Gestärkt gegen die Pollen

Die Heuschnupfen-Saison ist vorbei, doch für Pollen-Geplagte ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um mit einer Immuntherapie zu beginnen.

 

Tränende Augen, Schnupfen, Niesen, Jucken, Bindehautentzündung oder sogar Asthma – immer mehr Menschen leiden unter Heuschnupfen und Allergien. «Seit mehreren Jahrzehnten nimmt die Häufigkeit der Allergiekrankheiten mit ihren erheblichen Auswirkungen auf die Gesundheit zu», weiss Dr. Andreas Pawlik, Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten in Sargans SG. «Dies hängt laut neueren Studien mit unserem Lebensstil zusammen.» Wir wachsen immer «steriler» auf, kommen seltener mit Krankheitserregern in Kontakt. Unser Immunsystem beginnt, gegen harmlose Substanzen wie Pollen, Nahrungsmittel oder Staub vorzugehen und bildet Antikörper. Zudem dauert die Pollensaison immer länger, die Menge der Pollen in der Luft nimmt zu, und ihre Allergene sind aggressiver.

Aber warum reagiert der eine mit einer Allergie, der andere nicht? Dr. Pawlik: «Allergiker kann man werden, wenn man genetisch disponiert ist, das heisst, wenn Allergien in der Familie gehäuft vorkommen und man zusätzlich einer Umwelt ausgesetzt ist, die Allergien begünstigt.» Der Körper reagiert in diesem Fall überempfindlich auf Eiweisse von Pollen, auf die sogenannten Allergene. Diese binden sich an die weissen Blutkörperchen, die wiederum veranlassen, dass der Botenstoff Histamin ausgeschüttet wird. Das Histamin löst dann die allergische Reaktion aus. Der Körper merkt sich diese Immunreaktion und reagiert beim nächsten Kontakt mit diesem Allergen sofort mit einer Allergie.

Wird jemand mit genetischer Vorbelastung schon früh sehr hohen Konzentrationen von Allergenen ausgesetzt, kann dies allergischen Heuschnupfen oder Asthma begünstigen. Anderseits weiss man, dass Kinder, die auf dem Land aufwachsen, deutlich weniger an Heuschnupfen und Allergien leiden. Der normale  Kontakt mit den Pollen ist demnach ein gutes Training für das Immunsystem.

 

Jetzt daran denken!
Der Herbst ist der ideale Zeitpunkt, um für die Pollensaison vorzusorgen. Vor allem wenn der Heuschnupfen so stark ist, dass mit einer Behandlung der akuten Symptome zu wenig Linderung verschafft werden kann und sie tendenziell stärker werden, sollte ein Spezialist aufgesucht werden. Er kann mit Hilfe von Tests bestimmen, ob eine Immuntherapie sinnvoll ist. Unbehandelter Heuschnupfen ist nämlich nicht nur lästig, er kann auch schwere Folgen mit sich bringen. Eine Ausweitung auf Bronchien und Lungen, ein «Etagenwechsel», kann zu schwerem Asthma führen.

Bei schwachen bis mittelstarken Beschwerden werden in der Regel die Symptome bekämpft. «Auch die Einnahme von modernen Antihistaminika, welche die allergischen Reaktionen rasch blockieren, ist sinnvoll», sagt Dr. Pawlik. Sind die Beschwerden stark, können Antihistaminika mit Cortison kombiniert werden. Cortison wirkt langsamer, hat aber einen stärkeren antiallergischen Effekt.

Wer gegen die Ursache vorgehen möchte, sollte sich Gedanken machen über eine SIT (Spezifische Immuntherapie) oder Hyposensibilisierung. Ihr Ziel ist es, den Körper Schritt für Schritt an die Allergene zu gewöhnen und eine Toleranz gegenüber dem allergieauslösenden Stoff zu bilden. Die Erfolgschancen liegen bei 70 und 80 Prozent und sind vor allem dann so hoch, wenn mit dem Therapiebeginn nicht allzu lange gewartet wird. Allerdings verlangt die Therapie Geduld und Ausdauer.

 

Verschiedene Formen
Je nach auslösendem Allergen wird der Arzt entscheiden, welche Art der SIT sinnvoll ist. Bei der ganzjährigen Injektionstherapie wird während 3 bis 5 Jahren in regel¬mässigen Abständen eine kleine, allerdings ansteigende Menge der allergieauslösenden Substanz gespritzt. Dr. Pawlik: «Ihre Wirksamkeit bei pollenbedingter Rhinitis, also Schnupfen, und Konjunktivitis, der Bindehautentzündung, ist unbestritten. In der Regel wird die Therapie auch von den Kassen übernommen.» Unerwünschte Reaktionen auf die Impfungen sind sehr selten. Dennoch müssen die Patienten nach jeder Impfung zur Sicherheit 30 bis 60 Minuten in der Praxis bleiben. Die Hyposensibilisierung wird auch bei Allergien gegen Hausstaubmilben, Tierhaare, Schimmelpilz und Insektenstiche eingesetzt.

Die sublinguale Immuntherapie (SLIT) ist vor allem bei Kindern und Schmerzempfindlichen angesagt. Die allergieauslösende Substanz wird hier in Form einer Tablette unter die Zunge eingebracht. Sie wird zu Hause durchgeführt, täglich, meist über drei Jahre hinweg. Es gibt sie bisher nur für Gräserpollenallergiker.
 

Bei der Kurzzeit-Immuntherapie gegen Pollenallergie werden erst kurz vor Beginn der Allergiesaison 4 bis 8 Spritzen gemacht – mit hochreinen und hochdosierten Allergenextrakten.

Die Immuntherapien wirken leider nicht bei jedem Patienten. Damit sich Betroffene nicht umsonst einer aufwendigen Therapie aussetzen, empfiehlt sich ein Test beim Spezialisten.

 

Info
Eine Immuntherapie wird empfohlen, wenn

  • Antihistaminika und andere Medikamente nicht genügend Wirkung zeigen.
  • Patienten keine anderen Medikamente einnehmen können oder wollen.
  • Insektenstichallergie mit Gefahr von allergischem Schock, Allergie gegen Hausstaubmilben, Katzenhaare und Schimmelpilz vorliegen.
  • leichtes, kontrolliertes, allergisches Asthma vorliegt.

Eine Immuntherapie kann nicht durchgeführt werden, wenn

  • der Patient ein geschwächtes Immunsystem hat.
  • schwere Erkrankungen vorliegen.
  • eine Therapie mit Betablockern gemacht wird.
  • schweres Asthma, bösartige Krebserkrankung oder eine Schwangerschaft vorliegt.

Bei Kleinkindern wird eine Immuntherapie nicht vor 5 Jahren durchgeführt. Dann aber ist sie häufig sehr wirksam, auch als Asthma-Prävention.