Glücksrausch im kalten Nass

Eisbaden liegt im Trend. Das anregende Kältetraining im Wasser soll das Immunsystem stärken und für gute Laune sorgen.

Manch eine fröstelt schon, wenn sie sich das Ganze nur vorstellt: Mit Badehose und einer Wollkappe bekleidet begeben sich immer mehr Menschen freiwillig ins eiskalte Nass, um dort einen Moment zu verweilen oder sogar ein paar Züge zu schwimmen. Keine Frage: Eisbaden liegt im Trend. 

Richtig bekannt wurde das Winterschwimmen durch den Holländer Wim Hof, der vor allem auf Social Media mit seinen extremen Kälteerlebnissen für Aufsehen gesorgt und eine eigene Methode für den kalten Sport entwickelt hat. Hof führt heute Workshops durch und ist Ausbildner für Instruktoren. 

Einer von ihnen ist der Zürcher Team Coach Simon Hegener. Er ist überzeugt, dass sich das Kältetraining höchst positiv auf Körper und Geist des Menschen auswirkt. «Die Kälte des Wassers ist nicht nur wie ein Booster für unser Immunsystem, sondern macht auch den Kopf frei», sagt der Coach, der die Swiss Cold Training Association in der Schweiz mitgegründet hat. Zudem sorge das kalte Wasser für eine Adrenalinausschüttung und damit einen wahren Glücksrausch. Auch soll die Kälte das sogenannte braune Fettgewebe aktivieren und auf diese Weise Übergewicht und Diabetes Typ II vorbeugen. «Darüber hinaus stärkt Eisbaden das Immunsystem, verbessert den Schlaf, wirkt schmerzlindernd und entzündungshemmend.» Selbst bei der Behandlung von Depressionen soll sich die Kälte bewährt haben.

Es ist aber vor allem der gesundheitliche Nutzen im mentalen Bereich, den die Anhängerinnen und Anhänger des eisigen Vergnügens so schätzen. «Es geht darum, den Stress des Kälteschocks auszuhalten und dabei ruhig und fokussiert zu bleiben. Es ist eine Art Meditation, die einem Selbstvertrauen, Fokussierung und ein grosses Glücksgefühl beschert.»

Wenn die Wassertemperatur auf 15 Grad und tiefer sinkt, kann man gemäss Simon Hegener bereits von Kältetraining reden. Als Faustregel gilt: Je kälter das Wasser, umso kürzer sollte man darin verweilen. Für den Anfang reiche es, fünfzehn Sekunden kalt zu duschen, um sich an die körperlichen Reaktionen und den intensiveren Atemreflex zu gewöhnen. Neulingen empfiehlt Simon Hegener zudem, von Schwimmbewegungen abzusehen, da diese den mentalen Fokus einschränken. «Allein der Kontakt mit kaltem Wasser genügt, also bereits darin zu sitzen oder zu stehen.» Dabei sei eine Verweildauer von einer bis drei Minuten völlig ausreichend. «Mässigung und Kontinuität sind viel wichtiger als Intensität.»

Auch die Aufwärmzeit nach dem Bad müsse trainiert werden und sollte so kurz wie möglich ausfallen. Generell gelte es, danach nicht heiss zu duschen oder heisse Getränke zu sich zu nehmen (Verbrühungsgefahr). «Was hilft, sind leichte Bewegungen der grossen Muskeln, damit der Fokus bewahrt werden kann.» Später kann die Aufwärmphase mit Atemtechniken und Fokusübungen ergänzt werden.

Winterschwimmen ist jedoch nicht für alle geeignet. So sollten Menschen, die an Herz-Kreislauf-Beschwerden und Erkrankungen leiden, darauf verzichten. Risikofaktoren, die es zu beachten gilt, sind unter anderem akute und chronische Atemwegserkrankungen, unbehandelter Bluthochdruck, Untergewicht und Schwangerschaft. Zudem rät der Coach allen Personen ab 50 Jahren, die neu mit dem Eisbaden anfangen wollen, sich vorher ärztlich checken und beraten zu lassen. Denn sie gehören zur Risikogruppe für Transient Global Amnesia, da das plötzliche Eintauchen in kaltes (oder auch heisses) Wasser zu einem vorübergehenden Gedächtnisverlust führen kann. Daher sei es auch wichtig, nie allein ins kalte Wasser zu steigen und eine Begleitperson bei sich zu haben, die im Zweifelsfall anschliessend das Auto fahren könne. «Möglicherweise ist man durch die Auskühlung etwas verwirrt und nicht mehr fahrtüchtig.»