Gefährlicher Schock

Er kann durch etwas an sich Harmloses ausgelöst werden und im schlimmsten Fall tödlich enden: Der anaphylaktische Schock ist die schwerste Form einer allergischen Reaktion. Die Auslöser sind vielfältig.

Ein Müesli zum Frühstück – und plötzlich ging es der kleinen Alina gar nicht mehr gut. Wenige Minuten nach den ersten paar Löffeln musste das Mädchen erbrechen, atmete nur noch röchelnd. Sofort rief ihre Mutter den Notarzt, der glücklicherweise innerhalb von zehn Minuten da war. Er verabreichte der Sechsjährigen eine Adrenalin-Fertigspritze, die ihre heftigen Symptome linderte. Anschliessende Tests zeigten dann, warum Alina so extrem reagiert hatte: Sie hat eine Erdnussallergie, erlitt an diesem Morgen einen anaphylaktischen Schock. Die Erdnüsse in ihrem Müesli hatten ausgereicht, um diesen auszulösen.

Szenen wie diese sind glücklicherweise selten. Aber ein anaphylaktischer Schock kann ganz plötzlich auftreten. Ein Wespenstich beispielsweise oder auch eine nur winzige Menge Erdnüsse – und plötzlich reagiert der Körper heftig und mit einer ganzen Reihe von Symptomen. Der Mechanismus ist gleich wie bei allen allergischen Reaktionen – nur in einem extrem starken Ausmass. Grosse Mengen von Botenstoffen, wie zum Beispiel Histamin, werden freigesetzt. Diese bewirken eine schlagartige Erweiterung der Blutgefässe. Es kommt zu einem Blutdruckabfall und im schlimmsten Fall zu einem völligen Kreislaufversagen. «Bei Kindern sind die häufigsten Auslöser einer Anaphylaxie Nahrungsmittel wie Erdnüsse, Nüsse, Fisch, Eier und Milch, gefolgt von Bienen- und Wespengift und Medikamenten» weiss Sereina de Zordo von aha! Allergiezentrum Schweiz. «Bei Erwachsenen ist die Reihenfolge etwas anders: Dort sind es Insektengifte und Medikamente, gefolgt von Nahrungsmitteln.» Aber auch Pollen, Tiere oder Latex können zu einer so plötzlichen Überreaktion führen.

Den «Gegner» kennen

Am gefährlichsten ist eine solche Reaktion, wenn man völlig ahnungslos ist. «Wenn jemand zum ersten Mal einen anaphylaktischen Schock erleidet, passiert das meist unerwartet und sehr schnell nach dem Kontakt mit dem Auslöser», erklärt Sereina de Zordo. Wer weiss, dass dies passieren kann und den «Gegner» sozusagen kennt, kann sich vorsehen und ein Notfallset auf sich tragen. «Menschen, die bereits wissen, dass sie allergisch reagieren, versuchen den Auslöser zu meiden», weiss die Expertin. «Das ist aber nicht immer ganz einfach – etwa bei einer Insektengiftallergie.»

Allergien haben in den letzten Jahrzehnten zugenommen und auch die Zahl der Anaphylaxie-Betroffenen steigt. In der Schweiz gibt es pro Jahr einen bis drei Todesfälle pro Million Einwohner aufgrund anaphylaktischer Reaktionen. «Das höchste Risiko eines tödlichen Verlaufs besteht bei unkontrolliertem Asthma in Kombination mit einer Erdnussallergie», sagt Sereina de Zordo.

Abklärung ist wichtig

Den Kontakt mit den Auslösern meiden ist noch immer der wichtigste Schritt, einen anaphylaktischen Schock zu vermeiden. «Bei Verdacht auf eine allergische Reaktion ist in jedem Fall eine Abklärung bei der Hausärztin oder beim Allergologen wichtig», rät die Expertin. «Ohne Verdacht ist eine Testung aber nicht sinnvoll, weil Messwerte alleine nicht genügen, um eine Diagnose zu stellen.» Liegt das Risiko einer Anaphylaxie vor, erhalten Betroffene ein Notfallset, das sie immer auf sich tragen sollten. Das kann im Ernstfall ihr Leben retten. Auch Verwandte, Bürokollegen, Freunde und Lehrer sollten über die Allergie informiert sein und wenn möglich das richtige Verhalten im Notfall kennen. Auch die Familie von Alina ist mit mehreren solchen Notfallsets ausgerüstet – ein Set trägt Alina selber immer mit sich, eines ist zu Hause und ein weiteres ist in der Kindertagesstätte deponiert.