Nähe teilen. Bereits im Mutterleib, zu einem Zeitpunkt, zu dem jedes andere Baby noch alleine wächst und sich entwickelt, sind sie schon zu zweit. Ausserdem ähneln sich die Lebenserfahrungen stärker als bei «normalen» Geschwistern, weil sie gleich alt sind und viele Erfahrungen gemeinsam machen. Das alles führt sicher dazu, dass sie ein besonderes Gespür füreinander entwickeln.

 

Sie haben mit eineiigen ebenso wie mit zweieiigen Zwillingen gesprochen. Konnten Sie da Unter-schiede feststellen?

Die meisten zweieiigen, mit denen ich gesprochen habe, identifizieren sich genauso stark als Zwillinge wie die eineiigen. Und dieses Selbstverständnis strahlen sie auch aus. Ich lag tatsächlich mehrfach daneben, wenn ich bei Zwillingen tippen sollte, ob sie ein- oder zweieiig sind. Gerade Mimik und Gestik waren oftmals auch bei den zweieiigen unglaublich ähnlich, fast wie Spiegelbilder.

 

Zwillinge werden, vor allem wenn sie sehr ähnlich aussehen, oft als Einheit wahrgenommen und nicht als eigenständige Persönlichkeiten. Wie wichtig ist es, dass Eltern da die Individualität fördern?

Ich denke, es gibt da keine Patentrezepte. Jede Familie muss ihren eigenen Weg finden. Warum sollte man Kinder, die sehr anein­ander hängen, in der Schule trennen? Warum andererseits Zwillinge, die das nicht wollen, in identische Kleider stecken, weil es der Zeitströmung entspricht? Generell kann man bei Zwillingen beobachten, dass sie von ihren Eltern seltener individuelle Aufmerksamkeit bekommen und auch viel mehr Zeit mit ihrer gleichaltrigen Schwester oder dem Bruder verbringen, als es «normale» Geschwister tun.

 

«Wenn du mich hast, hast du alles», sagt Frieda in Ihrem Buch. Ist es immer ein Vorteil, ein Zwilling zu sein?

Jede Situation hat Vor- und Nachteile. So auch diese. Die Frage ist doch, was überwiegt. Wie das bei Zwillingen ist, können sie letztlich nur selbst beantworten. Meine Erfahrung aus den Gesprächen ist aber die, dass sie es als unheimlich kostbar wahrnehmen, einander zu haben, und sich ein Leben ohne den Zwilling nicht vorstellen können. Wobei ich da die Einschränkung machen muss, dass sich komplett zerstrittene Zwillinge bei mir auch nicht für das Buch gemeldet haben.



Buchtipp:
Mara Braun: «Unzertrennlich», Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Fr. 14.90. 

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