Haarverlust – und jetzt?

Haarausfall ist ein natürlicher Prozess, von dem Männer stärker betroffen sind als Frauen. Doch wo verläuft die Grenze zwischen normal und krankhaft?

Eine schöne und volle Haarpracht ist attraktiv. Leider bleibt dies nicht ein Leben lang so. Mit zunehmendem Alter beginnen die Haare auszufallen und dünner zu werden. «Im Laufe des Lebens kann sich die Haarmenge aus ganz unterschiedlichen Gründen verändern», sagt Pierre de Viragh, Leiter der Haarsprechstunde an der Dermatologischen Universitätsklinik des Inselspitals Bern. Erblich bedingte sowie hormonelle Gründe spielen dabei die Hauptrolle.

Haarausfall – ein normaler Prozess

Der Verlust von Haaren ist daher ein natürlicher Prozess. «Der Mensch verliert in der Regel zwischen 20 und 50 Haare täglich. Es können aber auch deutlich über 100 sein», so der Arzt. «Das ist sehr individuell und kein Grund, in Panik zu geraten. Haare zählen bringt also nichts.» Männer leiden hormonbedingt unter stärkerem Haarausfall als Frauen. Letztere sind vor allem im Alter davon betroffen, wenn das Östrogen als Gegenspieler des männlichen Geschlechtshormons Testosteron abnimmt. Auch an welcher Stelle am Kopf am meisten Haare ausfallen, ist geschlechtsabhängig. Kinder können bei Beginn der Pubertät ebenfalls von Haarausfall betroffen sein. «Eine Hormonabklärung ist dann sinnvoll, auch wenn eine Hormonstörung glücklicherweise selten vorliegt.»

Männer sind häufiger betroffen

Der häufigste Haarausfall bei Männern wie bei Frauen ist anlagebedingt und wird in der Fachsprache androgenetische Alopezie genannt. Diese nicht krankhafte Form tritt bei zwei Dritteln der Männer auf. Bei den Frauen ist jede zweite davon betroffen. Bei Männern beginnt dieser Haarausfall meist mit dem Zurückweichen der Haare an den Schläfen – es entstehen die sogenannten Geheimratsecken. Im fortgeschrittenen Stadium sind dann auch die oberen und hinteren Bereiche des Kopfes betroffen.

Bei Frauen tritt der Haarverlust später auf und nimmt einen anderen Verlauf. Eine komplette Glatze wird beim weiblichen Geschlecht selten beobachtet. Ursachen für den erblich bedingten Haarausfall sind Gene, androgene Hormone sowie das Lebensalter. «Es ist erblich nicht nur festgelegt, in welchem Alter der Haarausfall beginnt, sondern auch, wie schnell er voranschreitet und wie grossflächig er ist», so Pierre de Viragh.

Eisenmangel: häufigste Ursache bei Frauen

Es gibt aber auch Haarausfall, der auf eine Krankheit oder eine Mangelerscheinung zurückgeführt werden kann. So ist, nebst dem vererbten Haarausfall, Eisenmangel die weitaus häufigste Ursache bei Frauen im Menstruationsalter. «Zum Arzt sollte man, wenn ein übermässiger Haarverlust verzeichnet wird bzw. wenn man feststellt, dass das Haar im Vergleich zu gleichaltrigen Menschen wesentlich stärker ausgedünnt ist», so Pierre de Viragh. Der kreisrunde Haarausfall (Alopecia areata) oder der diffuse Haarausfall (diffuse Alopezie) können auf Stress oder eine Krankheit (zum Beispiel eine Autoimmunerkrankung) hinweisen und sollten von einem Hautarzt diagnostiziert und behandelt werden. Mittels spezieller Untersuchungen (zum Beispiel eines Haarwurzelstatus) kann die Ursache für den Haarverlust ermittelt werden.

Medikamente können Abhilfe schaffen

Leider lässt sich dem anlagebedingten Haarausfall nicht vorbeugen, da er zum Älterwerden gehört und die erbliche Veranlagung ihren Lauf nimmt. «Die auf dem Markt erhältlichen Ergänzungsmittel können schönere, aber leider nicht zusätzliche Haare machen», erklärt Pierre de Viragh. Für den «normalen» Haarausfall gibt es Medikamente. Eines davon wird als Haarwasser aufgetragen. Man muss dieses jedoch ein Leben lang anwenden, weil beim Stopp ein massiver Haarausfall auftritt. Ist eine Mangelerscheinung bzw. eine andere Krankheit für den Haarausfall verantwortlich, wird der Haus-, Frauen- oder Hautarzt die zugrundeliegende Erkrankung behandeln.