Ganz plötzlich sind die Finger weiss!

Wenn sich die Finger und Zehen anfallartig hell färben und sich eisig kalt anfühlen, so kann dies auf das Raynaud-­Phänomen hindeuten. Von dieser Gefässerkrankung sind vor allem jüngere Frauen betroffen.

Die Symptome kommen überfallartig und oft bei Stress und Kälte: Plötzlich werden die Finger oder Zehen blass und eiskalt. Diese Anzeichen können auf ein Raynaud-­Phänomen hindeuten, welches im Volksmund auch Leichenfinger- oder Lang­fingerkrankheit genannt wird, weil die Daumen meist nicht betroffen sind.

Durch Gefässkrämpfe ausgelöst

Beim Raynaud-Phänomen handelt es sich um eine Gefässerkrankung, die durch Gefässkrämpfe – sogenannte Vasospasmen – hervorge­rufen wird. «Die Krämpfe treten anfallsartig meist an den Fingern, seltener an Zehen und anderen Körperpartien auf», sagt Ulrike Hügel, Spitalfachärztin an der Universitätsklinik für Angiologie am Inselspital Bern. Dadurch verringert sich die Blutzufuhr zu der betroffenen Körperregion. Als Folge werden die Finger und Zehen kalt und blass. Aufgrund eines Sauerstoffabfalls im Blut kommt es wenig später zu einer Blaufärbung der Haut und einer anschliessenden Rötung, wenn sich die verengten Gefässe allmählich wieder weiten. Daher wird das Raynaud-­Syndrom auch als Tricolore (drei Farben)-Phänomen bezeichnet.

Bei der Erkrankung werden zwei verschiedene Formen unterschieden. «Das primäre Raynaud-­Phänomen tritt bei Frauen neunmal häufiger als bei Männern auf», sagt Ulrike Hügel. Meist sind jüngere Frauen im Teenageralter bis zum 30. Lebensjahr davon betroffen, und es liegt oft auch eine familiäre Veranlagung vor. Das sekundäre Raynaud-Phänomen tritt in der Regel in der dritten bis fünften Lebensdekade auf.

Auslöser für die unangenehmen Attacken sind unter anderem Kälte und emotionale Erregung. «Beim primären Raynaud-Phänomen sind fast immer die Langfinger beider Hände betroffen, während die Daumen ausgespart sind.» Bei dieser Form – einer sogenannt funktionellen Störung – ist der Ursprung bis heute nicht bekannt. Im Gegensatz zur sekundären Form, bei der eine systemische Erkrankung wie beispielsweise eine rheumatoide Arthritis, eine Arteriosklerose oder entzündliche Gefässerkrankungen zugrundeliegen. «Hier kann das Raynaud-Phänomen bis zu zwei Jahrzehnten dem eigentlichen Krankheitsausbruch vorangehen», so Ulrike Hügel weiter. Auch Medikamente wie Beta­blocker oder Chemotherapeutika können ein Raynaud-Phänomen auslösen.

Bereits das ärztliche Gespräch liefert wichtige Hinweise auf Art und Ursache eines Raynaud-Phänomens. Zudem kann die Diagnose mittels Blutuntersuchungen sowie bildgebender Verfahren gestellt werden. Im Rahmen einer Kapillarmikroskopie untersucht der Arzt beispielsweise die kleinsten Gefässe (Kapillaren) der Hände.

Stress und Kälte vermeiden

Die Behandlung der Erkrankung basiert in erster Linie auf allgemeinen Massnahmen. So sollten die Auslöser der Attacken – sogenannte Trigger-Faktoren – wie Kälte und Stress vermieden werden. Ein ausreichender Kälteschutz, wie beispielsweise das Tragen von Handschuhen beim Arbeiten mit Tiefkühlkost, kann ebenso hilfreich sein, wie das Tragen elektrisch beheizter Handschuhe und Socken. «Vor allem aber ist es wichtig, dass Raucherinnen und Raucher den Nikotinkonsum beenden», sagt denn auch die Spitalfachärztin Ulrike Hügel. Sollten diese kon­servativen Massnahmen nicht ausreichen, können verschiedene Medikamente (zum Beispiel ein Calciumkanalblocker wie Nifedipin) zum Einsatz kommen. Beim Vorliegen einer sekundären Form muss zuerst die zugrundeliegende Erkrankung behandelt werden.