Heilkraft auf vier Beinen

Niedlichkeitsfaktor: hoch. Heilfaktor: ­genauso hoch. Tiere wirken als Co-Therapeuten positiv auf Psyche und Emotionen von uns Menschen und können allein durch ihreAnwesenheit viel auslösen.

Seit es Menschen gibt, gibt es Beziehungen zwischen Menschen und Tieren. Schon immer waren sie viel mehr als nur Nahrungsquelle oder Nutztier. Für viele Menschen sind  Tiere unverzichtbare Begleiterinnen und Begleiter, häufig sind Haustiere wie Hunde, Katzen und Meerschweinchen echte Familienmitglieder. Kein Wunder: Sie bringen uns zum Lachen, trösten uns, wenn wir traurig sind, oder spüren sofort, wenn wir krank sind. Genau das macht sie so wertvoll. Seit vielen Jahren werden Tiere aufgrund ihrer Eigenschaften im sozialen und therapeu­tischen Bereich eingesetzt. Erwachsene und Kinder mit psychischen Problemen, mit Verhaltensschwierigkeiten, speziellem Förderbedarf, Menschen mit Demenz oder körperbehinderte Kinder – sie alle können von der tierischen und oft erstaunlichen Wirkung profitieren.

Tiere als Türöffner

Das weiss auch Gisela van der Weijden, Leiterin der tiergestützten Therapie am Rehab Basel: «In der Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Psychotherapie setzen wir das Tier als Co-Therapeuten ein. Es wirkt als Türöffner für eine ‹spielerische› Therapie, bei welcher der Mensch etwas für das Tier machen kann – wodurch das Training vielen leichter fällt. Beispielsweise Steh- und Geh­training, welches beim Striegeln oder Füttern eines Pferdes in den Hintergrund tritt. Die Therapie wird nicht als anstrengend erlebt, und die Patientinnen und Patienten sind am Ende erstaunt über das, was sie alles geschafft haben.» Gisela van der Weijden erlebt dies täglich bei ihrer Arbeit. «Die Tiere wirken allein durch ihre Existenz auffordernd. Alles, was für das Tier gemacht werden kann, ergibt einen Sinn: streicheln, füttern, Fellpflege, spielen, mit dem Tier sprechen, beobachten, rufen.» Lernprozesse können so gefördert, die verbale Inter­aktion angeregt, depressive Symp­tome und Ängste reduziert und die Motivation für die Therapie gesteigert werden. Ausserdem wirkt sich die Anwesenheit von Tieren positiv auf den Blutdruck und Stress-Symptome aus.

Welches Tier hilft wem?

Die tierischen Co-Therapeuten am Rehab Basel sind Nutz- und Haustiere wie Meerschweinchen, Hühner, Katzen, Schafe, Ziegen, Pferde, Maultiere, Minipigs (kleine Hausschweine) oder Hunde. Doch bei welchen Erkrankungen bietet sich eine tier­gestützte Therapie eigentlich an? «Grundsätzlich können alle Menschen davon profitieren, unabhängig von ihrer Krankheits­geschichte. Voraussetzung ist eine of­fene, ­empathische Haltung Tieren gegenüber und das Inte­res­se, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Ausschlusskriterien sind lediglich Aller­gien, Patientinnen mit Immunsuppressiva oder mit Ge­waltbereitschaft.»

Letzteres sei ein wichtiger Punkt, denn das Tierwohl stehe an erster Stelle, erklärt die Therapeutin. «Das Tier muss gesund sein und eine positiv geprägte Tier-­Mensch-­Beziehung mitbringen. Unsere Tiere haben während der Therapie immer die Möglichkeit, sich zurückzuziehen, und ­bekommen zwischen den Einsätzen genügend Erholungszeit. Mehr als zwei Einsätze pro Tag gibt es nicht, sonst besteht die ­Gefahr, dass das Tier die Freude an seiner Arbeit verliert. Ist alles gewährleistet, kann es diese Stunden genauso geniessen wie der Patient, die Patientin.»

Ein Allheilmittel ist tiergestützte Therapie natürlich nicht. Aber vielen Menschen kann sie Freude schenken, sie von Schmerz und Leid, körperlich und seelisch, ablenken. Nach der ersten Kontaktaufnahme mit dem Tier beginnt die eigentliche Therapie. Gisela van der Weijden: «Es ist alles denkbar, was für und mit dem Tier gemacht werden kann und einen therapeutischen Nutzen hat. Beispielsweise Fellpflege, das Futter vorbereiten, einen Parcours für das Tier planen, aufstellen und mit dem Tier durch den Parcours gehen – es gibt kaum Grenzen.»